Archiv der Kategorie: Obermair

Quellen und Impressum: 300 Jahre Kirche Frauenreuth

Titelbild 
Kirche Frauenreuth, Gemälde von Wolfgang Lammerding
Herausgeber: Pfarrei Glonn


Verantwortlich für den Inhalt,   
Fotos  und Umschlaggestaltung: Hans Obermair
Alle Rechte: Hans Obermair 2007 ©


Quellen, soweit nicht im Text angegeben:

  • Glonner Pfarrarchiv
  • Archiv des Erzbistums München-Freising
  • Johann-B. Niedermair, Glonn und Umgebung in Vergangenheit und Gegenwart Freising 1909 und München 1939
  • Erwin Richter, Jedermann und die Jüngste-Gerichts-Mühle, Sonderdruck, Wien 1955
  • Andrea Worm, Die „Gerichtsmühle“ und die „Vier letzten Dinge“ aus 100-Jahre Landsberger Geschichtsblätter Landsberg 2000/2001
  • Irene Gerstner, Untersuchung der Votivbilder in der Marienkirche von Frauenreuth Zulassungsarbeit 1970
  • Dr. Cordula Böhm, Schriftverkehr

Layout für Print und Web: Stephan Kreutzer/ MediaGlonn
Druck: Druckerei Altermann
Auflage: 300

 

 

Geleitwort zu Lena Christ

Unsere Lena Christ   

Mit gemischten Gefühlen denke ich an die Ereignisse, die den Namen Glonns in den letzten Jahren weltweit in die Schlagzeilen gebracht haben. Gott sei Dank steht unser Ort aber nicht nur für Entführung und Hochwasser, den Freunden guter Literatur ist Glonn als Heimatort der Schriftstellerin Lena Christ seit langer Zeit ein Begriff. Lena Christ kam vor nunmehr 125 Jahren in Glonn zur Welt und verbrachte hier „die glücklichsten Jahre“ ihres Lebens bei ihren Großeltern.
Das  Leben des ledig geborenen Mädchens, das ihren Vater nie kennen lernen durfte, ist geprägt von ihrem Ringen um Zuneigung und Anerkennung, vor allem von Seiten ihrer Mutter. Noch nicht vierzigjährig, beendet sie ihr Leben aus eigenem Willen auf dem Münchner Waldfriedhof.
In ihren Werken verwendet sie in dichterischer Freiheit Orte und Personen aus Glonn und der Umgebung, die Liebe zu ihrer Heimat spricht ebenso aus ihren Werken wie ihre tief verwurzelte Sehnsucht nach Glück und persönlicher Erfüllung.
Lange Zeit war ihr Ansehen bei den Glonnern nicht das beste, moralisch rigide wurde ‚die Ledige’, später ‚die Geschiedene’ verurteilt. Erst Wolfgang Koller, der bekannte Schulrat aus Glonn, hat ihr in ihrer Heimat Glonn den Rang und die Anerkennung verschafft, die dieser großartigen bayerischen Schriftstellerin zukommt.
Ich habe mit meinen Schulklassen im Deutschunterricht mit Vorliebe Auszüge aus den „Erinnerungen einer Überflüssigen“ gelesen, in denen die ganze Not der Mutter-Tochter-Beziehung zum Ausdruck kommt. Und ich habe dabei gemerkt, dass Lena Christ auch noch heute mit ihrer ungeschminkten, kräftigen Sprache Menschen, auch junge Leute zu faszinieren vermag.

So danke ich unsrem Glonner Geschichtsschreiber Hans Obermair auf das Herzlichste, dass er sich anlässlich der 125. Wiederkehr der Geburt dieser großen Glonnerin in dieser Broschüre  mit viel Akribie und Sachverstand der Wurzeln von Lena Christ und des historischen Hintergrundes ihrer Werke im Raume Glonn angenommen hat.

Ich wünsche uns allen viel Freude bei der Lektüre.

