Silber-Lukas: Das sind seine Vorgänger

von Hans Obermair

Dienstag, 17. August 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Turnen hat in der Marktgemeinde Glonn eine jahrhundertealte Tradi­tion – Blick ins Archiv

Ein Höhepunkt in der Geschichte Glonns: Silbermedaillengewin­ner Lukas Dauser besucht seine Heimat. Die Glonner Musi spielt den Olympioniken vom Haus der Eltern zum Marktplatz, wo ihn Bürgermeister Josef Oswald begrüßt und der Eintrag ins Goldene Buch des Marktes er­folgt. Diese mehr protokollarische Angelegenheit wird aber sicher überbo­ten von der Freude der Glonner über den Besuch Lukas Dausers, der schon drei Tage nach seinem Triumph in Tokio zu seinen Wurzeln zurück­findet. Er belegt dies damit, dass er offen bekennt „…immer wenn ich her­komme, fühle ich mich sofort heimisch“. Und wenn er weiter erinnert: „als Kind wurde ich angesprochen, ob ich der bin, der im Schwimmbad Wiesmühle die Saltos vom 3-Meter Sprungbrett macht!“, dann unterstreicht das ebenfalls seine Verbindung mit Glonn. Und so darf Glonn schon auch stolz darauf sein, Heimat eines so großartigen Sportlers zu sein.

Wer denkt bei einem solchen Anlass daran, dass das Turnen in Glonn in seinem „Turnverein“ schon seit 1884, also seit 137 Jahren, Tradition ist. In­itiator war der Lehrer Bartholomäus (Bartl) Nußhart. Er war aus Inning am Ammersee gebürtig und erst seit Juli 1883 in Glonn. Neben seinem Schul­dienst war er auch Organist in Frauenreuth. Das hieß, täglich vor Schulbe­ginn einen Fußmarsch zur Wallfahrtskirche und zurück. Vorübergehend muss Nußhart auch Schulleiter gewesen sein. Das bedeutete, auch den Gemeindeschreiberdienst zu versehen. Bürgermeister war damals der Christlmüller Johann Beham.

Wie es in einem Bericht von 1934, also zum 50-jährigen Bestehen, heißt, war es nicht leicht, den Anfang zu machen. Weiter ist vermerkt: Die „mit­reißende Persönlichkeit“ des jungen Lehrers sei es gewesen, die die Ju­gend für das Turnen begeisterte. Erster „Sportplatz“ war eine Wiese, dort wo der Kupferbach in die Glonn mündet und „Turnerheim“ war das Gast­haus Lanzenberger. Wie schnell sich die junge Gemeinschaft gefestigt hat, zeigt, dass bereits 1886 eine Fahne angeschafft werden konnte. Als Nuß­hart, wohl berufsbedingt, im gleichen Jahr Glonn verließ, war er nicht gleich zu ersetzen. Erst 1888 übernahm der Maler Peter Meßner den Vor­sitz. 1898 wurde der Turnplatz in die Nähe des Metzgeranwesens (Bredenhöller) verlegt. Dieses Anwesen gehörte zum „Neuwirt“. Und so war es ver­ständlich, dass die Turner mit dem Vereinslokal dorthin wechselten. 1929 erbaut man die Turnhalle des Vereins.

Statuten und eine „Turn-Ordnung“ zeugen vom Ordnungswillen des Ver­eins. Da heißt es zum Beispiel „Das Turnen von Zweien auf einem Geräthe ist nicht gestattet“, oder dass „Übungen, welche mit Gefahr verbunden sind, ohne Beisein anderer nicht versucht werden“.

Das Kassenbuch von 1901 -1921 und das Beitragsbuch von 1911 – 1922, das wieder gefunden und erst vor ein paar Jahren dem ASV übergeben wurde, gibt einen Einblick in die Tätigkeit des Vereins in diesen Jahren. Ne­ben dem Training gab es natürlich immer wieder Wettkämpfe und man beteiligte sich bei Gauturnfesten. Da gab es zum Beispiel für 1907 für die Glonner mehrere Preise.

