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Glonner „Zechen“ und „Greawinkler“

von Hans Obermair

Montag, 21. Februar 2022, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Gemeinschaftsform von Ledigen in bäuerlichen Gegenden lebt bis heute weiter

Der Begriff „Zeche“, ist schon im 13. Jahrhundert ein Begriff. Er kommt nicht vom „Zechen“, also mit Essen und Trinken eine Zeche ma­chen, sondern bedeutet so viel wie Gemeinschaft, wie die „Zeche“ der Bergleute. Der Sprachforscher Schmeller erwähnt, dass die „Zech“, im Sin­ne einer Gemeinschaft von ledigen Leuten, an der „oberen Isar“ vorkom­me. Die „Zech“ war eine Gemeinschaftsform von Ledigen, in bäuerlichen Gegenden, wo es meist keine kirchlichen Vereinigungen, wie Gesellen-oder Burschenvereine, gab. Möglicherweise wurden solche erst gegründet, um die Gestaltung des Freizeitlebens der ledigen Burschen nicht nur den „Ze­chen“ zu überlassen. Oder gar um Zechen zu verhindern oder abzulösen.
Und so haben sich Zechen primär nicht an Pfarrorten gebildet, sondern oft in kleineren Orten und Ortsteilen. Überdies gab es in den Pfarr-und Ge­meindeorten, wie zum Beispiel in Glonn, ein reges Vereinsleben. Wenn Schmeller feststellt „an der oberen Isar“ gäbe es die Zechen, es gab diese auch bei uns. Sie sind möglicherweise erst später entstanden. Erstaunli­cherweise konnten bisher im nördlichen Landkreis, also bei den „Draußerholzern“, keine Zechen nachgewiesen werden.
Um das Leben in den Zechen darzustellen, sei hier die Gegend um Glonn als Beispiel angeführt. So wie es schon im letzten Drittel des 19. Jahrhun­derts in Schlacht eine Zeche gab, so gab es sie auch, wenn auch erst spä­ter, zum Beispiel in Münster, Glonn, Frauenreuth, und Berganger.

Zechen waren nicht wilde Gemeinschaften, sondern hatten feste Formen. So hatte jede Zeche einen Zechmeister, gegebenenfalls auch einen Stell­vertreter, einen Musikanten und eine Kasse, vom Zechmeister, oder sei­nem Stellvertreter geführt. Zu einer Zeche gehörte auch ein „Stammlokal“. So ist es auch zu verstehen, dass sich die jungen Leute eines Ortes ohne Wirtshaus, der Zeche des Nachbarortes anschlossen. Aufzeichnungen in den einzelnen Zechen wie Protokolle oder Kassenbücher sind nicht be­kannt.
Bei einer „Zech“ konnten alle ledigen Burschen und Mädchen eines Gebie­tes mitmachen; auch Knechte, Mägde und Handwerker, die nicht von hier stammten und nur hier im Dienst waren. Es gab keine Altersbeschrän­kung. Wichtig war, dass man noch ledig ist. Zweck einer „Zech“ war die Ge­meinschaft. Gemeinsam war man eben stärker. Selbstbewusstsein und Ei­genständigkeit der einzelnen Orte kamen hier besser zur Geltung. Ebenso brauchte man die Gemeinschaft zur Pflege und Weitergabe des Brauch­tums. Außerdem war gemeinsam gekauftes Bier billiger.

Gründungsmotiv war also der Wunsch zur Gemeinschaft. Solche Gemein­schaften entstehen oft gelegenheitshalber. Und da Zechen auch Kinder ih­rer Zeit sind, ist anzunehmen, dass sich viele mit der zunehmenden Frei­heit des Einzelnen „gründeten“ wie etwa durch die „Bauernbefreiung“ von 1848. Überdies gilt, wahrscheinlich aus demselben Grund, die zweite Hälf­te des 19. Jahrhunderts auch als die „Gründerzeit“ für Vereine. Dies betraf natürlich in erster Linie die größeren Orte. Die Vereinigungsmentalität machte aber vor den kleineren Orten nicht Halt. Das Entstehen von Ze­chen wurde hierdurch zweifelsohne beeinflusst. Hie und da mag auch die Eröffnung eines Dorfwirtshauses das Werden einer Zeche gefördert ha­ben. Es ist aber auch umgekehrt denkbar.
Ein Beispiel: die Schlachter Zeche, die „Greawinkler“. Sie umfasste die Orte Schlacht, Kreuz, Steinhausen, Mühtal, Reinsdorf, Balkham, Ursprung und Adling. Glonn wurde also im Norden und Westen halbkreisförmig umgan­gen. Im Süden und Osten von der Frauenreuther Zech. Nur von einer Zech ist ein spezieller Name bekannt: die „Greawinkler“.
Woher der Name „Greawinkler“ kommt, dafür gibt es keine eindeutige Erklärung. Wolfgang Koller glaubte, dass dies mit dem Grün der Wiesen und Wälder zu tun hat. So gesehen müssten auch die anderen Zechen um Glonn so geheißen ha­ben. Ebenso wäre es, wenn mit dem „grea“ (grün) „jung“ oder die Jugend gemeint war. Am ehesten könnte sein, dass „Greawinkler“ auf den Um­stand zurückzuführen ist, dass sich die Schlachter Jugend, für die Dreißi­gerjahre steht dies fest, auf der sogenannten „Winkelwiese“ getroffen hat. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass „Greawinkler“ ein Fantasiena­me ist, der anfangs sogar als Deckname hergenommen worden sein könn­te. Fragt man nach dem Zeitpunkt, wann die „Greawinkler“ entstanden sind, so ist man ebenfalls auf Vermutungen angewiesen. Da eine „Zech“ in der Regel auch sein Wirtshaus brauchte, könnte es durchaus sein, dass die Eröffnung des Schmiedwirt ca 1871, mit dem Entstehen der Schlachter „Zech“ zusammenhängt.

Der Jahreslauf einer „Zech“ ging natürlich einher mit dem Kirchen- und dem Bauernjahr. Gab es viel zu tun, so gab es wenig zu feiern – und umge­kehrt. Die Höhepunkte eines Zechjahres waren sicher die Tanzveranstal­tungen, die in den umliegenden Orten gemeinsam besucht wurden. So in Glonn die „Pfingstmarktmusi“ beim Neuwirt und die „Oktobermarktmusi“ in der Post. Der Zechmeister, oder ein von ihm Beauftragter, reservierte für seine „Zech“ die Plätze, indem er mit Kreide auf die Tische schrieb „Greawinkler“. Die anderen Zechen taten dies ebenfalls für sich. Dann kam ein Banzen Bier auf den Tisch, der an die eigenen Zechleute ausgeschenkt wurde. Einer von der „Zech“ kassierte bei allen männlichen Mitgliedern den gleichen Betrag. Reichte es für den Abend nicht, so wurde nachkas­siert. War es zu viel, so wurde es für spätere Anlässe gespart.
Aus der Zechkasse wurden beim Musikmeister, das waren in Glonn die Diemer und Faßrainer, Tänze bestellt. Burschen von anderen Zechen die „dreintanzten“ wurden „abkassiert“. Dirndln dagegen durften bei den Tän­zen anderer Zechen umsonst mittanzen. Zwischendurch spielte die Musik auch manchmal „Zehnerltouren“. Der „Frausee“ kostete 20 Pfennige. Wur­den von den Zechleuten Hochzeiten besucht, so wurde nach dem „Abdan­ken“ genauso verfahren wie bei einer Tanzmusi. Eintrittsgeld gab es da­mals nicht. Die Musik verdiente ausschließlich an den Zechtänzen und Zehnerltouren. Nicht selten spendierten die Zechen der Musi einige Maß Bier.

Für das Landvolk gab es früher keine Tanzkurse. Nicht tanzen können hät­te, im wahrsten Sinne des Wortes, „Sitzenbleiben“ bedeutet. Und welch junger Mensch wollte das schon. Und so wurde das Tanzen häufig bei der Zeche gelernt. In den Stuben, im Fletz oder auf dem Tennenboden gab es Platz genug.
Eine wichtige Angelegenheit im Jahreslauf einer Zeche war der „Kirta“. Dar­über schreibt die in der Schweiz wohnende Emma Rapp, die in Schlacht zu Hause war: „Kirchweih oder Kirta, das war noch ein Tag, und was für einer, für Jung und Alt. Das Wichtigste, es gab Kirtanudeln, Kirtabrot, eine Kirta- hutsch, Kirtabier und den Kirtatanz. Und der Kleinmaier Hermann, er war lange der Musiker seiner Zech, berichtet, dass für die Schlachter Burschen und Dirndl der Silvestertanz eine wichtige Angelegenheit war. Bis Mitter­nacht wurde beim Wirt musiziert und getanzt. Dann ging man mit der Har­monika voraus, von Hof zu Hof und wünschte ein gutes Neujahr, wofür man mit einem Geldstück belohnt wurde.
Wenn jemand von der Zeche heiratete, so wurde vom Zechmeister im Auf­trag der Zeche ein „Regulator“ (Wanduhr) oder ein „Humpen“ überreicht. Sofern die Zechkasse es erforderte, wurde hierfür (nur bei den Burschen) einkassiert. Das Brautpaar bedankte sich für das Geschenk mit Freibier und Ehrtänzen. Einige Tage vorher wurde, in der Regel im Hause des Hochzeiters oder der Braut, die „Nachthochzeit“ gefeiert. Der Name kommt wohl davon her, weil sie im Gegensatz zur Hochzeit, am Abend bzw. bei der Nacht gefeiert wurde. Wurde im Greawinklerbezirk eingehei­ratet, dann wurde von der Zech ein Hochzeitsbaum aufgestellt. Hatte sich nach einem Jahr noch kein Kindersegen eingestellt, so gehört der Baum den Burschen.
Wie schon geschrieben, waren die einzelnen Zechen (Schlacht, Adling usw.) auch selbst aktiv. Die Schlachter Burschen trafen sich an Sonntagen ge­wöhnlich beim Wirt. Auch bei diesen Treffen wurde gemeinsam ein Ban­zen Bier gekauft und natürlich auch getrunken. Der Fellermaier Hartl weiß, dass die Schlachter Jugend 1934 eine Holzhütte auf oder in der Nähe der Winkelwiese, gebaut haben. Diese Hütte wurde „Wastlalm“ genannt. Dort traf man sich zum Reden und Tanzen, um von den „Alten“ nicht eingese­hen zu sein. Der Kleinmaier Hermann nennt dies eine „sturmfreie Bude“. Aber auch die Adlinger hatten ihre Hütte. Einmal in ihrer Geschichte haben die Greawinkler sogar einen Maibaum aufgestellt. Dies war im Jahre 1938.

Die „Greawinkler“ brauchten natürlich auch eine Organisation. Die ganze Zeche hatte immerhin gut 50 Mitglieder. Allein die Schlachter hatten 20 bis 25 Treffen, die sich jährlich wiederholten. Dabei hatten die Adlinger, die von der Glonner Christlmühle den Strom bezogen, ein besonderes System. Die Neunerbuben, der Max und der Jakl, Teil der Adlinger Burschen, waren beim Christlmüller im Dienst. Wenn ihnen das Einsagen oblag, ließen sie einfach in Adling die Lichter flackern, indem sie den Storm kurz unterbra­chen. Die Adlinger Burschen wussten dann, was los war.
So wie in Schlacht haben die Weltkriege überall das Zechenleben zum Still­stand gebracht. Aber beide Weltkriege haben die „Greawinkla“ überstan­den. Es gab jeweils einen Neubeginn. Wenn sich auch die „Heutigen“ Bur­schenverein Schlacht nennen, den Geist der „Greawinkler“ gibt es noch. Heute auf die ganze Glonner Gmoa ausgedehnt und seit 1994 mit Fahne.

