von Hans Obermair
Montag, 21. Februar 2022, Ebersberger Zeitung / Lokalteil
Gemeinschaftsform von Ledigen in bäuerlichen Gegenden lebt bis heute weiter
Der Begriff „Zeche“, ist schon im 13. Jahrhundert ein Begriff. Er kommt nicht vom „Zechen“, also mit Essen und Trinken eine Zeche machen, sondern bedeutet so viel wie Gemeinschaft, wie die „Zeche“ der Bergleute. Der Sprachforscher Schmeller erwähnt, dass die „Zech“, im Sinne einer Gemeinschaft von ledigen Leuten, an der „oberen Isar“ vorkomme. Die „Zech“ war eine Gemeinschaftsform von Ledigen, in bäuerlichen Gegenden, wo es meist keine kirchlichen Vereinigungen, wie Gesellen-oder Burschenvereine, gab. Möglicherweise wurden solche erst gegründet, um die Gestaltung des Freizeitlebens der ledigen Burschen nicht nur den „Zechen“ zu überlassen. Oder gar um Zechen zu verhindern oder abzulösen.
Und so haben sich Zechen primär nicht an Pfarrorten gebildet, sondern oft in kleineren Orten und Ortsteilen. Überdies gab es in den Pfarr-und Gemeindeorten, wie zum Beispiel in Glonn, ein reges Vereinsleben. Wenn Schmeller feststellt „an der oberen Isar“ gäbe es die Zechen, es gab diese auch bei uns. Sie sind möglicherweise erst später entstanden. Erstaunlicherweise konnten bisher im nördlichen Landkreis, also bei den „Draußerholzern“, keine Zechen nachgewiesen werden.
Um das Leben in den Zechen darzustellen, sei hier die Gegend um Glonn als Beispiel angeführt. So wie es schon im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Schlacht eine Zeche gab, so gab es sie auch, wenn auch erst später, zum Beispiel in Münster, Glonn, Frauenreuth, und Berganger.
Zechen waren nicht wilde Gemeinschaften, sondern hatten feste Formen. So hatte jede Zeche einen Zechmeister, gegebenenfalls auch einen Stellvertreter, einen Musikanten und eine Kasse, vom Zechmeister, oder seinem Stellvertreter geführt. Zu einer Zeche gehörte auch ein „Stammlokal“. So ist es auch zu verstehen, dass sich die jungen Leute eines Ortes ohne Wirtshaus, der Zeche des Nachbarortes anschlossen. Aufzeichnungen in den einzelnen Zechen wie Protokolle oder Kassenbücher sind nicht bekannt.
Bei einer „Zech“ konnten alle ledigen Burschen und Mädchen eines Gebietes mitmachen; auch Knechte, Mägde und Handwerker, die nicht von hier stammten und nur hier im Dienst waren. Es gab keine Altersbeschränkung. Wichtig war, dass man noch ledig ist. Zweck einer „Zech“ war die Gemeinschaft. Gemeinsam war man eben stärker. Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit der einzelnen Orte kamen hier besser zur Geltung. Ebenso brauchte man die Gemeinschaft zur Pflege und Weitergabe des Brauchtums. Außerdem war gemeinsam gekauftes Bier billiger.
Gründungsmotiv war also der Wunsch zur Gemeinschaft. Solche Gemeinschaften entstehen oft gelegenheitshalber. Und da Zechen auch Kinder ihrer Zeit sind, ist anzunehmen, dass sich viele mit der zunehmenden Freiheit des Einzelnen „gründeten“ wie etwa durch die „Bauernbefreiung“ von 1848. Überdies gilt, wahrscheinlich aus demselben Grund, die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts auch als die „Gründerzeit“ für Vereine. Dies betraf natürlich in erster Linie die größeren Orte. Die Vereinigungsmentalität machte aber vor den kleineren Orten nicht Halt. Das Entstehen von Zechen wurde hierdurch zweifelsohne beeinflusst. Hie und da mag auch die Eröffnung eines Dorfwirtshauses das Werden einer Zeche gefördert haben. Es ist aber auch umgekehrt denkbar.
