Juni 2025
Liebe Glonnerinnen und Glonner,
in diesem Vorwort möchte ich einen oberflächlichen Blick auf die Funktionsweise von ländlichen, bayerischen Gemeinden zu Beginn des 20. Jahrhunderts werfen und ein paar Punkte mit heute vergleichen. Wer möchte kann sich dazu gerne eigene Gedanken machen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Alltagsleben landwirtschaftlich bzw. durch Handwerksbetriebe geprägt. Die Bürger arbeiteten meist am Wohnort, die Kirche hatte einen hohen Stellenwert und das soziale Leben bestand zu einem großen Teil aus den jahreszeitlichen Festen sowie dem Vereinsleben. Es gab meist eine Dorfschule in der ein Lehrer unterrichtete und die Schulpflicht existierte, war aber noch nicht überall durchgesetzt.
Die Mobilität bestand aus Pferdefuhrwerken als wichtigstes Transportmittel, vereinzelt motorisiertem Verkehr und bei größeren Orten gab es oft eine Eisenbahn. Elektrizität hielt erst in wohlhabenderen Gegenden Einzug und große Teile sowie Dörfer waren ohne Elektrizität. Die Wasserversorgung erfolgte meist über Brunnen und eine Abwasserentsorgung gab es nur selten. Aufgrund der Gewässer in Glonn war Glonn im Bereich Elektrizität und Wasserversorgung sehr fortschrittlich.
Für Recht und Ordnung sorgte ein Dorfgendarm. Kleinere Streitereien wurden vor Ort geregelt und größere Fälle gingen an Amts- oder Landgerichte. Ein Pochen auf persönliche Rechte kam kaum vor und es war selbstverständlich, dass man ehrenamtlich zusammenhalf, um gemeinschaftlich etwas zu erreichen oder zu verändern.
Aus Sicht der politischen Struktur gab es das Königreich Bayern mit einem Bezirksamt (heute Landratsamt), welche die staatliche Aufsicht der Gemeinden war. Die Gemeindeverwaltung leitete der Bürgermeister, welcher meist ein größerer Bauer oder angesehener Bürger war. Dieser wurde vom Gemeinderat unterstützt und führte einen Großteil der Amtsgeschäfte in der heimischen Wohnung. Als Bedienstete gab es meist noch einen Gemeindeschreiber (oft der Lehrer). Ein Bauhof und weitere Verwaltungsmitarbeiter waren nicht notwendig.
Nun stellt man sich aus heutiger Sicht die Frage wie eine Gemeinde ohne Bauhof und Verwaltungsmitarbeiter funktionieren kann. Die Lösung ist dabei einfach. Die Bürger waren verpflichtet Hand- und Spandienste zu leisten – je nach deren Möglichkeiten. So war es z.B. bis in die 1960er Jahre ganz normal, dass Landwirte für den Winterdienst auf Gemeindestraßen verantwortlich waren. Auch heute gibt es, wenn man es so sehen will, noch wenige Hand- und Spandienste (meist über Satzungen geregelt) im Zuständigkeitsbereich der Bürger.
So sind z.B. die Grundstücksanlieger für den Unterhalt der Feld- und Waldwege zuständig. Ebenso ist in der Straßenreinigungsverordnung die Pflicht zur Reinigung und Sicherung der öffentlichen Straßen und Gehwege, insbesondere im Winter, für die Anlieger geregelt. Während es zu Beginn des 20. Jahrhunderts normal war seinen Pflichten nachzukommen und die Bürger säumige Nachbarn direkt angesprochen haben, gibt es mittlerweile sehr viele Bürger, die glauben sie hätten nur Rechte, sind für nichts zuständig und versuchen Wünsche über Rechtsanwälte durchzusetzen. Die Zuständigkeiten und Fehler liegen immer bei anderen.
Früher fühlten sich die Bürger mehr selbst verantwortlich und überlegten bei Problemen, was man selbst anders machen kann. Es war nicht nötig Themen im Detail zu regeln, da es ohnehin keine Verwaltung gab die es umsetzen hätte können und bei der großen Mehrheit der Bevölkerung der „gesunde Menschenverstand“ in vielen Bereichen als Regelung ausreichte. Ich wäre froh, wenn dies auch heute noch so wäre und wir von den Gesetzgebern nicht mit in Summe kaum mehr vollziehbaren Regelungen überschüttet würden, welche letztendlich einen großen Teil der Arbeitszeit vor allem in „Blindleistung“ umwandeln. Wir versuchen in Glonn die Bürokratie möglichst gering zu halten, müssen aber die Vorgaben einhalten und können oft, auch aufgrund der Folgewirkungen, nicht Einzelfallbezogen entscheiden.
Auch wenn in Glonn insgesamt „die Welt in Ordnung ist“, würde ich mich freuen, wenn an der ein oder anderen Stelle nachgedacht wird, was wirklich nötig bzw. ein Problem ist und überlegt, was man selbst zur Behebung beitragen kann. Dies ist meist wirkungsvoller als Forderungen zu stellen, welche ein Dritter umsetzen soll.
Ihr Josef Oswald, 1. Bürgermeister