Hans Obermair ist Heimatforscher, er lebt in Glonn.

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Silber-Lukas: Das sind seine Vorgänger

von Hans Obermair

Dienstag, 17. August 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Turnen hat in der Marktgemeinde Glonn eine jahrhundertealte Tradi­tion – Blick ins Archiv

Ein Höhepunkt in der Geschichte Glonns: Silbermedaillengewin­ner Lukas Dauser besucht seine Heimat. Die Glonner Musi spielt den Olympioniken vom Haus der Eltern zum Marktplatz, wo ihn Bürgermeister Josef Oswald begrüßt und der Eintrag ins Goldene Buch des Marktes er­folgt. Diese mehr protokollarische Angelegenheit wird aber sicher überbo­ten von der Freude der Glonner über den Besuch Lukas Dausers, der schon drei Tage nach seinem Triumph in Tokio zu seinen Wurzeln zurück­findet. Er belegt dies damit, dass er offen bekennt „…immer wenn ich her­komme, fühle ich mich sofort heimisch“. Und wenn er weiter erinnert: „als Kind wurde ich angesprochen, ob ich der bin, der im Schwimmbad Wiesmühle die Saltos vom 3-Meter Sprungbrett macht!“, dann unterstreicht das ebenfalls seine Verbindung mit Glonn. Und so darf Glonn schon auch stolz darauf sein, Heimat eines so großartigen Sportlers zu sein.

Wer denkt bei einem solchen Anlass daran, dass das Turnen in Glonn in seinem „Turnverein“ schon seit 1884, also seit 137 Jahren, Tradition ist. In­itiator war der Lehrer Bartholomäus (Bartl) Nußhart. Er war aus Inning am Ammersee gebürtig und erst seit Juli 1883 in Glonn. Neben seinem Schul­dienst war er auch Organist in Frauenreuth. Das hieß, täglich vor Schulbe­ginn einen Fußmarsch zur Wallfahrtskirche und zurück. Vorübergehend muss Nußhart auch Schulleiter gewesen sein. Das bedeutete, auch den Gemeindeschreiberdienst zu versehen. Bürgermeister war damals der Christlmüller Johann Beham.

Wie es in einem Bericht von 1934, also zum 50-jährigen Bestehen, heißt, war es nicht leicht, den Anfang zu machen. Weiter ist vermerkt: Die „mit­reißende Persönlichkeit“ des jungen Lehrers sei es gewesen, die die Ju­gend für das Turnen begeisterte. Erster „Sportplatz“ war eine Wiese, dort wo der Kupferbach in die Glonn mündet und „Turnerheim“ war das Gast­haus Lanzenberger. Wie schnell sich die junge Gemeinschaft gefestigt hat, zeigt, dass bereits 1886 eine Fahne angeschafft werden konnte. Als Nuß­hart, wohl berufsbedingt, im gleichen Jahr Glonn verließ, war er nicht gleich zu ersetzen. Erst 1888 übernahm der Maler Peter Meßner den Vor­sitz. 1898 wurde der Turnplatz in die Nähe des Metzgeranwesens (Bredenhöller) verlegt. Dieses Anwesen gehörte zum „Neuwirt“. Und so war es ver­ständlich, dass die Turner mit dem Vereinslokal dorthin wechselten. 1929 erbaut man die Turnhalle des Vereins.

Statuten und eine „Turn-Ordnung“ zeugen vom Ordnungswillen des Ver­eins. Da heißt es zum Beispiel „Das Turnen von Zweien auf einem Geräthe ist nicht gestattet“, oder dass „Übungen, welche mit Gefahr verbunden sind, ohne Beisein anderer nicht versucht werden“.

Das Kassenbuch von 1901 -1921 und das Beitragsbuch von 1911 – 1922, das wieder gefunden und erst vor ein paar Jahren dem ASV übergeben wurde, gibt einen Einblick in die Tätigkeit des Vereins in diesen Jahren. Ne­ben dem Training gab es natürlich immer wieder Wettkämpfe und man beteiligte sich bei Gauturnfesten. Da gab es zum Beispiel für 1907 für die Glonner mehrere Preise.

Aber es wurde nicht nur geturnt, sondern auch Schwimmen gehört dazu und das Theaterspielen. Der alljährliche Turnerball war ein Höhepunkt des Glonner Faschings.

Die Liste der Vorstände zeigt, wie sehr der Verein im Glonner Bürgertum verankert war. Und trotzdem hatte der Verein auch seine Krisen. In einer Zeitung von 1907 steht zu lesen, „…. man habe den Verein wieder neu zu Leben erweckt“. Vielleicht hat der 1903 gegründete Athletenclub und der Radfahrverein von 1906 den Verein geschwächt. Anfang der Dreißigerjahre nahm man sogar die Sänger in die Reihen der Turner auf. Der Männerge­sangverein nannte sich nun „Sängerriege des Turnvereins“.

Einen Höhepunkt hatten die Glonner in den Jahren nach dem Ersten Welt­krieg. Der Erste Weltkrieg brachte, wie bei allen Vereinen, einen Einbruch, die meisten erwachsenen Glonner Turner waren ja im Krieg. Die Aufbruch­stimmung muss enorm gewesen sein. Das führte zu den Erfolgsjahren des Vereins: 1924 war die Fahnenweihe und dann die vielen sportlichen Erfol­ge, sowie 1929 der Bau der Turnhalle. Diese sportlichen Erfolge dürften zurückzuführen sein einmal auf die Vereinsführung und auf die Vereins­trainer. Diese waren für die Kinder und Jugendlichen Korbinian Beham, er war einer der besten Glonner Turner und Enkel des Gründungsbürger­meisters Johann Beham. Für die Erwachsenen war es Wolfgang Maier, er war der Sohn eines Glonner Postlers, des letzten Glonner Postillon in Glonn. Ein Zeitungsausschnitt mag dafür ein Beleg sein, wie viele Glonner damals aktive Turner waren. Den Mitgliedern nach gab es auch eine Ver­bindung zum Glonner Katholischen Gesellenverein (Kolping).

Die Aktivitäten der Turner scheinen Ende der Zwanzigerjahre abzuneh­men. Wie es heißt, wollen die Jungen Fußball spielen und die Alten nicht. Ein neuer Verein (Spiel und Sport) wurde gegründet. Die Machtergreifung der NSDAP ab 1933 verordnet die Gleichschaltung, das heißt die Mitwir­kung der Partei. Vorstand Maier erklärt dies 1934 der Versammlung. Die „graue Eminenz“ im Verein, Ludwig Maier (Bürgermeister von 1929-1933), ist damit nicht einverstanden und bewirkt einen Vorstandswechsel. August Knorr wird Vorstand. Auch die aufkommende Hitlerjugend mag das ihre beigetragen haben. Liest man die Zeitungsberichte, kommt man zu dem Schluss, dass der Turnverein nur mehr gesellschaftliche Funktionen aus­übt: Theaterspielen, Faschingsveranstaltungen und Versammlungen. Das geht so bis 1941, dann ist Stille. 1947 erfolgte dann die Zusammenlegung beider Sportvereine zum Allgemeinen Sportverein (ASV).

Dass sich nun ein Weltklasseturner von seine Wurzeln her zu Glonn be­kennt, könnte doch ein Anlass sein, die alte Glonner Turnertradition wie­der aufleben zu lassen. Turnen, ein Sport, der nicht auf Zweikampf ausge­richtet ist, sondern wo der Fähigste der Beste ist, passt doch in unsere Zeit. Ein Sport, der aber auch die Gemeinschaft fördert. Noch dazu in ei­nem Ort, dessen Vereinsleben von zwei großen Sportvereinen maßgeblich mit geprägt wird. Vor allem aber auch, weil man mit Lukas Dauser, ein so großes Vorbild hat. Quasi einen Paten, um den uns viele beneiden. Zudem hat unsere Marktgemeinde eine zweite Turnhalle in der Agenda. Aber auch die Glonner Bürger würden sich nicht „lumpen“ lassen. Also anpa­cken!

Hans Obermaier ist Heimatforscher. Er lebt in Glonn.

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Ein Dreh zum Wohlfühlen

von Hans Obermair

Mittwoch, 09. Juni 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Vor 40 Jahren wurde in Glonn „Die Rumplhanni“ fürs Fernsehen aufgenommen

Überwiegend wird die „Rumplhanni“ als der bedeutendste Roman der Glonnerin Lena Christ gesehen. Das Werk hat das Leben ihrer Mutter, ergänzt mit eigenen Erlebnissen, zum Inhalt. Ursprüng­lich als Theaterstück gedacht, erschien der Roman 1916 und ist zeit­nah geschrieben.

Schlacht im Westen von Glonn ist ein bekannter Ort. Nicht nur weil man sich dort eine gemütliche Kaffeepause gönnen kann, sondern auch weil von Schlacht aus viele schöne Busreisen ihren Anfang neh­men. Kultureller Mittelpunkt ist auch heute noch die kleine Kirche in der Ortsmitte, von wo aus Kirchenpatron Martin über die Seinen wacht. Die Straße teilt nicht den Ort, sondern verbindet ihn. Der Ortsname erinnert nicht an ein Kriegsgeschehen, sondern an die Ro­dung, die vor über einem Jahrtausend begann, bei dem der Wald zu Gunsten der Besiedlung geschlagen oder „geschlachtet“ wurde. Ur­alte Hausnamen, die sich meist auf Vornamen beziehen, wie zum Beispiel der „Urber“ (Urban), lassen sogar den Schluss zu, dass sich hier eine Sippe angesiedelt haben könnte.

Dass man ausgerechnet hier und in der Umgebung den „ländlichen“ Teil der Verfilmung des Lena-Christ-Romans „Rumplhanni“ drehte, hat sicher seinen Grund darin, dass der Ort den gewünschten Dorf­charakter hatte. Mit dem denkmalgeschützten Urberhof hatte man auch die richtige Immobilie gefunden, wie sie eben der „Hauserbau­er“ aus dem Roman brauchte. Nicht nur das: In Glonn wurde Magda­lena Pichler, alias Lena Christ 1881 als „Hansschuastalenei“ geboren, im nahen Lindach, wo sie gerne beim „Wimmerbauern“ in der Som­merfrische waren, schrieb sie zu einem guten Teil ihre „Rumplhan­ni“. Dort und auf ihren Spaziergängen in der Umgebung erlebte sie Land und Leute, wie sie im Roman Vorkommen.

Wenn man sich mit dem Werk und Herkunft der Lena Christ etwas auskennt, wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass in der „Rumplhanni“ vieles an das Leben ihrer Mutter, auch als Magdalena Pichler beim „Hansschuster“ in Glonn 1860 geboren, erinnert. Dass diese sich in verschiedenen „gehobenen“ Haushalten in München Arbeit suchte, es zur Köchin brachte und letztlich Wirtin wurde, diese Absicht kann durchaus, in ihrem Glonner Leben den Ursprung ha­ben.
Von 1862 bis 1876 wurden in Glonn sechs neue Gasthäuser eröffnet. Auch in Schlacht gab es einmal drei. Mögen diese Gründungen auch durch die Einführung des Preußischen Gewerberechtes, bei dem nicht mehr das „Bedürfnis“, wie im Bayerischen zu prüfen war, be­günstigt worden sein, aber über allen Gründungen stand sicher das Bestreben Wirt oder Wirtin zu sein. Man verdiente nicht nur mehr, sondern war auch „wer“ oder „mehr“ – man wusste mehr und hatte mehr Einfluss.
Man war selbst möglicherweise nicht mehr Dienstbote, sondern hat­te welche. Warum sollte sich das nicht alles auch auf den Lebens­plan der Mutter ausgewirkt haben. Dass diese in München, nicht wie dargestellt vom Schmied Karl Christ, sondern höchstwahrscheinlich von einem Rittmeister schwanger wurde, passt natürlich auch in die­sen „Glücksplan“ der natürlich nicht Eins zu Eins in die Rumplhanni übernommen ist, aber immer als Hintergrund spürbar ist.

