Zurück zum Ursprung

von Hans Obermair

Dienstag, 01. Juni 2021, Ebersberger Zeitung / Lokalteil

Zurück zum Ursprung

Heimatforscher wirft Blick auf die Bauersfamilie als Keimzelle der heutigen Welt

Das Wort Geschichte besagt, dass es „Schicht auf Schicht“ bedeutet. Wir sind also nur ein Glied in einer langen Kette. Das „Innerste“ in unserer Geschichte ist der Mensch. Er hat die Zeit erlebt und überlebt und ist letztlich der Träger der Erinnerung. Hät­ten unsere Vorfahren, oft unter schwierigsten Bedingungen, nicht überlebt, gäbe es uns Nachfahren nicht. Wir haben also alle Veran­lassung, dies dankbar zu würdigen. Noch dazu geht es uns in der Re­gel heute besser als unseren Ahnen. Im Hinblick darauf sollten wir eigentlich zufriedener sein.

Die Keimzelle unseres Daseins ist letztlich die Familie. In keiner Le­bensform ist dies augenfälliger als in einer früheren Bauersfamilie: Kindheit, Alter, Erwerb, Gesundheit, Krankheit, Beruf, Behausung, Natur und Klima sind hier mehr verwoben als in dieser. Hier wird ge­boren, gelebt, geheiratet und gestorben. Schauen wir in unser Pfarr- matrikel und Familienbücher, so wird uns das besonders bewusst.

Auch das ländliche Handwerk hat seinen Ursprung in der Bauersfa­milie. Hat man in frühester Zeit in der sogenannten „Hauswirtschaft“ alles, was man brauchte, selbst hergestellt, so haben sich besondere Begabungen – eben „Profis“ – „selbst ständig“ gemacht – auch im Sinne einer Arbeitsteilung. Der Hintergrund dürfte eher Qualität als Rentabilität gewesen sein. Eben nicht das Mehrverdienen, sondern das Bessermachen.

Die Zahl der Kinder dürfte im Durchschnitt in keiner Familie größer gewesen sein, als in der des Bauern. Sicher spielte die eigene Nah­rungsgrundlage eine Rolle, aber auch das „es muss ja weitergehen“. Dass nach dem Tod eines Ehepartners, der ja auch Vater oder Mut­ter war, schnellstens wieder geheiratet wurde, passt in dieses Sche­ma. Am ehesten war es eine Mutter, die zu ersetzen war. Und so ist es nicht verwunderlich, dass im Glonner Bereich in zwei Fällen die fünfmalige Heirat eines Mannes verzeichnet ist. Während die erste Heirat in der Regel eine standesgemäße war, es musste ja Mitgift ins Haus kommen, damit Geschwister ausbezahlt werden konnten, kam es bei weiteren Ehen nicht mehr vordergründig darauf an: Eine Chance für alle, die nicht so reich waren. Das Erstheiratsalter lag, und das bei weit geringerer Lebenserwartung, bei Männern an die 30. Dass viele Ehen arrangiert waren, war zeitgemäß hin bis zum Hochadel.
Die Versorgungseinrichtung „Bauernhof‘ galt nicht nur für die Fami­lienmitglieder, sondern auch für die alten Ehehalten, die in vielen Fällen auch mit ihrer Bauersfamilie das Grab teilen durften. Erst mit dem Aufkommen der Sozialversicherungen unter Bismarck machte sich das Alter mehr und mehr selbstständig.
Nachdem zu einer Heirat eine „gesicherte Nahrungsgrundlage“ nachzuweisen war, war der Anteil der „Ledigen“ besonders hoch.

Und so war es auch bei der Zahl der „illegitimen“ Kinder, die in der Regel bei der Mutter, oft im Dienst, bei ihren Großeltern oder gar als Kostkinder aufwuchsen. Bis etwa in die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten diese „Ledigen“ gar den Familiennamen des Vaters bekom­men. Bei der Taufe, in der Regel „nur“ durch den Kooperator, wurde des Öfteren der Name des Tagesheiligen gewählt. Auch der konnte ein Leben lange „auffällig“ sein. Besonders hart für die Mutter, wenn ihr Kind unter anderem Namen aufwuchs. Aber ein Vorteil, wenn Va­ter und Mutter sich doch noch vor dem Traualtar fanden. Dann hat­te das Kind wieder den richtigen Namen. Eine solche Heirat hat dann auch den Makel des „Ledigen“ kaschiert, der sich sonst oft ein Leben lang auswirkte.