Ein Beispiel: die Schlachter Zeche, die „Greawinkler“. Sie umfasste die Orte Schlacht, Kreuz, Steinhausen, Mühtal, Reinsdorf, Balkham, Ursprung und Adling. Glonn wurde also im Norden und Westen halbkreisförmig umgangen. Im Süden und Osten von der Frauenreuther Zech. Nur von einer Zech ist ein spezieller Name bekannt: die „Greawinkler“.
Woher der Name „Greawinkler“ kommt, dafür gibt es keine eindeutige Erklärung. Wolfgang Koller glaubte, dass dies mit dem Grün der Wiesen und Wälder zu tun hat. So gesehen müssten auch die anderen Zechen um Glonn so geheißen haben. Ebenso wäre es, wenn mit dem „grea“ (grün) „jung“ oder die Jugend gemeint war. Am ehesten könnte sein, dass „Greawinkler“ auf den Umstand zurückzuführen ist, dass sich die Schlachter Jugend, für die Dreißigerjahre steht dies fest, auf der sogenannten „Winkelwiese“ getroffen hat. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass „Greawinkler“ ein Fantasiename ist, der anfangs sogar als Deckname hergenommen worden sein könnte. Fragt man nach dem Zeitpunkt, wann die „Greawinkler“ entstanden sind, so ist man ebenfalls auf Vermutungen angewiesen. Da eine „Zech“ in der Regel auch sein Wirtshaus brauchte, könnte es durchaus sein, dass die Eröffnung des Schmiedwirt ca 1871, mit dem Entstehen der Schlachter „Zech“ zusammenhängt.
Der Jahreslauf einer „Zech“ ging natürlich einher mit dem Kirchen- und dem Bauernjahr. Gab es viel zu tun, so gab es wenig zu feiern – und umgekehrt. Die Höhepunkte eines Zechjahres waren sicher die Tanzveranstaltungen, die in den umliegenden Orten gemeinsam besucht wurden. So in Glonn die „Pfingstmarktmusi“ beim Neuwirt und die „Oktobermarktmusi“ in der Post. Der Zechmeister, oder ein von ihm Beauftragter, reservierte für seine „Zech“ die Plätze, indem er mit Kreide auf die Tische schrieb „Greawinkler“. Die anderen Zechen taten dies ebenfalls für sich. Dann kam ein Banzen Bier auf den Tisch, der an die eigenen Zechleute ausgeschenkt wurde. Einer von der „Zech“ kassierte bei allen männlichen Mitgliedern den gleichen Betrag. Reichte es für den Abend nicht, so wurde nachkassiert. War es zu viel, so wurde es für spätere Anlässe gespart.
Aus der Zechkasse wurden beim Musikmeister, das waren in Glonn die Diemer und Faßrainer, Tänze bestellt. Burschen von anderen Zechen die „dreintanzten“ wurden „abkassiert“. Dirndln dagegen durften bei den Tänzen anderer Zechen umsonst mittanzen. Zwischendurch spielte die Musik auch manchmal „Zehnerltouren“. Der „Frausee“ kostete 20 Pfennige. Wurden von den Zechleuten Hochzeiten besucht, so wurde nach dem „Abdanken“ genauso verfahren wie bei einer Tanzmusi. Eintrittsgeld gab es damals nicht. Die Musik verdiente ausschließlich an den Zechtänzen und Zehnerltouren. Nicht selten spendierten die Zechen der Musi einige Maß Bier.
Für das Landvolk gab es früher keine Tanzkurse. Nicht tanzen können hätte, im wahrsten Sinne des Wortes, „Sitzenbleiben“ bedeutet. Und welch junger Mensch wollte das schon. Und so wurde das Tanzen häufig bei der Zeche gelernt. In den Stuben, im Fletz oder auf dem Tennenboden gab es Platz genug.