Schlacht und Umgebung waren also nicht nur landschaftlich­architektonisch gesehen, sondern auch geschichtlich ein geeigneter Drehort. Auch die Schlachter und die Glonner standen einer „Rum­plhanni“ wesentlich näher, als zum Beispiel den „Buddenbrooks“ oder anderen Protagonisten. Wohl auch deswegen: Allein in der Ge­meinde Glonn gab es drei Anwesen mit dem Hausnamen „beim Rumpl“. Und so merkt man es auch im Film, das war das „ihre“.

Die „Rumplhanni“ weiß was sie will. Sie ist schlau, ehrgeizig und wenn es sein muss auch frech. Sie ist, wie es im Roman heißt, ein „saubers, molligs Frauenzimmer mit festen Armen, feisten Backen und kohl-schwarzen Haaren“. Obwohl sie ein „Barasoiflickabankert“ ist, verliert sie aber nie ihren Stolz und strotzt vor Selbstbewusstsein. Ihr Ziel: Etwas zu haben und „wer zu sein“.

Die Methoden, die sie dabei anwendet, sind zwar nicht immer vom Feinsten, aber die Hanni setzt sich durch. Diese Bauerndirn ist aller­dings keine für den Roman konstruierte Person. Sie war eine von vielen dieser Zeit, die oft mangels anderen Möglichkeiten bei den Bauern ihren Dienst taten, umso härter, als die Männer ins Feld zie­hen mussten.

Der Hintergrund für die Veränderung im Verhalten der Dienstboten war sicher auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, wie die Ein­führung der Sozialversicherung, Veränderungen im Aufenthaltsrecht und die Industrialisierung. Dies alles setzt mehr Freizügigkeit in Gang. Man musste also nicht mehr ein Leben lang fleißig, brav, treu und willig beim gleichen Bauern „dienen“, damit man im Alter eine Bleibe hat, wie es die Jahrhunderte vorher war.

Die Filmarbeiten in Schlacht begannen am 6. März 1981 und setzten sich mit den Münchner Szenen bis in den August fort. Die Deutsche Erstausstrahlung war dann am 12. November 1981.

Kurz zur Handlung: Die Rumplhanni (Monika Baumgartner) ist beim Hauserbauern im Dienst. Als der Sohn des „Hausers“, Simon, 1914 in den Krieg ziehen muss, behauptet die Hanni, sie erwarte ein Kind von ihm. Ihr Ziel war, so oder so, einmal Hauserbäuerin zu werden. Der „amtierende“ Hauserbauer (Karl Obermayr) glaubt ihr nicht. Also überlistet sie den Senior in ihrer Kammer, um so ihr Ziel zu errei­chen. Der Schwangerschaftstrick gelingt nicht. Die Hauserin (Enzi Fuchs) „spannt“ was. Letzlich muss die Hanni nicht nur von Haus und Hof gehen, sondern sich auch von ihren Träumen verabschieden. Sie landet in der „Stood“ und beginnt ein neues Leben. Das ist nicht ein­fach. Auch das Gefängnis bleibt ihr nicht erspart. Diese Szene ist von Lena Christ sehr wirklichkeitsnah beschrieben. Warum? In ihrem wirklichen Leben hat sie das selbst erlebt.

Der Gefängniszelle im Roman gibt sie die Nummer 38. Auch das Hansschusteranwesen in Glonn hatte diese Hausnummer. Letztlich kann die Hanni über eine „Verdingerin“ bei einer Gastwirtschaft an­fangen, lässt sich dort gut an und kann so den Metzger des Hauses, Hans, (Werner Rom) für sich gewinnen.
Der einzige Sohn der Wirtsleute (Walter Fitz und Marianne Lindner) bleibt im Krieg. Und so können Hanni und Hans die Wirtschaft über­nehmen. Die „Rumplhanni“ hat ihr Ziel erreicht. Wenn man selbst in einer Gastwirtschaft aufgewachsen ist und auch in eine Metzgerei „hinein geschmeckt“ hat, wie der Verfasser, kann man diese Gasthaus-und Metzgereiszenen nur mit höchstem Lob bewerten.

Die Romanvorlage wurde von Regisseur Rainer Wollfahrt in hervor­ragender Weise umgesetzt. Auch die Besetzung für den Glonner Teil wie oben schon geschildert, ergänzt mit dem „buckligen Stauden-schneidergirgl“ Frithjof Vierock, der „Kollerin“ Maria Singer, dem „Schmied“ Willy Harlander, und der „Rumplwabn“ Marie Stadler, hät­te nicht besser sein können. Aber auch, dass viele kleinere und Ne­benrollen durch Glonner „Originale“ gespielt wurden, erhöht natür­lich für die Glonner die Attraktivität dieses Filmwerkes. Hinzu kommt das Glonner Umfeld: Ob der Urbanhof in Schlacht als „Hauserhof‘, das alte „Stefflhaus“ in Balkham als Unterkunft der „Rumplwabn“ oder das Land zwischen Balkham und Kreuz, alles passt einzigartig. Und so bleiben Glonner Personen in ihren Häusern und in ihrer Um­gebung weit über ihre Zeit hinaus für die Nachwelt präsent.

Was eher selten sein dürfte: Dankes- und Lobeshymnen der Akteure und des Filmteams wie an die „echte“ Urbanbäurin Marianne Rechl. Mit ihrer Herzlichkeit und ihren kulinarischen Angeboten hat sie sich sozusagen in die Herzen der Akteure gespielt. Und wenn ihr Karl Obermayr folgende Widmung hinterlässt: „Liebe Marianne! Dank Dir schee für alles, fürn Kaffee, fürs Dosei, fürn gmiatlichen Ratsch! Schee waars! Karl Obermayr“ dann darf man durchaus annehmen, dass sich alle in Schlacht wohlgefühlt haben. Vielleicht war das auch ein wichtiger Beitrag für das Gedeihen eines so großartigen Werkes.

Josef Hofmiller schreibt in den Zwanzigerjahren über Lena Christ: „Wenn man in 100 Jahren wissen will, wie es damals in Oberbayern gewesen ist, werden diese ihre Bücher neben denen von Ludwig Thoma den Wert kulturgeschichtlicher Quellenwerke haben.“

Hätte Hofmiller diese Rumplhanni-Verfilmung gesehen, hätte er sie höchstwahrscheinlich ebenfalls als Quellenwerk mit aufgeführt. Schade! Aber auch der 1974 verstorbene Glonner Wolfgang Koller, er war wohl der bedeutendste Lena-Christ-Förderer, er hat die Dich­terin noch persönlich gekannt, wäre von dieser Verfilmung hell be­geistert gewesen.

Hans Obermair ist Heimatforscher in Glonn.

 

Römerstraße gesucht

von Hans Obermair

Dienstag, 07. Dezember 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Römerstraße gesucht

Hoffen auf Kommissar Zufall: Hans Obermair forscht nach antikem Wegesystem im Landkreis Ebersberg

Es muss sie gegeben haben, eine Römerstraße von Helfendorf in den Norden des Landkreises Ebersberg. In Kleinhelfendorf wo die „Via Julia“ südlich (Grünwald) von München nach Augsburg verläuft, muss diese abgezweigt sein. Die „Via Julia“ ist heute noch gut erkennbar, zumin­dest in der Gemeinde Aying. Auch in der Ayinger Schule haben wir das so gelernt. Demnach führte sie an unserer Wiese vorbei. Und so grub ich beim Hüten der Kühe mit Taschenmesser und Händen in den Damm in der Hoffnung, römische Soldaten könnten für mich etwas verloren haben. Gefunden habe ich nichts – außer Freude und Ansporn, mich mit Ge­schichte zu befassen. Bis auf den heutigen Tag!

Die Römerstraßen im Landkreisnorden sind weitgehend bekannt, (siehe HAB Dr. Mayr Gottfried Seite7). Es war die Straße, die Augsburg mit Wels (Oberösterreich) verband und den Ebersberger Forst durchquerte. Die Hauptstrecke führte (OBB. Archiv Band 130 Hans Baur Seite 67) über „Bra- tananium“ (Pretzen im LK Erding) über „Ambra“ (Dachau) nach Augsburg.

Die Römerstraße, die die heutigen Gemeinden Hohenlinden, Anzing, höchstwahrscheinlich über Froschkern nach Neufarn, und Poing durch­querte (HAB), führte weiter nach Poing, Gelting, Finsing, und Neuching nach Freising. In Neufarn könnte ein Abzweig über Aschheim zum Isar­übergang in Oberföhring gewesen sein.

Wo diese Trasse verlaufen ist, ist offen. Möglicherweise über Grub und Feldkirchen, wo Emmeram, der 652 in Kleinhelfendorfsein Martyrium er­litt, und auf dem Transport über Aschheim nach Regensburg verstarb. Die vermutete Römerverbindung von Helfendorf nach wahrscheinlich Neuf­arn, und weiter nach Feldkirchen, könnte also der Weg des schwer ver­wundeten Emmeram gewesen sein. Aber es gibt für diese Trasse nur Indi­zien.

Kreisheimatpfleger Thomas Warg berichtet uns (siehe EZ vom 24.8.2021), dass das gesuchte Teilstück (Helfendorf – Neufarn) die „Via Julia“ mit der Römerstraße von Wels nach Augsburg im Norden des Ebersberger Forstes verbunden haben soll.

Eventuell ist die „Gesuchte“ ab Aying am Ostrand der Schotterebene ver­laufen. Nachdem Straßen, damals wie heute, nicht nur gebaut, sondern auch unterhalten werden mussten, waren hierzu „Villa Rustikas“ angelegt. Eine könnte das nachgewiesene römische Gehöft in Oberseeon, oberhalb des Steinsees, gewesen sein. Also könnte sich die gesuchte Straße in der Nähe befunden haben. Zum Beispiel bei Pframmern, dessen Namen auf die Römer zurückgeht. Wenn man aber die Geländeskizze im Südlichen

Landkreis (mit den Schotter- und Lehmvorkommen) auch betrachtet, wäre auch ein Römerstraßenverlauf Kleinhelfendorf-Münster-Schlacht-Steinsee (Niederseeon)-Pframmern gut möglich. Damit wäre man ganz in der Nähe von Oberseeon gewesen.

Pframmern liegt aber auch an der Grenze zwischen dem besagten Morä­nenzug (Jung-Altmoräne) und der sogenannten Schotterebene (Kiesbo­den), die früher als „Perlacher Haid“, nicht als besonders fruchtbar galt. Es muss eine Graslandschaft gewesen sein, die, wenn überhaupt, nur für die Schafweide taugte. Um aufkommendes Gehölz wird sich sicher der hohe Wildbestand gekümmert haben. Die „Perlacher Haid“ war für den damali­gen Ackerbau also nicht geeignet. Und so wird wohl eine Besiedlung der Moränenlandschaft an der Grenze zur Schotterebene, natürlich an oder in der Nähe einer Straße, bevorzugt worden sein: Hier waren die besseren Ackerbaumöglichkeiten, darauf stehend das erforderliche Bauholz, und das alles in der Nachbarschaft der wildreichen „Perlacher Haid“, die auch die „hohe Jagdherrschaft“ zu schätzen wusste.

Wenn wir uns die Landkarte anschauen, hat das Aufeinandertreffen dieser beiden Landschaftsformen, die nur im Zornedinger Raum zweimal kurz unterbrochen ist, zu einer Kette von Orten geführt.

Beginnen wir in Aying, unweit von Helfendorf. Dann geht die Reihe weiter über Egmating, Orthofen, Pframmern, Wolfersberg, Zorneding, Ingelsberg, Purfing, Neufarn und weiter nach Poing, Ottersberg, Gelting-Pliening, Finsing und Neuching im Erdinger Land. Auf die Möglichkeiten eines mögli­chen teilweisen Verlaufes im Süden wurde schon hingewiesen.