Aber es wurde nicht nur geturnt, sondern auch Schwimmen gehört dazu und das Theaterspielen. Der alljährliche Turnerball war ein Höhepunkt des Glonner Faschings.

Die Liste der Vorstände zeigt, wie sehr der Verein im Glonner Bürgertum verankert war. Und trotzdem hatte der Verein auch seine Krisen. In einer Zeitung von 1907 steht zu lesen, „…. man habe den Verein wieder neu zu Leben erweckt“. Vielleicht hat der 1903 gegründete Athletenclub und der Radfahrverein von 1906 den Verein geschwächt. Anfang der Dreißigerjahre nahm man sogar die Sänger in die Reihen der Turner auf. Der Männerge­sangverein nannte sich nun „Sängerriege des Turnvereins“.

Einen Höhepunkt hatten die Glonner in den Jahren nach dem Ersten Welt­krieg. Der Erste Weltkrieg brachte, wie bei allen Vereinen, einen Einbruch, die meisten erwachsenen Glonner Turner waren ja im Krieg. Die Aufbruch­stimmung muss enorm gewesen sein. Das führte zu den Erfolgsjahren des Vereins: 1924 war die Fahnenweihe und dann die vielen sportlichen Erfol­ge, sowie 1929 der Bau der Turnhalle. Diese sportlichen Erfolge dürften zurückzuführen sein einmal auf die Vereinsführung und auf die Vereins­trainer. Diese waren für die Kinder und Jugendlichen Korbinian Beham, er war einer der besten Glonner Turner und Enkel des Gründungsbürger­meisters Johann Beham. Für die Erwachsenen war es Wolfgang Maier, er war der Sohn eines Glonner Postlers, des letzten Glonner Postillon in Glonn. Ein Zeitungsausschnitt mag dafür ein Beleg sein, wie viele Glonner damals aktive Turner waren. Den Mitgliedern nach gab es auch eine Ver­bindung zum Glonner Katholischen Gesellenverein (Kolping).

Die Aktivitäten der Turner scheinen Ende der Zwanzigerjahre abzuneh­men. Wie es heißt, wollen die Jungen Fußball spielen und die Alten nicht. Ein neuer Verein (Spiel und Sport) wurde gegründet. Die Machtergreifung der NSDAP ab 1933 verordnet die Gleichschaltung, das heißt die Mitwir­kung der Partei. Vorstand Maier erklärt dies 1934 der Versammlung. Die „graue Eminenz“ im Verein, Ludwig Maier (Bürgermeister von 1929-1933), ist damit nicht einverstanden und bewirkt einen Vorstandswechsel. August Knorr wird Vorstand. Auch die aufkommende Hitlerjugend mag das ihre beigetragen haben. Liest man die Zeitungsberichte, kommt man zu dem Schluss, dass der Turnverein nur mehr gesellschaftliche Funktionen aus­übt: Theaterspielen, Faschingsveranstaltungen und Versammlungen. Das geht so bis 1941, dann ist Stille. 1947 erfolgte dann die Zusammenlegung beider Sportvereine zum Allgemeinen Sportverein (ASV).

Dass sich nun ein Weltklasseturner von seine Wurzeln her zu Glonn be­kennt, könnte doch ein Anlass sein, die alte Glonner Turnertradition wie­der aufleben zu lassen. Turnen, ein Sport, der nicht auf Zweikampf ausge­richtet ist, sondern wo der Fähigste der Beste ist, passt doch in unsere Zeit. Ein Sport, der aber auch die Gemeinschaft fördert. Noch dazu in ei­nem Ort, dessen Vereinsleben von zwei großen Sportvereinen maßgeblich mit geprägt wird. Vor allem aber auch, weil man mit Lukas Dauser, ein so großes Vorbild hat. Quasi einen Paten, um den uns viele beneiden. Zudem hat unsere Marktgemeinde eine zweite Turnhalle in der Agenda. Aber auch die Glonner Bürger würden sich nicht „lumpen“ lassen. Also anpa­cken!

Hans Obermaier ist Heimatforscher. Er lebt in Glonn.

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