Ein wichtiger Wirtschaftszweig war das Vieh. Damit konnte man na­türlich vorkommende Pflanzen, die für den Menschen primär nicht als Nahrung taugten, veredeln. Das Steuerbuch von 1671 gibt einen guten Einblick in den Viehbestand. Pferde, „Rosse“ genannt, gab es fast auf allen größeren Anwesen, in der Höchstzahl vier plus Fohlen. Vermutlich je mehr, umso höher war der Anteil an Ackerbau. Die Höchstzahl der Kühe war sechs plus Kälber und Jungvieh. Der Schweinebestand war mit bis zu zehn bedeutend, was auf den Ackerbau hinweist. Wahrscheinlich mit zunehmender Bedeutung, denn 1720 verlobte sich der „Steinmüller“ von Mühltal zur Gottes­mutter nach Frauenreuth: Er bedankte sich auf einer Votivtafel, dass ihm 22 „Frischling“ (junge Schweine) durchgekommen seien. 1671 waren nur eine „Schweinsmutter“ und sieben „Frischlinge“ angege­ben. Aber auch die Schafzucht hatte eine Bedeutung. Kaum ein An­wesen war ohne Schafe und Lämmer. Die „Impen“ waren etwas sel­tener. Bis zu sieben Stöcke sind verzeichnet. Schafe waren aber auch in ein paar Fällen geliehen. Für die Weide bekam man die Wolle. „Verleiher“ waren Wirte und Metzger. Bei strengen und langen Win­tern konnte es Futterengpässe geben. Der Ausdruck „Schleppvieh“ hat hier seinen Ursprung. Das Vieh war zu schwach, um im Frühjahr allein die Weide zu erreichen.

Die Bewirtschaftung des Landes erfolgte über Jahrhunderte nach dem Prinzip der „Dreifelderwirtschaft“. Die Fruchtfolge war: Somme­rung, Winterung und Brache. Die jeweiligen Brachflächen wurden als Weideland benutzt.
Dies war nur möglich durch den sogenannten Flurzwang, also Anbau- und Nutzungszwang, weil damit die Weideflächen im Brach­jahr zusammenhängend genutzt werden konnten. Um das Witterungs- und Klimarisiko zu verteilen, hatte in der Regel jedes An­wesen in jeder Flur Grundstücke. Dies hatte natürlich kleine Parzel­len zur Folge. Für die Bewirtschaftung, die ja ausschließlich durch Handarbeit verrichtet wurde, war dies kein Hindernis. Wegen mögli­cher Nässe, aber auch wegen der tieferen Humusauflage, gab es die sogenannten „Hochäcker“, das sind zusammengepflügte Ackerbee­te. Um ein Feld zu erreichen, musste man aber häufig über das eines Anderen fahren. Auch hier war der Flurzwang von Nutzen, weil es so einen gemeinsamen Erntezeitpunkt gab.

Die alte Dreifelderwirtschaft wurde ab Beginn des 19. Jahrhunderts durch die verbesserte Dreifelderwirtschaft abgelöst. Die ehemals als Brachflächen geführten Grundstücke wurden nun mit Klee und Blattfrüchten (z.B. Kartoffeln) bebaut. Dies brachte natürlich höhere Erträge mit der Folge, dass nicht nur mehr landwirtschaftliche Güter auf den Markt kamen, sondern auch, dass über die erhöhte Viehhal­tung mehr Dünger zur Verfügung stand, was wiederum die Erträge steigerte. Eine Vergrößerung der Gebäude war die Folge. Mit der all­mählichen Aufhebung des Flurzwanges und dem uneingeschränkte Eigentum ab 1848 („Bauernbefreiung“), wurde der Grundstücks­tausch angeregt, so dass nun größere Parzellen bearbeitet werden konnten. Erst mit der Arrondierung, bzw. Flurbereinigung, bei uns ab etwa 1950, fand dies seinen Abschluss.

Die Gebäude, oft aus Holz, waren in unserer Gegend in der Regel mit „Legschindeln“ gedeckt. Dies sind mehrlagig verlegte Bretter, die mit Stangen und Steinen beschwert waren. Deshalb die flache Dach­form. In Ackerbaugegenden, wie im Norden des Landkreises, bzw. in Moorgegenden gab es das steile Stroh- oder Rieddach. Der Backofen war wegen der Brandgefahr außerhalb des Gehöftes. Mit der Einfüh­rung der Brandversicherung gab es für ziegelgedeckte Häuser Prä­mienabschläge. Auch deswegen setzten sich allmählich Ziegeldächer durch, mit der Folge, dass die Dachform steiler werden konnte.

Hans Obermair ist Heimatforscher. Er wohnt in Glonn.

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