Diese uralten Orte sind damals wie heute durch eine Straße verbunden. Übrigens: Aschheim und Neuching, sind zwei wichtige Orte, wo 755 und 771 Synoden der Agilolfinger zur Ergänzung des „Lex Bauivariorum“ statt­fanden.

Diese beiden Orte wurden sicher ausgewählt, weil sie an bedeutenden Straßen lagen und dies mit entsprechenden Beherbergungsmöglichkeiten. Eine Weiterführung von Neuching nach Freising, der Herzogs- und ersten Stadt des südlichen Bayern und seit 739 Bischofsitz, ist festgestellt. Und so ist es gut möglich, dass Bischof Hitto aus Freising, der im Januar 813 die Kirchen in Gelting und Georgenberg eingeweiht hatte, auf dieser Straße angereist ist.

Ob es sich bei der „Gesuchten“ ganz oder teilweise um die Römerstraße, oder um die Vorgängerstraße aus dem ersten Jahrtausend oder um früh­

mittelalterliche Wege handelt, ist (noch) nicht bekannt. Sollte es eine Rö­merstraße gewesen sein, wäre dies logisch. Für den bewährten römischen Straßenbau brauchte man sowohl faustgroße Steine als auch Kiesel ver­bunden mit Lehm. Diese Materialien waren in der Schotterebene als auch in den Moränen reichlich vorhanden. Also keine oder kaum aufwendige Transporte.

Diesen „pekuniären“ Vorteil berücksichtigten die Römer sicher bei der Trassenwahl. Von ihnen stammt ja der Spruch „Pekunia non ölet“, also „Geld stinkt nicht“. Aber natürlich nur, wenn es nicht ausgegeben war.

Möglicherweise sind einige Orte mit dem Entstehen der Straße entstan­den. Andere wieder, weil diese da war. Die an der vermuteten Trasse lie­genden Orte haben alle mindestens ein Anwesen mit dem Hausnamen „Moar“. Der „Moar“ war häufig nicht nur der größte Hof eines Ortes, son­dern womöglich auch der Erste. Eventuell war bei einigen eine „Villa-Rusti­ka“ der Anfang.

Diese Straße wird größtenteils knapp unterhalb der Moränenhänge gewe­sen sein um Steigungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Da Hänge natür­lich nach unten erodieren und die flachen Schotterböden nicht nach oben, könnte diese alte Straße meterhoch überschüttet sein. Man kann es ja auch beobachten, dass landwirtschaftliche Flächen, die direkt an einem Hang liegen, mit Erosionsmasse vom Hang her überdeckt sind. Vielleicht können bei tieferen Baugruben unterhalb eines solchen Hanges doch noch Straßenreste entdeckt werden.

Der ganze „kriminalistische“ Sachverstand von Generationen von Histori­kern, Archäologen und Heimatkundlern hat bisher nicht ausgereicht, sozu­sagen „die Straßen-Leiche“ zu entdecken. Und so muss die Suche, auch die nach Indizien, weitergehen, bis vielleicht einmal „Kommissar Zufall“ den Fall löst.

*) Hans Obermair ist Heimatforscher in Glonn.

Die Römerstraßen im Landkreisnorden sind weitgehend bekannt, (siehe HAB Dr. Mayr Gottfried Seite7). Es war die Straße, die Augsburg mit Wels (Oberösterreich) verband und den Ebersberger Forst durchquerte. Die Hauptstrecke führte (OBB. Archiv Band 130 Hans Baur Seite 67) über „Bra- tananium“ (Pretzen im LK Erding) über „Ambra“ (Dachau) nach Augsburg.

Die Römerstraße, die die heutigen Gemeinden Hohenlinden, Anzing, höchstwahrscheinlich über Froschkern nach Neufarn, und Poing durch­querte (HAB), führte weiter nach Poing, Gelting, Finsing, und Neuching nach Freising. In Neufarn könnte ein Abzweig über Aschheim zum Isar­übergang in Oberföhring gewesen sein.

Wo diese Trasse verlaufen ist, ist offen. Möglicherweise über Grub und Feldkirchen, wo Emmeram, der 652 in Kleinhelfendorfsein Martyrium er­litt, und auf dem Transport über Aschheim nach Regensburg verstarb. Die vermutete Römerverbindung von Helfendorf nach wahrscheinlich Neuf­arn, und weiter nach Feldkirchen, könnte also der Weg des schwer ver­wundeten Emmeram gewesen sein. Aber es gibt für diese Trasse nur Indi­zien.

Kreisheimatpfleger Thomas Warg berichtet uns (siehe EZ vom 24.8.2021), dass das gesuchte Teilstück (Helfendorf – Neufarn) die „Via Julia“ mit der Römerstraße von Wels nach Augsburg im Norden des Ebersberger Forstes verbunden haben soll.

Eventuell ist die „Gesuchte“ ab Aying am Ostrand der Schotterebene ver­laufen. Nachdem Straßen, damals wie heute, nicht nur gebaut, sondern auch unterhalten werden mussten, waren hierzu „Villa Rustikas“ angelegt. Eine könnte das nachgewiesene römische Gehöft in Oberseeon, oberhalb des Steinsees, gewesen sein. Also könnte sich die gesuchte Straße in der Nähe befunden haben. Zum Beispiel bei Pframmern, dessen Namen auf die Römer zurückgeht. Wenn man aber die Geländeskizze im Südlichen

Landkreis (mit den Schotter- und Lehmvorkommen) auch betrachtet, wäre auch ein Römerstraßenverlauf Kleinhelfendorf-Münster-Schlacht-Steinsee (Niederseeon)-Pframmern gut möglich. Damit wäre man ganz in der Nähe von Oberseeon gewesen.

Pframmern liegt aber auch an der Grenze zwischen dem besagten Morä­nenzug (Jung-Altmoräne) und der sogenannten Schotterebene (Kiesbo­den), die früher als „Perlacher Haid“, nicht als besonders fruchtbar galt. Es muss eine Graslandschaft gewesen sein, die, wenn überhaupt, nur für die Schafweide taugte. Um aufkommendes Gehölz wird sich sicher der hohe Wildbestand gekümmert haben. Die „Perlacher Haid“ war für den damali­gen Ackerbau also nicht geeignet. Und so wird wohl eine Besiedlung der Moränenlandschaft an der Grenze zur Schotterebene, natürlich an oder in der Nähe einer Straße, bevorzugt worden sein: Hier waren die besseren Ackerbaumöglichkeiten, darauf stehend das erforderliche Bauholz, und das alles in der Nachbarschaft der wildreichen „Perlacher Haid“, die auch die „hohe Jagdherrschaft“ zu schätzen wusste.

Wenn wir uns die Landkarte anschauen, hat das Aufeinandertreffen dieser beiden Landschaftsformen, die nur im Zornedinger Raum zweimal kurz unterbrochen ist, zu einer Kette von Orten geführt.

Beginnen wir in Aying, unweit von Helfendorf. Dann geht die Reihe weiter über Egmating, Orthofen, Pframmern, Wolfersberg, Zorneding, Ingelsberg, Purfing, Neufarn und weiter nach Poing, Ottersberg, Gelting-Pliening, Finsing und Neuching im Erdinger Land. Auf die Möglichkeiten eines mögli­chen teilweisen Verlaufes im Süden wurde schon hingewiesen.

Diese uralten Orte sind damals wie heute durch eine Straße verbunden. Übrigens: Aschheim und Neuching, sind zwei wichtige Orte, wo 755 und 771 Synoden der Agilolfinger zur Ergänzung des „Lex Bauivariorum“ statt­fanden.

Diese beiden Orte wurden sicher ausgewählt, weil sie an bedeutenden Straßen lagen und dies mit entsprechenden Beherbergungsmöglichkeiten. Eine Weiterführung von Neuching nach Freising, der Herzogs- und ersten Stadt des südlichen Bayern und seit 739 Bischofsitz, ist festgestellt. Und so ist es gut möglich, dass Bischof Hitto aus Freising, der im Januar 813 die Kirchen in Gelting und Georgenberg eingeweiht hatte, auf dieser Straße angereist ist.

Ob es sich bei der „Gesuchten“ ganz oder teilweise um die Römerstraße, oder um die Vorgängerstraße aus dem ersten Jahrtausend oder um früh­

mittelalterliche Wege handelt, ist (noch) nicht bekannt. Sollte es eine Rö­merstraße gewesen sein, wäre dies logisch. Für den bewährten römischen Straßenbau brauchte man sowohl faustgroße Steine als auch Kiesel ver­bunden mit Lehm. Diese Materialien waren in der Schotterebene als auch in den Moränen reichlich vorhanden. Also keine oder kaum aufwendige Transporte.

Diesen „pekuniären“ Vorteil berücksichtigten die Römer sicher bei der Trassenwahl. Von ihnen stammt ja der Spruch „Pekunia non ölet“, also „Geld stinkt nicht“. Aber natürlich nur, wenn es nicht ausgegeben war.

Möglicherweise sind einige Orte mit dem Entstehen der Straße entstan­den. Andere wieder, weil diese da war. Die an der vermuteten Trasse lie­genden Orte haben alle mindestens ein Anwesen mit dem Hausnamen „Moar“. Der „Moar“ war häufig nicht nur der größte Hof eines Ortes, son­dern womöglich auch der Erste. Eventuell war bei einigen eine „Villa-Rusti­ka“ der Anfang.

Diese Straße wird größtenteils knapp unterhalb der Moränenhänge gewe­sen sein um Steigungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Da Hänge natür­lich nach unten erodieren und die flachen Schotterböden nicht nach oben, könnte diese alte Straße meterhoch überschüttet sein. Man kann es ja auch beobachten, dass landwirtschaftliche Flächen, die direkt an einem Hang liegen, mit Erosionsmasse vom Hang her überdeckt sind. Vielleicht können bei tieferen Baugruben unterhalb eines solchen Hanges doch noch Straßenreste entdeckt werden.

Der ganze „kriminalistische“ Sachverstand von Generationen von Histori­kern, Archäologen und Heimatkundlern hat bisher nicht ausgereicht, sozu­sagen „die Straßen-Leiche“ zu entdecken. Und so muss die Suche, auch die nach Indizien, weitergehen, bis vielleicht einmal „Kommissar Zufall“ den Fall löst.

*) Hans Obermair ist Heimatforscher in Glonn.

Der Kirchenwachter von Frauenreuth

von Hans Obermair

Dienstag, 07. September 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Der Kirchenwachter von Frauen­reuth

Während des Gottesdienstes musste er den Ort bewachen zum Schutz vor Einbrechern

Zum menschlichen Dasein gehört es auch auf Gefahren zu ach­ten, um einen möglichen Schaden zu verhindern beziehungsweise zu ver­kleinern. Der Beruf und die Tätigkeit des Nachtwächters war hierzu nicht nur zuständig, sondern auch Symbol über Jahrhunderte. Durch den Ort wandernd oder auch vom Turm aus überwachte und meldete er nicht nur Gefahren, sondern oft auch die Zeit. Mit der Stimme, dem Horn oder auch durch Glockengeläut machte er bei Gefahr darauf aufmerksam. Die Helle­barde oder ein Spieß waren Zeichen seiner Aufgabe, konnten gegebenen­falls aber auch Waffe sein. In zahlreichen Liedern und Geschichten wurde der Nachwächter zur Legende.
Einen „Hauptberuflichen“ konnten sich allerdings nur größere Kommunen leisten. Auf dem flachen Land wurde diese Aufgabe, wenn überhaupt, eh­renamtlich erledigt. In der Regel waren es die „Mesner“‚ die verständigt wurden, um „Sturm“ oder „Feuer“ zu läuten.