Altbürgermeister Martin Esterl

Grußwort und Dank des Verfassers

Seit meiner Kindheit ist mir Frauenreuth, seine Kirche und die Gottesmutter ein Begriff. Mein Vater, der 1900 beim Wirt in Frauenreuth geboren wurde und bis 1933 dort lebte und arbeitete, hatte wegen der verschiedenen Pachtverhältnisse mit seiner Familie ein paar Mal den Wohnsitz wechseln müssen, bis er 1965 in Glonn seinen Ruhesitz fand. So gut es ging, versäumt er keinen „Frautag“ und ich durfte ihn als Bub begleiten. Wo er auch war, er blieb immer ein „Frauenreuther“. Einige Wochen vor seinem Tod ließ er sich noch von mir nach Frauenreuth fahren, um von „seiner“ Gottesmutter Abschied zu nehmen. Er war schon zu schwach; er tat es vom Auto aus. Wenn ich nun gefordert bin zum 300-jährigen Jubiläum der Frauenreuter Kirchweih geschichtliche Hintergründe darzustellen, so tue ich dies gerne und auch in Erinnerung an meinen Vater.
Mein Dank gilt zunächst dem Glonner Chronisten Pfarrer Johann-B. Niedermair, der vor rund hundert Jahren Glonner Geschichte festgehalten hat. Dann dem Glonner Pfarramt, das mir die Möglichkeit gab, im Pfarrarchiv zu recherchieren. Weiter danke ich Michael Obermüller, dem „Huber“ von Frauenreuth, der mir immer wieder bereitwillig die Kirche öffnete, mir aber auch mit seinem reichen Wissen um die Vergangenheit Frauenreuths helfen konnte. Mit Johann Sarreiter, dem ehemaligen Baubezirksleiter im Erzbischöflichen Baureferat konnte ich der Kirche so manches Geheimnis entlocken. Helmuth Knarr, der Kirchenmaler, der 1962 die Restaurierung der Kirche leitete, gab mir wertvolle Hinweise über die Restaurierung und insbesondere über den Zustand der Kirche vor 1962. Bedanken möchte ich mich auch bei Josef Stahuber aus Höhenrain, er hat mir Einblick in die Höhenrainer Kirchenrechnung ermöglicht, sowie bei Frau Dr. Cordula Böhm und Frau Anna Bauer, die mir wertvolle Hinweise gegeben haben. Weiter gilt mein Dank unserem Glonner Rektor a.D. und meinem Kollegen von der Glonner Heimatforschung, Rudi Gerer, für das Korrekturlesen. Letztlich gilt mein Dank auch unserem Pfarrer Schöpf, Bürgermeister Esterl, der Frauenreuther Kirchenverwaltung und Feuerwehr, die sich bereit erklärten, diesem Jubiläum einen würdigen Rahmen zu geben.

Hans Übermair

Grußwort von Bürgermeister Martin Esterl

Vor 300 Jahren wurde der jetzige Kirchenbau zu Frauenreuth eingeweiht. An Stelle der alten Kirche im romanischen Stil trat das heutige Gotteshaus in der Bauweise der Renaissance, statt des früheren Spitzturms überragt seit drei Jahrhunderten der
Zwiebelturm der wunderschönen Wallfahrtskirche das Bauerndorf Frauenreuth, das seit Alters her Hauptfiliale der Pfarrei Glonn ist. Als achtjähriger Bub stammelte ich mein erstes ,,Ad deum, qui laetificat juventutem meam“ als frisch approbierter Ministrant an den Stufen des Hochaltares mit dem Marienbild im Zentrum. 25 Jahre später, nach dem Tode von Studienprofessor Ludwig Denk, durfte ich ein letztes Mal mit meinen Frauenreuther Kollegen bei der Mette den Altardienst versehen. Kooperatoren wie Johann Braun, Dr. Gerhard Gruber, Elmar Gruber, Heinrich von Saint George und Georg Schneider durfte ich Wasser und Wein reichen.
Ich muss gestehen: An dieser Kirche hängt mein Herz ! Dieser imposante Bau auf dem Kirchenbergerl, umringt von den Gräbern der Einheimischen aus Frauenreuth, Reisenthal, Mattenhofen, Hafelsberg und Überloh, ist die Mitte und das Wahrzeichen des Dorfes und des dörflichen Lebens.
Und so freut es mich, dass Kirchenvorstand und Freiwillige Feuerwehr von Frauenreuth zusammen mit der Pfarrei Glonn, unterstützt von Hans Obermair, dem exzellenten Kenner unserer Heimatgeschichte, aus Anlass des dreihundertjährigen Jubiläums der Kircheneinweihung ein anspruchsvolles Programm mit Gebet und Feiern zusammengestellt haben.
Wir alle, die Bürger und Bürgerinnen der Marktgemeinde Glonn sind eingeladen, unsere Wertschätzung und Verbundenheit mit der Frauenreuther Marienkirche dadurch zu zeigen, dass wir am Festgottesdienst und den anderen Veranstaltungen recht zahlreich teilnehmen.

Grüß Gott in Frauenreuth!