Eine wichtige Angelegenheit im Jahreslauf einer Zeche war der „Kirta“. Darüber schreibt die in der Schweiz wohnende Emma Rapp, die in Schlacht zu Hause war: „Kirchweih oder Kirta, das war noch ein Tag, und was für einer, für Jung und Alt. Das Wichtigste, es gab Kirtanudeln, Kirtabrot, eine Kirta- hutsch, Kirtabier und den Kirtatanz. Und der Kleinmaier Hermann, er war lange der Musiker seiner Zech, berichtet, dass für die Schlachter Burschen und Dirndl der Silvestertanz eine wichtige Angelegenheit war. Bis Mitternacht wurde beim Wirt musiziert und getanzt. Dann ging man mit der Harmonika voraus, von Hof zu Hof und wünschte ein gutes Neujahr, wofür man mit einem Geldstück belohnt wurde.
Wenn jemand von der Zeche heiratete, so wurde vom Zechmeister im Auftrag der Zeche ein „Regulator“ (Wanduhr) oder ein „Humpen“ überreicht. Sofern die Zechkasse es erforderte, wurde hierfür (nur bei den Burschen) einkassiert. Das Brautpaar bedankte sich für das Geschenk mit Freibier und Ehrtänzen. Einige Tage vorher wurde, in der Regel im Hause des Hochzeiters oder der Braut, die „Nachthochzeit“ gefeiert. Der Name kommt wohl davon her, weil sie im Gegensatz zur Hochzeit, am Abend bzw. bei der Nacht gefeiert wurde. Wurde im Greawinklerbezirk eingeheiratet, dann wurde von der Zech ein Hochzeitsbaum aufgestellt. Hatte sich nach einem Jahr noch kein Kindersegen eingestellt, so gehört der Baum den Burschen.
Wie schon geschrieben, waren die einzelnen Zechen (Schlacht, Adling usw.) auch selbst aktiv. Die Schlachter Burschen trafen sich an Sonntagen gewöhnlich beim Wirt. Auch bei diesen Treffen wurde gemeinsam ein Banzen Bier gekauft und natürlich auch getrunken. Der Fellermaier Hartl weiß, dass die Schlachter Jugend 1934 eine Holzhütte auf oder in der Nähe der Winkelwiese, gebaut haben. Diese Hütte wurde „Wastlalm“ genannt. Dort traf man sich zum Reden und Tanzen, um von den „Alten“ nicht eingesehen zu sein. Der Kleinmaier Hermann nennt dies eine „sturmfreie Bude“. Aber auch die Adlinger hatten ihre Hütte. Einmal in ihrer Geschichte haben die Greawinkler sogar einen Maibaum aufgestellt. Dies war im Jahre 1938.
Die „Greawinkler“ brauchten natürlich auch eine Organisation. Die ganze Zeche hatte immerhin gut 50 Mitglieder. Allein die Schlachter hatten 20 bis 25 Treffen, die sich jährlich wiederholten. Dabei hatten die Adlinger, die von der Glonner Christlmühle den Strom bezogen, ein besonderes System. Die Neunerbuben, der Max und der Jakl, Teil der Adlinger Burschen, waren beim Christlmüller im Dienst. Wenn ihnen das Einsagen oblag, ließen sie einfach in Adling die Lichter flackern, indem sie den Storm kurz unterbrachen. Die Adlinger Burschen wussten dann, was los war.
So wie in Schlacht haben die Weltkriege überall das Zechenleben zum Stillstand gebracht. Aber beide Weltkriege haben die „Greawinkla“ überstanden. Es gab jeweils einen Neubeginn. Wenn sich auch die „Heutigen“ Burschenverein Schlacht nennen, den Geist der „Greawinkler“ gibt es noch. Heute auf die ganze Glonner Gmoa ausgedehnt und seit 1994 mit Fahne.
Hans Obermair ist Heimatforscher, er lebt in Glonn.