In der Regel waren es natürlich die Bewohner selbst, die aufpassten. Aller­dings gab es an Sonn- und Feiertagen während Gottesdienstzeiten, insbe­sondere wo es nur einen einzigen Gottesdienst gab, den so genannten „Kirchenwachter“. Hier war man ja fast ausnahmslos in der Kirche. In der Regel war es dann nur ein „Weiberleut“, die das „Haus hütete“, in der Kü­che Dienst hatte und die sich auch gegebenenfalls um das Vieh kümmerte. Dies war eine Sicherheitslücke, die natürlich den potentiellen „Übeltätern“ auch bekannt war.

Und so wurde es mir von meinem Vater und von Michael Obermüller über Frauenreuth (Glonner Gemeindeteil) berichtet: „Nachdem aber in Frauen­reuth an Sonntagen in der Regel nur ein Gottesdienst angeboten wurde, wären die Anwesen unbewacht gewesen. Und so musste ein so genannter „Kirchenwachter“, der zum Zeichen seines Amtes, aber auch als Waffe, mit einem Stab, der eine metallene Spitze hatte, ausgestattet war, während des Gottesdienstes den Ort bewachen. Der „Diensthabende“ musste nach der Kirche den Stab bei dem abliefern, der als nächster dran war. Hier gab es eine feste Reihenfolge“.

Die Hauptaufgabe des „Kirchenwachters“ war, zunächst durch sein Vor­handensein, abzuschrecken. War aber etwas vorgefallen, wie zum Beispiel Einbruch oder Feuer, verständigte er die Leute in der Kirche. Aus anderen Orten ist bekannt, dass es auch Aufgabe war darüber zu wachen, ob die kirchlich verordnete Sonntagsruhe, die nur das Nötigste an Arbeit erlaub­te, eingehalten wurde.
Diese „Kirchenwachter“ sind zu unterscheiden von den Kirchenwächtern, die in größeren Kirchen, oft in spezieller Kleidung, auch heute noch, das In­nere einer Kirche überwachen. Über die „Kirchenwachter“ gibt es im Ge­gensatz zu den Nachtwächtern nur spärliche Nachrichten und Aufzeich­nungen. Demnach gab es diese in allen Teilen Bayerns bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, also jener „Zeitenwende“ ab der der Gottesdienstbesuch, aber auch das Verbot der Sonntagsarbeit nicht mehr so ernst genommen wurde. Ab dieser Zeit gewinnt aber auch das Meldewesen (Sirenen, Tele­fon usw.) an Bedeutung.

Aber ab wann gibt es diese Einrichtung, beziehungsweise diesen Brauch? Eine Quelle sagt, die marodierenden Banden des Dreißigjährigen Krieges seien der oder ein Anlass gewesen. Wenn man bedenkt, dass dieser Krieg, auch einer der Religionen war und man es auch auf treue „andersgläubi­ge“ Kirchgänger abgesehen hatte, ist dies durchaus verständlich.

Es können aber auch lokale Anlässe im Ort und der Umgebung gewesen sein, die eine Überwachung herausforderten.
Die Votivtafeln in der Frauenreuther Kirche berichten hierüber nichts. Aber im Buch „Die Nonnenmacher“ von Georg Gebhard, hier wird über die „Haberl’s von Marschall“, einer Familienbande mit Nachnamen Nonnenma­cher, berichtet, finden wir Hinweise. Dass es in unseren Landkreis zwar keine verwandtschaftlichen Beziehungen mehr, aber „komplizenhafte“ gab, wie es Gebhard nannte, wurde von ihm bestätigt. Der Autor stellt ge­nerell fest, dass sich diese Bande die Situation während der Gottesdienste öfter zunutze machte. Zwar ist über Frauenreuth selbst nichts berichtet, aber über die Umgebung:

In Wildenholzen wurde das Hofbauernanwesen 1838 während des Gottes­dienstes in Alxing von dieser Bande überfallen. Die 19-jährige Magd Maria hatte alleine das „Haus zu hüten“. Das Ablenkungsmanöver durch eine „fremde Frau“ nutzten „zwey Bursche“ aus und bedrohten die Magd. Sie waren bewaffnet mit einer Pistole und einer Heugabel. Jedenfalls konnten die Räuber mit einer Beute im Wert von 217 Gulden von dannen ziehen. Die Polizei konnte allerdings zwei von den drei Räuberpersonen dingfest machen. Ein zweiter Überfall dieser Bande ist für 1839 verzeichnet. Wieder ein größeres Anwesen, diesmal beim „Moar in Öd“ war das Ziel und wieder am Sonntag, während des Kirchganges zur Jakobsbairer Kirche. Die „Dirn“ Anna hatte das Haus zu hüten. Über die Ställe drangen die Räuber ins Haus. Unter Drohungen und Misshandlungen, auch mit einer Büchse be­waffnet, wurde die „Dirn“ in den Keller gesperrt. Diesmal bestand die Beu­te wieder überwiegend aus Bargeld, aber auch aus anderem „Silbernen“ und aus „G‘ wand“. Der Gesamtschaden geht sicher an die 1000 Gulden. Die Räuber konnten nicht dingfest gemacht werden. Aber das „Muster“ spricht wieder für die „Haberl-Bande“.

Dass solche Vorkommnisse auch die Umgebung beunruhigen, es war ja im selben Landgericht, versteht sich von selbst. „Kirchenwachten“ bezie­hungsweise weitere, könnten die Folge gewesen sein. Übrigens: Die da­mals bekannte „Doktorbäuerin“ Amalia Hohenester, sie hatte internationa­les Patientenpublikum, war ein Spross dieser berüchtigten Familie. Als Amalie Nonnenmacher wurde sie in Vaterstetten 1826 geboren. Die Fami­lie kaufte bald darauf das „Haberlanwesen“ in Marschall bei Holzkirchen.

Wieder zurück nach Frauenreuth: Wie lange gab es dort den Kirchenwachter? Die Abschaffung war frühestens 1930. Denn im November dieses Jah­res lesen wir folgende Zeitungsmeldung:

„Glonn (Diebstahl) Am Sonntag vormittag, während des Gottesdienstes wurde beim „Simmerbauer“ Josef Schweiger in Frauenreuth ein Diebstahl ausgeführt, wobei der Dieb aus einem verschlossenen Schrank des Bauern eine Kasse mit 500 Mark Inhalt erbeutete. Auch das Rad des Bauern wurde mitgenommen. Nachdem die Rückkehr der Hausbewohner vom Gottes­dienst der mit der Kirchenwacht betraute auf dem Hof beschäftigte Knecht verschwunden war, richtet sich der Verdacht des Diebstahls auf den Knecht. Die Gendarmerie Glonn wurde alsbald verständigt, so dass es wohl bald gelingen wird, den Täter zu verhaften“.

Ob der Täter, jener Knecht, ausfindig gemacht werden konnte, ist nicht be­kannt. Vielleicht war dieser Vorgang das Ende des Frauenreuther „Kirchenwachters“.

Hans Obermair ist Heimatforscher. Er lebt in Glonn.

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Zurück zum Ursprung

von Hans Obermair

Dienstag, 01. Juni 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Zurück zum Ursprung

Heimatforscher wirft Blick auf die Bauersfamilie als Keimzelle der heutigen Welt

Das Wort Geschichte besagt, dass es „Schicht auf Schicht“ bedeutet. Wir sind also nur ein Glied in einer langen Kette. Das „Innerste“ in unserer Geschichte ist der Mensch. Er hat die Zeit erlebt und überlebt und ist letztlich der Träger der Erinnerung. Hät­ten unsere Vorfahren, oft unter schwierigsten Bedingungen, nicht überlebt, gäbe es uns Nachfahren nicht. Wir haben also alle Veran­lassung, dies dankbar zu würdigen. Noch dazu geht es uns in der Re­gel heute besser als unseren Ahnen. Im Hinblick darauf sollten wir eigentlich zufriedener sein.

Die Keimzelle unseres Daseins ist letztlich die Familie. In keiner Le­bensform ist dies augenfälliger als in einer früheren Bauersfamilie: Kindheit, Alter, Erwerb, Gesundheit, Krankheit, Beruf, Behausung, Natur und Klima sind hier mehr verwoben als in dieser. Hier wird ge­boren, gelebt, geheiratet und gestorben. Schauen wir in unser Pfarr- matrikel und Familienbücher, so wird uns das besonders bewusst.

Auch das ländliche Handwerk hat seinen Ursprung in der Bauersfa­milie. Hat man in frühester Zeit in der sogenannten „Hauswirtschaft“ alles, was man brauchte, selbst hergestellt, so haben sich besondere Begabungen – eben „Profis“ – „selbst ständig“ gemacht – auch im Sinne einer Arbeitsteilung. Der Hintergrund dürfte eher Qualität als Rentabilität gewesen sein. Eben nicht das Mehrverdienen, sondern das Bessermachen.

Die Zahl der Kinder dürfte im Durchschnitt in keiner Familie größer gewesen sein, als in der des Bauern. Sicher spielte die eigene Nah­rungsgrundlage eine Rolle, aber auch das „es muss ja weitergehen“. Dass nach dem Tod eines Ehepartners, der ja auch Vater oder Mut­ter war, schnellstens wieder geheiratet wurde, passt in dieses Sche­ma. Am ehesten war es eine Mutter, die zu ersetzen war. Und so ist es nicht verwunderlich, dass im Glonner Bereich in zwei Fällen die fünfmalige Heirat eines Mannes verzeichnet ist. Während die erste Heirat in der Regel eine standesgemäße war, es musste ja Mitgift ins Haus kommen, damit Geschwister ausbezahlt werden konnten, kam es bei weiteren Ehen nicht mehr vordergründig darauf an: Eine Chance für alle, die nicht so reich waren. Das Erstheiratsalter lag, und das bei weit geringerer Lebenserwartung, bei Männern an die 30. Dass viele Ehen arrangiert waren, war zeitgemäß hin bis zum Hochadel.
Die Versorgungseinrichtung „Bauernhof‘ galt nicht nur für die Fami­lienmitglieder, sondern auch für die alten Ehehalten, die in vielen Fällen auch mit ihrer Bauersfamilie das Grab teilen durften. Erst mit dem Aufkommen der Sozialversicherungen unter Bismarck machte sich das Alter mehr und mehr selbstständig.
Nachdem zu einer Heirat eine „gesicherte Nahrungsgrundlage“ nachzuweisen war, war der Anteil der „Ledigen“ besonders hoch.

Und so war es auch bei der Zahl der „illegitimen“ Kinder, die in der Regel bei der Mutter, oft im Dienst, bei ihren Großeltern oder gar als Kostkinder aufwuchsen. Bis etwa in die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten diese „Ledigen“ gar den Familiennamen des Vaters bekom­men. Bei der Taufe, in der Regel „nur“ durch den Kooperator, wurde des Öfteren der Name des Tagesheiligen gewählt. Auch der konnte ein Leben lange „auffällig“ sein. Besonders hart für die Mutter, wenn ihr Kind unter anderem Namen aufwuchs. Aber ein Vorteil, wenn Va­ter und Mutter sich doch noch vor dem Traualtar fanden. Dann hat­te das Kind wieder den richtigen Namen. Eine solche Heirat hat dann auch den Makel des „Ledigen“ kaschiert, der sich sonst oft ein Leben lang auswirkte.