Martin Esterl
Bürgermeister

Grußwort von Pfarrer Siegfried Schöpf

Jedes Dorf hat sein eigenes Gesicht, so wie es eben das örtliche Geschehen durch die Jahrhunderte geprägt hat.
Ein besonders prägnanter Punkt ist dabei auch immer das Gotteshaus. Wolfgang Koller hat es dabei in seiner Festschrift zum Jubiläum des Marktes Glonn 1974 so beschrieben: „Im hinteren Reisenthai (…) sitzt die Kuppel der Kirche von Frauenreuth wie ein riesiges Osterei mitten in der Wiese überm Hang“
Vor 300 Jahren, am 18. Juni 1707 wurde diese Kirche eingeweiht. Doch auch schon vorher stand hier eine Kirche zu Ehren „unserer Frau z’Reith“. Viele Wallfahrer suchten Hilfe bei der Muttergottes, was die vielen Votivtafeln belegen. Und so ist auch das Gnadenbild der „Sedes Sapientia“ (Sitz der Weisheit) um 1500 entstanden. Weil aber die alte, baufällige Kirche die vielen Wallfahrer nicht mehr fasste, musste eine Neue errichtet werden. Und so suchen bis heute noch Menschen Trost und Hilfe bei der Muttergottes in Frauenreuth.
Viele sind es auch, die sich immer wieder in besonderer Weise um unsere Filialkirche bemühen, die sich einsetzen um den Erhalt dieses Gotteshauses und damit das Gesicht unserer Heimat bewahren. Allen, die sich in irgend einer Art um unsere Frauenreuther Kirche bemühen, möchte ich hier ein ganz herzliches Vergelt’s Gott sagen.
Aber mit dieser Kirche wollen wir nicht nur unsere Heimat gestalten, sondern hier sollte vor allem unsere Seele ein wenig vor dem Bild der Mutter Gottes zur Ruhe kommen und neue Kraft finden.
Ich wünsche allen, die in unsere Frauenreuther Kirche kommen, dass sie die Nähe und die Hilfe Gottes durch die liebende Hand Mariens spüren. Und allen, die den 300. Jahrestag der Kirchweih mit uns feiern wünsche ich Freude für ihren Glauben.

Ihr Pfarrer
Siegfried Schöpf

300 Jahre Kirche Frauenreuth

Hans Obermair

1707 – 2007
Frauenreuth und seine Kirche


300 Jahre Frauenreuth Tielbild
Titelbild: Gemälde von Wolfgang Lammerding

Von Hans Obermair (Bitte beachten Sie die Urheberrechte)
Volltextsuche und Handhabung dieser Seite

Der Ort

Eine erste urkundliche Erwähnung von Frauenreuth ist für das Jahr 1130 zu verzeichnen. Damals ist ein Wolftrigil aus „Roto“, Florschütz hält dies mit Frauenreuth identisch, Zeuge einer Berchtesgadener Schenkungsurkunde. Frauenreuth ist aber sicherlich wesentlich älter.  Ein anderer Reuthort, Niklasreuth bei Aßling, ist bereits 778 erstmals erwähnt.  Aber auch ein Tuffplattengrab, das in Frauenreuth gefunden wurde, sagt uns, dass die Siedlung mindestens 300 Jahre vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung schon bestand. Man nimmt an, dass Reuth mit Roden zu tun hat; also mit der Urbarmachung von Wäldern oder einer Wildnis. Der Zusatz „Frauen“ ist aus späterer Zeit. Er dient der Unterscheidung zu anderen Reuthorten. Im Volksmund hat sich aber das „Reit“ bis in unsere Zeit erhalten.
Dass eine Siedlung durch Rodung entsteht, ist gut vorstellbar. In Südamerika ist dies heute noch Praxis. Wer aber hat diese Rodung veranlasst? Die alten Hausnamen und die Grundherrschaften, die in der Regel bis zur Säkularisation von 1803 das Eigentum innehatten, könnten hierfür ein Schlüssel sein. So standen der „Niedermair“ (Rauth), der „Hintermair“ (Weber) und der „Huber“ (Obermüller) jahrhunderte lang im Obereigentum des Klosters Dietramszell. Der „Obermair“ (Wimmer) und der um 1600 aus dem Obermairhof  heraus geteilte „Simer“ (Schwaiger) standen im Obereigentum von Altenburg, bzw. der Kirche von Moosach. Der „Neumair“ (Auer) war  Obereigentum der von Pienzenauer auf Zinnerberg. Der „Schaffler“ (Raehmel-Haberecht) gehörte der Glonner Kirche und der „Mesmer“ (Loher), früher auch Mesmair genannt, und „Rumpl“ (Gartner) der Frauenreuther Kirche.
In Frauenreuth gibt es also, einschließlich   dem „Simer“,  sieben Anwesen, deren Hausnamen auf eine Teilung hinweisen: Ober-, Nieder-, Hinter-, Neu- und Mesmair, sowie den Huber. Die zwei weiteren, Rumpl und Schaffler im Eigentum der Ortskirchen, könnten Schenkungen zum Unterhalt der Kirche sein und so ebenfalls aus einer Teilung resultieren. Diese Tatsachen sprächen dafür, dass die  Besiedlung von Frauenreuth  von einer einzigen Hofstelle, vielleicht einem Maierhof, ausging. Dabei sind weitere Rodungen nicht auszuschließen.
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Frauenreuth vor fast 300 Jahren