Ein wichtiger Wirtschaftszweig war das Vieh. Damit konnte man na­türlich vorkommende Pflanzen, die für den Menschen primär nicht als Nahrung taugten, veredeln. Das Steuerbuch von 1671 gibt einen guten Einblick in den Viehbestand. Pferde, „Rosse“ genannt, gab es fast auf allen größeren Anwesen, in der Höchstzahl vier plus Fohlen. Vermutlich je mehr, umso höher war der Anteil an Ackerbau. Die Höchstzahl der Kühe war sechs plus Kälber und Jungvieh. Der Schweinebestand war mit bis zu zehn bedeutend, was auf den Ackerbau hinweist. Wahrscheinlich mit zunehmender Bedeutung, denn 1720 verlobte sich der „Steinmüller“ von Mühltal zur Gottes­mutter nach Frauenreuth: Er bedankte sich auf einer Votivtafel, dass ihm 22 „Frischling“ (junge Schweine) durchgekommen seien. 1671 waren nur eine „Schweinsmutter“ und sieben „Frischlinge“ angege­ben. Aber auch die Schafzucht hatte eine Bedeutung. Kaum ein An­wesen war ohne Schafe und Lämmer. Die „Impen“ waren etwas sel­tener. Bis zu sieben Stöcke sind verzeichnet. Schafe waren aber auch in ein paar Fällen geliehen. Für die Weide bekam man die Wolle. „Verleiher“ waren Wirte und Metzger. Bei strengen und langen Win­tern konnte es Futterengpässe geben. Der Ausdruck „Schleppvieh“ hat hier seinen Ursprung. Das Vieh war zu schwach, um im Frühjahr allein die Weide zu erreichen.

Die Bewirtschaftung des Landes erfolgte über Jahrhunderte nach dem Prinzip der „Dreifelderwirtschaft“. Die Fruchtfolge war: Somme­rung, Winterung und Brache. Die jeweiligen Brachflächen wurden als Weideland benutzt.
Dies war nur möglich durch den sogenannten Flurzwang, also Anbau- und Nutzungszwang, weil damit die Weideflächen im Brach­jahr zusammenhängend genutzt werden konnten. Um das Witterungs- und Klimarisiko zu verteilen, hatte in der Regel jedes An­wesen in jeder Flur Grundstücke. Dies hatte natürlich kleine Parzel­len zur Folge. Für die Bewirtschaftung, die ja ausschließlich durch Handarbeit verrichtet wurde, war dies kein Hindernis. Wegen mögli­cher Nässe, aber auch wegen der tieferen Humusauflage, gab es die sogenannten „Hochäcker“, das sind zusammengepflügte Ackerbee­te. Um ein Feld zu erreichen, musste man aber häufig über das eines Anderen fahren. Auch hier war der Flurzwang von Nutzen, weil es so einen gemeinsamen Erntezeitpunkt gab.

Die alte Dreifelderwirtschaft wurde ab Beginn des 19. Jahrhunderts durch die verbesserte Dreifelderwirtschaft abgelöst. Die ehemals als Brachflächen geführten Grundstücke wurden nun mit Klee und Blattfrüchten (z.B. Kartoffeln) bebaut. Dies brachte natürlich höhere Erträge mit der Folge, dass nicht nur mehr landwirtschaftliche Güter auf den Markt kamen, sondern auch, dass über die erhöhte Viehhal­tung mehr Dünger zur Verfügung stand, was wiederum die Erträge steigerte. Eine Vergrößerung der Gebäude war die Folge. Mit der all­mählichen Aufhebung des Flurzwanges und dem uneingeschränkte Eigentum ab 1848 („Bauernbefreiung“), wurde der Grundstücks­tausch angeregt, so dass nun größere Parzellen bearbeitet werden konnten. Erst mit der Arrondierung, bzw. Flurbereinigung, bei uns ab etwa 1950, fand dies seinen Abschluss.

Die Gebäude, oft aus Holz, waren in unserer Gegend in der Regel mit „Legschindeln“ gedeckt. Dies sind mehrlagig verlegte Bretter, die mit Stangen und Steinen beschwert waren. Deshalb die flache Dach­form. In Ackerbaugegenden, wie im Norden des Landkreises, bzw. in Moorgegenden gab es das steile Stroh- oder Rieddach. Der Backofen war wegen der Brandgefahr außerhalb des Gehöftes. Mit der Einfüh­rung der Brandversicherung gab es für ziegelgedeckte Häuser Prä­mienabschläge. Auch deswegen setzten sich allmählich Ziegeldächer durch, mit der Folge, dass die Dachform steiler werden konnte.

Hans Obermair ist Heimatforscher. Er wohnt in Glonn.

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Die schlechte Zeit

von Hans Obermair

Die schlechte Zeit

So überlebte die Bevölkerung in unserer Region im Krieg und in den Jahren danach

Redet man von der „schlechten Zeit“ meint man die Zeit bei­der Weltkriege und die Zeiten danach. Für die letzte Nachkriegszeit gibt es noch viele Zeitzeugen, die noch lebendige Erinnerungen zu berichten wis­sen. Und darüber soll hier zu lesen sein.

Die Ernährungssituation war, wie schon im Krieg, katastrophal. Offiziell konnten Nahrungsmittel nur gegen Lebensmittelmarken erworben wer­den. Man sagte, die, die nur nach „Marken“ leben müssen, die könnten nicht überleben. Erfindungsgeist war gefragt. Betteln und hamstern war an der Tagesordnung. Mit den an Wochenenden voll besetzten Zügen zur

Schwammerl- oder Beerenzeit kamen die Städter scharenweise, um we­nigstens im Wald noch ohne Lebensmittelmarken etwas zu erhaschen. Ei­ne andere Methode war das Sammeln von den liegen gebliebenen Ähren auf den abgeernteten Getreidefeldern. Aber auch die von den Bauern be­reits „nachgeglaubten“ Kartoffelfelder wurden noch einmal abgesucht, um doch noch ein paar Knollen zu ergattern. Oft aber mussten die Städter ihre Familienschätze in Essbares Umtauschen, um über die Runden zu kom­men. Wohl den Städtern, die eine Verbindung zum Land hatten. Umso schlechter erging es den anderen.

Die Landwirte hatten strenge Ablieferungsvorschriften. Aber „schwarz“ ging halt immer etwas. Zum Beispiel Milch zum Ausbuttern, die über die von der „Milchmesserin“ nicht so genau registrierte Menge zur Verfügung stand. Das „Schwarzschlachten“ eines Schweines war bei vielen ebenfalls üblich. Hier war größte Vorsicht geboten. Zum einen durfte das entfernte Tier den Bestand offiziell nicht mindern und zum anderen gab es die Ge­fahr der Schlachtung selbst. Das Schwein konnte ja, bei nicht fachgerecht erfolgtem „Erstschlag“, durch lautes Geschrei die „Außenwelt“ alarmieren. Und so wurden viele Raffinessen erdacht, um dies zu verhindern.

Hier ein Fall: Der schlachtende Bauer hatte einen Lanz-Bulldog, der zum Zeitpunkt der „Tötung“ kräftig „eingespritzt“ wurde, um so für den nötigen „Krach“ zu sorgen. Damals gab es, außer in der kalten Jahreszeit, keine Kühlmöglichkeit. Und so kam es durchaus vor, dass die Nachbarn das Fleisch im Eiskeller des Wirtes zwischenlagerten. Natürlich ganz hinten auf dem Eisblock, sodass es bei einer eventuellen Kontrolle nicht auffiel.

Der „Schwarze Markt“ erreichte aber auch manchmal Dimensionen, die mit dem Stillen des Hungers nichts mehr zu tun hatten. So wurden Tiere gestohlen und „verschoben“. Lebendig und tot. Die Transporte solchen Gutes waren dabei äußerst geschickt organisiert. So wurde ein zum „Holz- gaser“ umgebauter Kraftwagen zurück gebaut und wieder mit üblichem Treibstoff betrieben. Im Holzgaserkessel war deshalb Platz für ein totes Schwein. Die Polizeikontrolle hätte nichts bemerkt, wäre es nicht kalt ge­wesen. Ein Polizist wollte sich die Hände aufwärmen. Doch der Kessel war kalt. Und so flog der Schwindel auf.

Nach dieser „schwarzen“ Zeit wurde immer über diese gesprochen. Einer hat einmal dem anderen vorgeworfen, er hätte ihm eine von ihm versteck­te Kuh gestohlen und wollte dafür Ausgleich. Er erhielt folgende Antwort: „Die Kuh ersetze er nicht, die war ja auch gestohlen, aber für den Strick, an dem die Kuh hing, zahle er. In einem anderen Fall wurde erzählt, dass,

wenn ein Schwein geschlachtet wurde, ein Polizist immer rechtzeitig zum „Kesselfleisch“ präsent war. Wie wusste er das? Später gab es ein Polizist zu: „Bei euch war das Hoftor nur zu, wenn ihr geschlachtet habt – und so wusste ich es.“

Tabak und Zigaretten waren Mangelware und damit bevorzugtes Schwarz­handelsgut. Wohl dem, der seine, über Marken zugeteilte Ration nicht ver­brauchte und damit ein wichtiges Tauschgut hatte. Bei den anderen reich­te die Zuteilung bei weitem nicht aus. Tabak wurde, mit zum Beispiel mit dürren Nussblättern, „gestreckt“. Aber auch „Mahorka“, ein russischer Ta­bak der aus klein gehäckselten Rippen der Tabakblätter bestand, war im Umlauf. Wer die Möglichkeit hatte, baute Tabak selbst an. Natürlich im Hausgarten, denn auf dem freien Feld hätte man ihn gestohlen. Und dort auf dem wärmsten Platz, der in guten Jahren für Gurken und Tomaten re­serviert war. Nach der Ernte wurden die Tabakblätter zum Trocknen auf­gehängt und mussten „fermentieren“. Für die Selbstherstellung von Tabak gab es die verschiedensten Rezepte. Zum Beispiel in Dosen eingelegt und Schicht für Schicht mit Zucker bestreut. Auch das Schneiden des fertigen Produktes erforderte Fertigkeit. Hierzu gab es auch kleine Maschinen, in denen der Tabak, ähnlich wie bei einer „Gsottmaschine“, geschnitten wur­de. Tabak wurde entweder in der Pfeife oder als Zigarette geraucht. Die Zi­garettenhüllen waren ebenfalls ein Schwarzmarktartikel. Oft genug wurde aber Zeitungspapier verwendet.

Auch Zucker war knapp. Ein gängiger Ersatz war Sirup. Dieser wurde aus Zuckerrüben, auf dem Feld angebaut, hergestellt. Sie mussten zerkleinert und gekocht werden. Dieser Vorgang dauerte mehr als einen Tag und so wurde die Nacht über durchgeheizt. Jedenfalls bestand das Endprodukt aus einer zähen, süßen Masse, die, wenn man sie aus dem Topf heraus­nahm, lange Fäden nach sich zog. Verwendet wurde Sirup zum Süßen von Gebackenem, für Mehlspeisen und als Brotaufstrich.

Am leichtesten war Kleidung zu ersetzen. Da wurde „Getragenes“ aufge­trennt, gefärbt neu genäht oder gestrickt. Das auch aus Militärbeständen wie Zelte, Uniformen und Fallschirmen. So manches Brautkleid war aus „Fallschirmseide“. WerVerwandte in Amerika hatte, wurde mit Altem und Neuem per Paket versorgt. Auf der Straße erkannt man, wer mit solcher Verwandtschaft gesegnet war. Ledernes wurde neu „gedoppelt“ und wenn es mit altem Reifenmaterial war. Da wurde getauscht und gehandelt. Mei­ne Lederhose, steif und „selbststehend“ war ein Pfund Butter wert und ei­ne Investition für mehrere Sommer.

Alkoholisches war ebenfalls knapp. Auch die Herstellung von Bier wurde mit mäßigem Erfolg versucht. Da war es beim „Schnaps“ schon einfacher: Obst war ja einigermaßen vorhanden. Mit Waschkesseln konnte ein funk­tionierendes Gerät gebaut werden. Das Destilliergerät war auch behelfs­mäßig. Aber es tropfte: Hochprozentiges. Wegen des Produktionsengpas­ses oft nicht ein zweites- oder drittes Mal gebrannt und mit dem Trennen des „Vorlaufes“ ging es auch nicht so genau. Also: „Schnaps ist Schnaps“! Und wenn man dieses „Gesöff Fusel nennt, ist es noch gut bedient. Und dass dieser „Fusel“ die Augen schädigen kann, wurde ebenfalls nicht im­mer berücksichtigt. Von diversen „Hoffabrikanten“ eben nicht. Und wenn diese dann übermäßig „blinselten“ wusste man: „Aha“.

Aber nicht nur was das Essen betrifft, waren diese Jahre fürwahr eine „schlechte Zeit“. Denken wir an die vielen Heimatvertriebenen, die ins Land kamen und untergebracht werden mussten. Dann die Kriegsheim­kehrer. Dann die Schulverhältnisse, ich wurde 1945 eingeschult: Im Schul­ranzen nur Tafel mit Schwamm und Lappen, die außen herabhingen, und eine Griffelschachtel. In der zweiten Klasse eine 19-jährige Lehrerin mit 67 Kindern aus drei oder vier Jahrgangsstufen. Dann Schulspeisung, Woh­nungsnot und und und!

Als wir in der zweiten oder dritten Klasse einen Schulausflug in den Tier­park machen durften, mussten wir vorher Holz abliefern, damit der „Holz- gaserbus“ überhaupt starten konnte. Aber niemand hat aufgegeben. Fast ein „achtes Weltwunder“‚: Aus Not, aber auch aus Träumen, wurde ein Wirtschaftswunder.

Hans Obermair ist Heimatforscher. Er lebt in Glonn.

 

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„Da Poite“ – der siebte Bua

von Hans Obermair

Der besondere Lebenslauf eines „Obdachlosen“, der auch ein kleiner Philosoph war

Sucht man im Internet unter dem Begriff „Obdachloser“, so lassen sich hierzu ein paar Dutzend verschiedene Bezeichnungen finden. Der „Poite“, den ich in meiner Kinder- und Jugendzeit kannte, war ein sol­cher. Aber dass man seine Person mit einem Begriff oder gar mit einer ab­wertenden Bezeichnung in Verbindung brachte, daran kann ich mich nicht erinnern. Wenn er da war, gehörte er einfach dazu – und wenn nicht, ging er auch nicht ab. Schließlich hatte er in München und dem Münchner Um­feld mehrere Anlaufstellen. Und irgendwo, wenn nicht bei uns, war er dann schon.

Über „Poites“ Person weiß man nur so viel: Geboren wurde er 1899 im Mit­telfränkischen. Aufgewachsen muss er in Feuchtwangen sein, wo sein Va­ter beim Rentamt beschäftigt war. Er war der siebte Sohn seiner Familie. Deshalb kam er zu seinem „königlichen“ Namen Luitpold. Bayerns Prinzre­gent Luitpold (1820 – 1912) war nämlich wahrscheinlich per Verordnung automatisch Taufpate, wenn eine Familie einem siebten Sohn das Leben schenkte. Dieses Attribut, wird ihm außer einem Erinnerungsgeschenk, vielleicht war es ein üblicher „Tauftaler“, wenig gebracht haben. Das „Poi- te“, wie man ihn kurz nannte, wird aber auch schnell den königlichen „Luit­pold“ überdeckt haben. Ihm war es sicher lieber, denn die Erinnerung im Rufnamen an den „hohen“ Taufpaten hätte ihm vielleicht Einiges an Etiket­te abverlangt, und das war nicht das Seine.

Die Familie hat sicher einen guten Status gehabt, sonst hätte deren „sieb­ter Bua“ nicht eine Bäckerlehre machen können. Damals mussten die El­tern noch „Lehrgeld“ zahlen. 1917 bekam der „Poite“ eine Stiefmutter. Ab diesem Jahr ist er in München gemeldet. Bei der Musterung im März 1918 finden wir ihn als Bäckergesellen, aber auch als Hilfsarbeiter. Sein Militär­dienst dauert nicht lange, dann ist der Krieg aus. Dem Kriegsende 1918 folgte, nicht nur für den „Poite“, eine bettelarme Zeit. Die nächsten zehn Jahre wohnt er in und um München. Tätigkeit ist keine genannt. Bis 1959 sind 15 verschiedene Wohnsitze verzeichnet. Nicht lückenlos.

Mutmaßlich hatte er auch von seiner Familie nicht mehr die nötige Unter­stützung und so hat es ihn „aus der Bahn geschmissen“. Wie er sich „durchgehauen“ hat, kann man nur ahnen. Ebenso weiß man nicht, was er während des Zweiten Weltkriegs gemacht hat. Vielleicht ist er sogar „un­tergetaucht“. Seine Fähigkeiten, mit der Natur zu leben, die er nach dem Krieg unter Beweis gestellt hat, lassen dies vermuten.

Jedenfalls nach dem Krieg war der „Poite“ da. Und hier beginnen meine persönlichen Erinnerungen. In der Regel kam er am späten Abend mit dem Zug aus München. Natürlich unangemeldet. Die Örtlichkeiten und wie man in Stall oder Scheune kommen konnte, war ihm ja bekannt. So konnte er bei uns im Sommer in der Scheune und in der kälteren Jahreszeit im Stall, hinter den Kühen, wo die Einstreu gelagert war, übernachten. Einmal sorgte er für einen kräftigen Schreck der „Schweizerin“ (Melkerin). Der „Poite“ hatte sich in die Streu eingegraben und war unsichtbar. Und als sich der ganze Streuhaufen plötzlich rührte, kam es eben dazu. Sicher hat er das mit einem fröhliche Lachen quittiert.

In der Regel lebte er aber vom Wohlwollen der anderen. Seine Kleidung

bestand aus geschenkten, abgetragenen Stücken. Und so konnte es sein, dass seine „Wintergarderobe“ im Sommer dann an einem Nagel im Stadel hing. Dort blieb sie auch, wir wussten ja: Da „Poite“.

In der Gaststube, wo ihm am Morgen von uns immer ein „Weidling“ (Schüssel) mit Kaffee und mit viel Brot zum Einbrocken serviert wurde, musste er allein an einem Tisch sitzen, wegen seines Geruches. So war es auch, wenn Gäste da waren. Sein Bier bestand aus den „Noagaln“, die an­dere übrig gelassen hatten und vielleicht aus so mancher gespendeten „Hoibe“. Und manchmal hat es auch zu einem Räuscherl ausgereicht. Der „Poite“ schmetterte dann seine „Arien“ von seinem „Sperrsitz“ aus – nicht ganz ohne Talent. Für seinen Nikotinbedarf besorgte er sich die Kippen aus den Aschenbechern und dreht sich „eine“. Zwischendurch bediente er sich auch aus einem Dämpfer, wo die Kartoffel für die Schweinemast „ge­dämpft“ wurden. Nicht nur bei uns.

Der „Poite“ war ein Pflanzenexperte. Mit dem Schwammerl sammeln, dem Sammeln von Blumen und Kräutern, sowie dem Sammeln, Binden und Färben von Distelsträußen verdiente er sich, je nach Saison, ein paar Mark. Die Disteln färbte er bei uns im Waschhaus mit staubiger, roter Anilinfar­be. Da waren dann nicht nur die Distelköpfe rot, sondern auch sein Ge­sicht, die Hände und sein Bart. Dies störte ihn aber nicht. Wie er sagte, bie­te er seine Sträuße vornehmlich in Metzgereien und Bäckereien in Mün­chen an. Auf die Frage, warum denn gerade dort, verriet er sein Geschäfts­geheimnis: Dieser Kundenkreis kaufe am schnellsten, damit er möglichst umgehend den Laden wieder verließ. Warum, kann man sich denken. Hat­te er Geld, so kam es durchaus vor, dass er uns Buben ein Zehnerl schenk­te. Neidig war er nicht. Er lebte eben nach dem Motto: „Kimmt da Tog, bringt da Tog“. War er in München, schlief er manchmal im Obdachlosen­heim an der Pilgersheimerstraße. Ungern, wie er zu erkennen gab. Dort musste man sich ausziehen und waschen, die Freiheit war eingeschränkt. Und die war das höchste Gut des „Poite“.

Als wir 1951 von Peiß wegzogen, dauerte es nicht lange bis uns der „Poite“ in Ottersberg wieder „entdeckte“. Auch da war er dann immer wieder un­ser Gast – zu den gleichen Bedingungen. Sein zu ertragenes Handicap war unter anderem, nicht etwa sein fast zahnloser Mund, sondern sein Bruch, der ihm oft Schmerzen bereitete. Er konnte diesen immer wieder selbst zurück drängen. Alle guten Ratschläge, die man ihm, sicher auch in der Pil- gerheimerstraße, gab: „Lass dich doch operieren“, wurde von ihm mit dem Bemerken „geht scho wieda“ abgelehnt. Eines Tages, etwa 1959, kam der „Poite“ nicht mehr. Vielleicht hat er es einmal nicht mehr geschafft, sich

selbst zu helfen. Wo? Wie? Wir wissen es nicht. Wie er es gewünscht haben könnte: Unter Bäumen – neben Steinpilzen. So wie er immer unverhofft kam, jetzt eben nicht mehr.

Ja der „Poite“: Nicht einmal ein Foto gibt es von ihm, so selbstverständlich war er uns. Seine persönliche Freiheit ging im über alles. Ich glaube nicht, dass er je einen Antrag auf Hilfe oder Zuschuss gestellt hat.

Er war sicher ein kleiner Philosoph, der aus seinem Urteil und seinem Ge­fühl heraus lebte und dies auch mit seinem Alltag rechtfertigte. Immer in der Art des Zufriedenen. Er hätte uns „Emsigen“ sicher viel zu sagen ge­habt. Aber „Poites“ Ratschlag – damals? Und heute? Nach rund 70 Jahren – es hat sich nichts geändert.

Hans Obermair ist Heimatforscher. Er lebt in Glonn.

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Der Mann für alle Fälle

von Hans Obermair

Ignaz Gruber: Fremdenlegionär, Buchbinder und unvergessenes Glonner Original

Wenn man vor 100 Jahren nach dem „Gruber-Naz“ (Ignaz Gruber) fragte, wird es kaum eine Glonner Person gegeben haben, die ihn nicht persönlich kannte oder dem dieser Name nicht ein Begriff war. Gekannt hat man den „Naz“ nicht nur über seinen Buchbinderbetrieb, oder über

die vielen Sterbebilder, die man über Jahrzehnte bei ihm drucken ließ, oder die verschiedensten Drucksachen. Bekannt war er mehr von seinen Auslandsaufenthalten und den Geschichten, die er zu erzählen wusste – und das damals, als die meisten Leute nur kriegshalber über die Grenzen der Heimat gekommen waren.

Die Eltern waren 1863, wohl bei der Heirat, nach Glonn gekommen. Der Vater, auch Ignaz und in Haifing gebürtig, übte hier verschiedene Tätigkei­ten aus: Korbmacher, Gärtner, Rauhwarenhändler (Pelze und Felle), Buch­binder und zuletzt Gerber. Nachdem man das 1863 gekaufte Haus veräu­ßerte, kauft man 1877 Haus Nummer 48, in dem Sohn Donats Familie dann bis 1904 blieb. Der „Naz“ wurde 1864 in Glonn geboren. Er war der Älteste der insgesamt 14 Gruberkinder – acht sind bei der Geburt oder im Kindesalter verstorben. Soweit das Schicksal einer Arbeiterfamilie, wie es zu dieser Zeit nicht ganz selten war. Also eine Normalität.

Was nicht normal war, ist, dass der „Naz“ das Buchbinderhandwerk erler­nen durfte. Das spricht für seine Aufgeschlossenheit und Begabung. Noch dazu in München, als es in Glonn noch keine Bahn gab und man in der Re­gel beim Meister zu wohnen hatte. Oder: In München gab es ja ein Kol­pinghaus und Glonn hatte seit 1854 einen katholischen Gesellenverein. Pfarrer Späth oder sein Kaplan waren dessen Präses und hatte immer wie­der Begabte gefördert.