Wie schon beschrieben, waren drei   Anwesen im Obereigentum von Dietramszell und zwei gehörten zu Altenburg-Moosach.  Das Kloster Dietramszell wurde um 1098 auf ursprünglich zum Kloster Tegernsee gehörenden Grund und Boden gegründet. Im Urbar des Klosters Tegernsee von 1289 lesen wir, dass es ein „officio Altenburch“ gab. Von Altenburg aus wurden also viele Besitztümer des Klosters Tegernsee in unserer Gegend verwaltet. In diesem Urbar ist zwar Reuth (Frauenreuth) nicht mehr genannt. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass der Frauenreuther Obermairhof  bereits vor 1517 von Tegernsee an  Moosach-Altenburg übergegangen war.  So könnte es auch mit dem Neumairhof gewesen sein, der 1517 schon pienzenauerisch war.  Die Pienzenauer stammen  aus der Miesbacher Gegend. Dass Tegernsee in der Nähe von Frauenreuth noch im Jahre 1801 ein Grundstück hatte, die so genannte „Brunningerwiese“ , sie wurde vom Reiserthaler „zubauweise“ bewirtschaftet, ist nachgewiesen.  Ein Dokument der Tegernseer, eine Steintafel mit einem Seerosenmotiv, können wir heute noch am Eingang der Kreuzer Kirche bewundern. Die Seerose ist heute noch im Wappen von Tegernsee.  Noch 1760 lassen sich im Landgericht Schwaben 103 Anwesen des Klosters Tegernsee nachweisen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Frauenreuth ehemals auf dem Boden des Kloster Tegernsee, das um 760 entstand, befand, ist nicht zu bezweifeln. Vielleicht ist dieses Kloster sogar der Initiator der ersten, oder weiterer Rodungen. Weitere Hinweise: In Kreuz, Münster und Haslach haben wir ebenfalls eine Hofnamenkonstellation, die auf eine ähnliche Situation hinweist.
So wie das Obereigentum der Frauenreuther Anwesen in verschiedenen Händen lag, so verschieden war auch die Zugehörigkeit zur niederen Gerichtsbarkeit. Das Kloster Dietramszell hatte zum Beispiel sein Hofmarksrecht an Jakobneuharting vergeben.  

Alte Wallfahrt und Kirche vor 1707

Von der Kirche in Frauenreuth ist erstmals in einem Freisinger Bestandsverzeichnis von 1315 als „Raeut“, einer Filialkirche der Pfarrei Glonn, mit einer Begräbnisstelle, die Rede. Eine nächste Erwähnung finden wir 1416 mit „Unser Fraun Reut“  in Schwabener Gerichtsunterlagen. So auch ein Jahr später. Der Vorspann „Unser Frauen“ ist  zweifelsohne ein Indiz dafür, dass  1416  Frauenreuth bereits ein Wallfahrtsort war.  1454 lesen wir dann schon von „Frauenreit“.  In den „Kunstdenkmälern Oberbayern“ wird die Frauenreuther Muttergottes als „von hervorragender Schönheit“ bezeichnet, ein für die damalige Zeit eine sicher nicht billige Anschaffung.  Der Künstler ist zwar nicht namentlich bekannt, muss aber zur oberen Klasse seiner Zunft gezählt haben. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass es schon im 15. Jahrhundert eine blühende Wallfahrt gegeben haben muss.  Aber auch die Stiftung eines Frühmeßbeneficiums durch den Dekan und Glonner Pfarrer Mathias Renzelhauser, er war von 1486 – 1513 in Glonn, zeugt von der Wichtigkeit des Ortes. Bei diesem Frühmeßbeneficium dürfte es sich um das Schaffleranwesen gehandelt haben. Da verwundert es nicht, dass schon 1538 namentlich ein Kooperator für Frauenreuth feststeht: Christoph Herrnpucher. Ab 1630 ist sind dann die Kooperatoren bis in unsere Zeit lückenlos nachgewiesen. 1611 wird berichtet, dass vor 1600 der Kooperator in Frauenreuth gewohnt hat, höchstwahrscheinlich im Schaffleranwesen.
In den Unterlagen des 16. Jahrhunderts ist eigentlich nur mehr von Frauenreuth die Rede, oder „Reith bei unser Frauen“. 1611 ist Hans Mayr, Weber von Mattenhofen als Kirchenprobst erwähnt, ein Beleg dafür, dass Mattenhofen zum Kirchensprengel Frauenreuth gehört. Aber auch der in Frauenreuth aufbewahrte Kelch mit den Wappen der Herren von Mattenhofen ist dafür ein Zeugnis.  Dieser Kirchensprengel, zu dem auch Überloh und Hafelsberg gehören, wurde lediglich 1885 verändert, als der Reisenthaler von Egmating nach Glonn und damit nach Frauenreuth umgepfarrt wurde.

Finanzen

Im Vergleich zu den anderen Filialkirchen der Glonner Pfarrei war Frauenreuth die reichste. Schon vor 1554 ist das Frauenreuther Rumplgut (Gartner) zur Kirche grundbar. Zunächst war es ein Lehen, also ein Viertelhof und ab spätestens 1656 ist es nur mehr eine  Sölde, also ein Achtelhof. 1834 waren es immerhin gut 27 Tagwerk Grund die zu diesem zweigeschossigen Anwesen gehörten. Das Nutzungseigentum in Form des Leibrechtes, das heißt jeweils auf Lebenszeit des Nutzers, war bis etwa 1846 in der gleichen Familie.  Dann kam es zum Eigentumswechsel. Die Bewohner des Anwesens, zuletzt schrieb man sich Schmid, waren ausgestorben. Warum die Kirche das Anwesen verkaufte und es nicht wieder an eine neue Familie vergeben hat, kann nicht nachgewiesen werden. Der neue Eigentümer ist der ledige Ignaz Hochreiter. Mittlerweile ist das Obereigentum abgeschafft (Bauernbefreiung) und den Erben des 1846 verstorbenen Hochreiter wird das Anwesen versteigert. Meistbietender ist der Frauenreuther „Schankwirt“ Josef Obermair, der die Grundstücke seinem Hof einverleibt, sicher zum Missfallen der Frauenreuther. Die Kirchenverwaltung erhebt Einspruch, weil man befürchtet, dass das Anwesen ohne Nutzgrund abgerissen werde. Der Einspruch wird von der Regierung abgelehnt. Obermair aber gibt nach, läßt das Wohnhaus stehen und verkauft es 1860 an Sebastian Mayer aus Ebersberg.
Das zweite Frauenreuther Anwesen, das der Kirche gehört, ist das Mesnergut, ein Viertelhof. Dieses Obereigentum besteht schon seit vor 1517. Bis 1848 ist es Kirchengut und dann übernimmt es die Familie Schwarzenberger. Georg Schwarzenberger, Hintermairssohn hat 1690  eingeheiratet. 1827 gehören zum Anwesen 36 Tagwerk Grund. Trotz der Freistift -man hätte vor 1848  jederzeit „abstiften“ (kündigen) können- war die gleiche Familie über  500 Jahre auf dem Anwesen.
Aber auch ein Anwesen in Adling, beim „Dichtl“, ist schon vor 1517 und bis 1848 Frauenreuther Kirchengut. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um den ehemaligen Tegernseer Grundbesitz, der vom „officio Altenburch“ verwaltet wurde. Hierfür spricht auch, dass dieses Anwesen, so ist es dem Saalbuch von 1657 zu entnehmen, nach Tegernsee Abgaben leisten musste. Es ist ein Viertelhof und war leibrechtig. 1866 hatte das Anwesen allerdings nur mehr 6 Tagwerk Grund. Warum 1797 Georg Obermair aus Katzenreuth in dieses Anwesen einheiraten konnte, könnte damit zusammenhängen, weil sein Bruder der „Niedermair“ (Wirt) von Frauenreuth war.
Zum Frauenreuther Kirchengut gehörten auch schon seit vor 1554 zwei Achtelhöfe in Rohrsdorf. 1657 waren Hans Khrällschmied auf Leibrecht und Melchior Weber freistiftsweise die Nutzer. Auch in Rohrsdorf gab es von Altenburg aus verwalteten Tegernseer Grundbesitz. Weitere drei Anwesen der Frauenreuther Kirche sind in Feldolling: Ein Halbhof beim „Hirsch“ oder „Kögl“, schon seit 1575, dann der „Huber“, ein Viertelhof, zur Hälfte steht er im Obereigentum des Klosters Beyharting und schließlich beim „Kellerer“, ebenfalls ein Viertelhof. Zusammenhänge mit Tegernsee sind hier ebenfalls  festzustellen.
Außer dem Grundstücksobereigentum gibt es weitere Anwesen oder Grundstücke, die zu Gunsten der Frauenreuther Kirche zu Leistungen verpflichtet waren. So müssen zum Beispiel die Inhaber des Schlosses Mattenhofen aus einem Tagwerk Wiesmath und einem kleinen „Äckherl“ der Kirche 2 Pfund Wachs liefern. Zu jährlichen Geldzahlungen oder Abgaben, wie Zehent oder Jahrtagsgelder, sind verpflichtet: der  Hintermaier zu Frauenreuth, Sebastian Baur, „Baur“ zu Heimatshofen, Melchior Behamb zu Byberg, Balthasar Reispel zu Haslach, Wolf Mayr von Edt, das Weniggütl und der Bauernschuster zu  Mattenhofen, der Obermair von Haslach, der Rumpl von Hafelsberg und die „Rieplischen“ zu München. Weitere „Kondecimatoren“ waren auch das Kollegiatstift U.L. Frau in München und das Beneficium Altenburg. Besonders ist erwähnt, dass die „Preyschen“, gemeint waren wohl die Zinneberger, „allda nichts“ zu leisten haben. Es gab aber auch Abgaben der Frauenreuther Kirche: An die Glonner Kirche mussten jährlich 12 Gulden „gereicht“ werden.