Nach der Lehre ging der „Naz“ auf die „Walz“, innerhalb Deutschlands und in die Schweiz, sowie nach Italien und Holland. Auch das spricht für eine Nähe zur Kolpingbewegung. Mit 24 Jahren, also 1888 „landete“ er aber bei der Französischen Fremdenlegion (international und freiwillig). Warum? War es Abenteuerlust? Wir wissen es nicht. Zunächst ist er in Afrika und dann in China. Auch die Malaria machte ihm das Leben schwer. Um 1891 flüchtete er. Gesucht als „Fahnenflüchtiger“, arbeitete er als Buchbinder auf den Philippinen.

Erst 1892 kam er wieder in Glonn an. Er wohnt im elterlichen Haus Num­mer 48. 1894 erwarb er in Glonn das Bürgerrecht. Ebenfalls meldet er in diesem Jahr, zusammen mit seinem Vater, im Elternhaus eine Buchbinde­rei und eine „Schreibmaterialienhandlung“ an. 1896 und 97 erweitert er, diesmal ohne Vater, sein Gewerbe um eine „Galantriewarenhandlung“ (modische Accessoires) und um eine „Druckerei für kleine Sachen“. Der Va­ter verstirbt 1898 und der Bruder übernimmt das Elternhaus. Dies war wahrscheinlich Anlass und Termin für den Umzug zum „Kramerschuster“ Johann Beham (heute Lena-Christ-Straße 20).

1894 heiratet er die aus Griesbach stammende und in Glonn arbeitende Gütlerstochter Franziska Marx. Er ist als Buchbinder und sie als Wäscherin (vermutlich in Zinneberg) in die Heiratsmatrikel eingetragen. Die vier Kin­der aus der Ehe, von 1894 bis 1899 geboren, sind, bis auf Juliane, nicht in Glonn geblieben. Valentin ist im Ersten Weltkrieg gefallen. Vermutlich als die Kinder alle aus dem Haus waren, meldet Frau „Fanny“ 1908 die Wä­scherei an. Tochter Juliane blieb ledig und hat die Wäscherei der Mutter übernommen, als diese 1941 starb. Zu Büsings Zeiten hatte die Wäscherei viele Aufträge von Schloss Zinneberg.

Ungewöhnlich für Glonn war auch, dass der „Naz“ in einem aufgelassenen Steinbruch hinter dem früheren Glonner Krankenhaus eine Schnecken­farm betrieb. Es war wahrscheinlich die erste im rechtsrheinischen Bayern, wie wir aus einer Zeitung wissen.

Seine „Ware“ wurde nicht in Glonn verzehrt, sondern ging vielfach ins Aus­land. Das Interesse und die Erfahrung für diesen „Betriebszweig“ hatte der „Naz“ wohl der Fremdenlegion, in der ja französisch gelebt wurde, zu ver­danken. Auch der Erste Weltkrieg blieb dem „Naz“ damals schon 50 Jahre alt, in Frankreich und Russland nicht erspart.

Neben seinen Erlebnissen in Deutschland und im Ausland war der „Naz“ bis zu seinem Tod ein aufmerksamer Glonner Zeitzeuge. Seine Familie wohnte ja in der Nähe des Lena-Christ-Geburtshauses, und so konnte die Familie Gruber das Schicksal der Glonner Schriftstellerin aus nächster Nä­he miterleben und beobachten. Besonders Tochter Juliane, die 1989 mit fast 92 Jahren verstarb, konnte der Lena-Christ-Forschung gute Dienste er­weisen.

Seinen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad kann auch daraus abgeleitet werden, dass die Presse keinen runden Geburtstag des Ignaz Gruber über­sah. Daraus ergibt sich ein zuverlässiges Lebensbild dieses Glonner Origi­nals. Bis ins hohe Alter betrieb er selbst noch seine Buchbinderei. Nicht nur als „Erzähler“ ist der „Naz“ bei Stammtischen und Gesellschaften ge­fragt, sondern auch als Mitwirkender bei allerlei Veranstaltungen ist er ge­nannt. Immer wieder wird sein Humor hervorgehoben. Auch der „Haferlta- rok“ scheint das Seinige gewesen zu sein.

Auf alten Gruppenaufnahmen ist er immer wieder zu sehen. Also einer, der auf „allen Hochzeiten getanzt hat“. Nicht nur sprichwörtlich. Und so ist vermerkt, dass er selbst als hochbetagter Mann immer wieder auf dem Tanzboden zu sehen war.

Als Musikliebhaber war für ihn das Radio sein Medium. Sein Repertoire reichte vom modernen Schlager über Opern- und Operettenmusik bis hin zur Volksmusik, sowie den Hörspielen.

Bei der Nachricht zu seinem Neunzigsten war der „Naz“ noch beim Holz hacken abgebildet. Seine Aktivitäten und sein Interesse scheint das Ge­heimnis seines hohen Alters gewesen zu sein. 1956 im 93. Lebensjahr en­dete dieses Leben. Für damals uralt. Mit ihm ist viel Wissen um das alte Glonn mit ins Grab gegangen. Gott sei Dank hat der „Naz“ zu Lebzeiten gerne und viel erzählt.

Hans Obermair ist Heimatforscher in Glonn.

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Die Bank in der Kirche

von Hans Obermair

Die Bank in der Kirche

Wer im Gotteshaus wo saß, sagte in früheren Zeiten viel über seinen gesellschaftlichen Stand aus

Wem ist das noch nicht aufgefallen: Da kommt man in eine Kirche und sieht auf der Innenseite der Bänke in meist gleichen Höhen und Abständen Namen oder Zahlen über der Kniebank angebracht. Ent­weder auf das Holz direkt gemalt oder auch auf kleinen angebrachten Schildern, die aus Holz oder Metall sind. Die Namen sind in der Regel im­mer Hausnamen, für deren Besitzer oder Bewohner damit die Nutzung des Platzes während der Gottesdienste ausschließlich geregelt ist. Hausna­men deswegen, weil der Schreibname wechseln konnte und das festgeleg­te Platzrecht ja Teil des Hofes war.

Kirchen- und baugeschichtlich gab es bis Anfang des 16. Jahrhunderts in der Regel nur für den Klerus und Altardienst eine Sitzgelegenheit. In der Regel erst ab der Reformation gab es auch immer öfter Sitzgelegenheiten für die Gläubigen. Zunächst nur in den „evangelischen“ Gebieten. Wahr­scheinlich war die bessere Situation bei den „Protestanten“ auch Anlass, dass in katholischen Kirchen Sitzgelegenheiten installiert wurden. Vermut­lich dauerte es Jahrhunderte, bis alle „aufgerüstet“ waren. Sicher waren Kirchenneubauten oder zum Beispiel eine „Barockisierung“ der gegebene Anlass. Bei den Katholiken dürfte es von Anfang an die Sitz-Kniebank ge­wesen sein. Sonderformen gab es mit den sogenannten „Gitterständen“.

Ein oder mehrere Plätze zusammen waren mit einem Gitter abgegrenzt. Warum? Weil man keine Einsicht wünschte, oder weil man ganz einfach absperren wollte. Für die Geistlichkeit waren natürlich Platzbelegungen auch eine Möglichkeit zu sehen, ob ein Platz besetzt war oder nicht. Denn Plätze waren ja nicht willkürlich belegbar. Allenfalls innerhalb der Bankrei­he, damit die Belegung ohne „Geschiebe und Wechsel“ möglich war.

Kirchenstühle waren für die in der Regel hart arbeitenden Gläubigen eine wesentliche Verbesserung, damit waren diese auch etwas „wert“. So wird es möglich gewesen sein, sich bei der Erstausstattung entsprechend einzu­kaufen oder den Platz auf Zeit zu „mieten“. Die Mietvariante wurde zum Beispiel in Glonn bis in die 1950-er Jahre angewendet. Für die Belegung der Plätze in der gesamten Kirche galt grundsätzlich: Rechts die „Männer­seite“, links die „Weiberseite“. Jedes Anwesen hatte im Kirchenschiff auf beiden Seiten seine Plätze. Bei größeren Anwesen oft mehrere.

Der Schreibweise nach, gibt es in Glonn mindestens ab dem Bau der jetzi­gen Kirche (1768) Platzbelegungen. Sehen wir uns den Glonner „Bele­gungsplan“ von 1866 an, fällt auf, dass die „Besseren“ vorne platziert wa­ren. Schloss Zinneberg hatte in der ersten Reihe auf der Männerseite von den sechs Plätzen gleich vier belegt. Dazu weitere in den hinteren Reihen. Auch der Apotheker war ganz vorne. Die Glonner Müller waren in den ers­ten Reihen platziert. Sie hatten zudem das Privileg, wahrscheinlich schon über Jahrhunderte, den „Himmel“ bei Prozessionen zu tragen.

Glonn war von jeher ein Gewerbeort. Also waren die Handwerker und Ge­werbetreibenden auch mehr oder weniger „vorne“. Insgesamt standen in der Pfarrkirche im Langhaus auf allen Ebenen gut 300 Plätze für die Gläu­bigen zur Verfügung. An Sonn- und Feiertagen gab es drei Gottesdienste. Sodass die Plätze für die in Glonn wohnenden ausgereicht haben dürften.

Irgendwann haben die Pfarrer und/oder die Kirchenpflegschaften die Kir- chen-stühle zugeteilt. Dass dabei „Sein und Haben“ eine entscheidende Rolle spielte, ist offenbar. Und so sind diese Platzierungen auch ein Spie­gelbild der gesellschaftlichen Ordnung vergangener Zeit. Dass vordere Plätze „teurer“ waren, muss nicht gewesen sein. Wenn nicht, war dies erst recht ein Grund mit seinem hinteren Platz unzufrieden zu sein. Und wenn ein Geltinger Bauer, der keinen vorderen Platz hatte, sich bösartig äußerte: „Die Plätze seien nach der Größe des Misthaufens vergeben“, meint er da­mit, er habe sich doch „gut gemacht“ und sogar einige die vor ihm platziert sind, jedenfalls wirtschaftlich, überholt.

Einem Zimmermann mit kleiner Landwirtschaft habe es ein Leben lang „gestunken“, weil sein Platz „ganz hinten und der schlechteste“ war. Man muss dazu wissen, dass der Geltinger Kirchensprengel ein fast rein bäuer­licher war und hier der Grundbesitz die ausschließliche Rolle bei der Ver­teilung gespielt haben dürfte. Noch dazu gab es ein Sonderprivileg: Die Männer, die in den ersten vier Stühlen rechts außen saßen, waren an Fronleichnam die „Himmeltrager“.

Mittlerweile haben sich die alten Vorstellungen überlebt: Die vorderen Plätze sind nicht mehr die begehrtesten, sondern auch die am Ausgang. Die alten Kirchenstühle, die ja vom Boden her wegen des feuchten Unter­grundes dem Verfall preisgegeben waren, wurden auf entsprechend iso­lierter Unterlage ausgetauscht. In vielen Fällen konnten die „Wangen“, die häufig aus Flartholz waren, gerettet werden. Die alten beschrifteten oder beschilderten Kirchenstühleverschwanden damit zusehends. In Gelting war dies Anfang der 1970er Jahre und in Glonn kurze Zeit früher. Während in Gelting das Altmaterial vermutlich Brennholz wurde, wurden in Glonn Teile gerettet: Hans Eichmaier, Seilermeister und Bauzeichner, hatte eine „Pfundsidee“. Er machte daraus in seinem Haus eine Holzdecke. Und so konnte ihn womöglich der „Seiler“ von der Kirchenbank, also sein Vorfah­re, beim Schafkopf in die Karten schauen.

Hans Obermair ist Heimatforscher. Er lebt in Glonn.

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