Die alte Kirche

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Alte Frauenreuther Kirche, Ausschnitt aus dem Votivbild von 1648 des Johann Reisenthaler.

Die Kirche vor 1707 ist auf einem Votivbild von 1684 des Johannes Reiserthaler, er muss aus Loibersdorf gewesen sein, zu sehen. Neuere Untersuchungen (2007) von Hans Sarreiter und dem Verfasser stellen sicher, dass der heutige untere, quadratische Turmteil von der Vorgängerkirche stammt. Auf etwa 14 Meter über dem Kirchenbodenniveau ist eine Öffnung in den Speicher des Langhauses vorhanden. Sie besteht aus zwei gotischen Spitzbögen, die durch eine Säule getrennt sind. Der obere Teil der Säule ist in Richtung Langhaus mit einem Reifengesims verziert, so dass diese Seite eindeutig als Außenseite erkennbar ist. Es handelt sich also um das Schallloch der Vorgängerkirche. Über der Öffnung ist ein 50 Zentimeter hoher Fries zu sehen, der aus sieben Blendarkaden besteht und  rot und gelb ausgemalt ist.  Eingefasst ist der Fries auf jeder Seite mit einer Lisene, die die Ecken des rund vier Meter breiten Turmes kennzeichnen. Möglicherweise war auch auf der Westseite des alten Turmes das gleiche Schallloch mit entsprechenden Verzierungen vorhanden.
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Auf der früheren Turmaußenseite das verzierte Kapitel der Säule und darüber die gotischen Blendarkaden.

Geht man von den Außenmaßen (Seitenlänge rund vier Meter) des alten und jetzigen unteren Turmes aus und setzt diese auf die 1684 gezeigt Kirche um, dann hatte das frühere Kirchenschiff eine Länge von rund 16 Metern und bis zur Spitze des gotischen des Turmes ein Höhe von rund 35 Metern. Zum Vergleich, die heutige Kirche in Kreuz hat eine Gesamtlänge von ebenfalls 16 Metern.
Auch Lehrer Dunkes schreibt 1868, die alte Kirche sei von „gotischer Bauart“ gewesen, wovon  „…noch die zunächst am Thurm verscharrten Überreste der Säulen, von denen eine vor einiger Zeit ausgegraben wurde, Zeugnis gibt“. Diese würde ebenfalls den gleichen Standort der alten Kirche wie der neuen bestätigen, obwohl einer Überlieferung nach die alte  Kirche an einem anderen Platz gestanden haben soll. Aber auch der Friedhof, der schon 1315 bei der Kirche war, spricht dafür, dass der Standort der alten Kirche mit dem der neuen identisch ist. Aus einem Inventarverzeichnis vor 1703 wissen wir, dass die alte Kirche mit drei Glocken ausgestattet war.
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Vom Turm in den Langhausspeicher. Dieser Durchgang mit zwei gotischen Bögen war einst das Schallloch des Turmes der Vorgängerkirche.

Die Tradition der Votivbilder geht auf die Mitte des 15. Jahrhunderts zurück. Das älteste in Frauenreuth vorhandene Bild trägt die Jahreszahl 1681. Aber auch schon vorher war die Frauenreuther Wallfahrt bedeutend.  Deshalb sind ältere Votivbilder zu vermuten, zumal in Glonn das Malerhandwerk schon ein halbes Jahrhundert vorher Bedeutung hatte. Ab 1681  bis zur Grundsteinlegung der neuen Kirche 1702 kommen noch mindestens 13 Votivbilder hinzu. Hierzu passt auch, dass  vom Augsburger Johann-Kaspar Gutwein ein Kupferstich mit der Frauenreuther Madonna gefertigt wurde.  Es ist bezeichnet mit „H wunderbarliche Mutter von Frawenreith“.  Gutwein wurde 1689 durch sein Ecce-homo-Bild berühmt. Die  Frauenreuther Madonna dürfte schon vorher entstanden sein. Der Künstler Gutwein muss in Frauenreuh gewesen sein, woher hätte er sonst das Motiv. Gutweins Sohn Johann-Balthasar, er war ein Schüler seines Vaters wird vom Würzburger Bischof zum Hof- und Universitätskupferstecher berufen. Auch dies ist ein Beweis für Vater Gutweins Bedeutung.
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Der „Gutweinstich“ mit der Frauenreuther Madonna aus der Zeitvon 1689 und dem Mariengebet.

Vergleicht man Votivbilder aus dieser Zeit, so ist die Madonna auf dem Kupferstich der des Johannes Reisertahler von 1684 am ähnlichsten. Das Anfertigen einer Kupferstichvorlage war sicher nicht billig. Dies spricht für die Bedeutung der Frauenreuther Wallfahrt. Teil des  Kupferstiches ist ein  vierstrophiges Gebet. Es ist betitelt mit „Andächtige Seüffzer zu Maria der Wunderthättige Muetter Gottes zu Frauenreith nechst Glonn in allen Nöthen und Anligen“.  Wer hat dieses Gebet gedichtet? Vielleicht stammt es von Melchior Schmalzmair, der von 1641 bis 1644 Kooperator für Frauenreuth und dann von 1644 bis 1664 Pfarrer und Dekan in Glonn war.
Aus der Baugeschichte der Kirche können wir für 1676 feststellen, dass das Gotteshaus baufällig gewesen sei und eine Mauer eingefallen wäre, hätte man es nicht für 46 Gulden repariert. Es ist anzunehmen, dass  die Kirche eine Holzdecke hatte. Ein Gewölbe hätte diesen Mauerschaden wahrscheinlich nicht überlebt. Das Erdbeben vom 4.12.1690, das die Grafinger Kirche beschädigte, dürfte an der Frauenreuther auch nicht spurlos vorüber gegangen sein. 

Die neue Kirche

Die Zeit

Der Dreißigjährige Krieg hatte auch vor dem damaligen Bayern nicht Halt gemacht.  1632 waren auch in unserer Gegend Kampfhandlungen mit den Schweden. So die Schlacht am Glonner Kugelfeld. In diesem Jahr sind in der Pfarrei ungefähr 70 Personen verstorben. Hinzu kam die Pest in den Jahren 1634 – 1636.  1646 gab es eine große Flucht nach Glonn, denn die Schweden und Franzosen kamen abermals nach Bayern. Pfarrer Melchior Schmalzmair berichtet uns darüber. Durch beide  Ereignisse wurde nicht nur die Bevölkerung stark vermindert, sondern auch die Sachschäden waren immens. Und wenn wir im Steuerbuch von 1671 des Öfteren lesen „hat Brandstadt übernommen“, so mag das den verzögerten Wiederaufbau kennzeichnen. Die Folgen von Krieg und Pest sind am Ende des Jahrhunderts noch nicht überwunden, da braut sich schon wieder neues Unheil zusammen: der Spanische Erbfolgekrieg.  1703 fallen in Tirol sieben Männer aus der Pfarrei. Der Krieg spielt sich auch in der Heimat ab. Ein Eintrag ins Taufbuch mag dies verdeutlichen. Die 1684 geborene Mesnerstochter von Frauenreuth gebar 1706 illegitim ihre Tochter Maria. Den Kindsvater beschreibt der Glonner  Pfarrer als „violenter Oppresta deflarata Miles incognito“, was soviel bedeutet wie gewaltsamer Unterdrücker, niederbrennender Soldat, unbekannt. Eine Vergewaltigung also. In der Niedermairchronik ist zu lesen: „Der Spanische Erbfolgekrieg brachte viel Leid in unsere Gegend. Das ganze Land wurde von den Österreichern besetzt und drangsaliert. Bei Nacht holten die Österreicher und die bayerische Beamten die militärpflichtigen Söhne aus den Betten und zwangen sie zum Soldatendienst“. Hinzu kamen Raub, Mord und Quartierlasten der Besatzer. Es muss schon schlimm gewesen sein, wenn gesagt wurde „lieber bayerisch sterben, als österreichisch verderben“. In einer solchen Zeit wurde in Frauenreuth eine neue Kirche gebaut, oder gerade deswegen.

Planung und Bau

Wie wir schon festgestellt haben, war die Frauenreuther Kirche nicht arm, jedenfalls reicher als die übrigen Glonner Filialen. Hinzu kam sicher die eine oder andere Spende aus der Wallfahrt. Dann die Bauern des Kirchensprengels. Ihre Anwesen waren im Durchschnitt größer als zum Beispiel die von Schlacht oder Adling. Ob sich die Herren von Mattenhofen oder Zinneberg bei der Finanzierung des neuen Gotteshauses besonders hervorgetan haben, ist nicht festzustellen. Und trotzdem dürfte der Neubau die finanziellen Möglichkeiten der Filiale weit übertroffen haben. Wie so oft in dieser Zeit, plante und baute man nach dem Prinzip „Gottvertrauen“.
Ab 1691 wurde ein Neubau aktiv betrieben. Der Pfarrer von Glonn, Wolfgang Gebhart und der Pflegverwalter des Landgerichtes Schwaben, Sebastian Maiser waren hier die handelnden Personen. Und wie es in den Unterlagen heißt, lagen jahrelang Grundrisse und Überschläge vor. Als Planer dürfte von Anfang an Thomas Mayr, der Baumeister aus Grafing, festgestanden sein. Ein starkes Argument für den Neubau war sicher auch ein Liste von 1691  mit der „Anfiehrung etlich großer Gnad und Wunder“, die sich allein im Verlauf der letzten 10 Jahren ereignet hatten. Ebenfalls wurde auf den wachsenden Zulauf des „schon in schwedischen Feindszeiten“ wundertätigen Gnadenbildes hingewiesen. Hier sei auf die Schlacht am Kugelfeld am 25. Mai 1632 erinnert. Unter anderem seien auch Tode in Frauenreuth begraben worden. Weiter wurde vermerkt, die Kirche sei viel zu klein. Bei Gottesdiensten müssten die Gläubigen auch auf dem Kirchhof stehen.

Das größte Problem war sicher die Finanzierung. Der vom Pflegverwalter aufgestellte Finanzierungsplan ergab Gesamtkosten von 3924 Gulden. 915 Gulden konnte man aus „ohne Entgelt, vorhanden ….“ abziehen. Dieses Eigenkapital bestand vermutlich aus Rücklagen, aber auch aus Hand- und Spanndiensten und ganz sicher aus dem Bestand der alten Kirche, in erster Linie Baumaterialien. Wie es in den Unterlagen heißt, sollten auch die Kirchen des Gerichtes (Landgericht Schwaben) zur Finanzierung herangezogen werden. Dies war damals eine übliche Finanzierungsform, denken wir an den Bau der Glonner Kirche. Der Plan war aus dem Jahre 1699. Es dauerte aber noch drei Jahre bis am 6. März 1702 die bischöfliche Genehmigung erteilt wurde.
In der Niedermairchronik heißt es: „Nachdem sie abgebrochen war, soll ein Kaufmann, der ein Kauffahrtschiff auf dem Meere besaß, im Falle einer glücklichen Zurückkunft von einer Seereise den Bau der Kirche in Frauenreuth gelobt haben“. Niedermair bezieht sich dabei  auf das Pfarrarchiv Glonn. Eine konkrete Stelle hierzu konnte bislang noch nicht gefunden werden. Sie wird es wahrscheinlich auch nicht geben. Sonst hätte Niedermair nicht  von „soll“ geschrieben und sicher den Namen des Stifters genannt. Sein Hinweis  wird sich wohl auf eine spätere Erwähnung, wahrscheinlich die eines Pfarrers, beziehen, der den Tatbestand aus einer mündlichen  Überlieferung heraus aufzeichnete. Dieses Gelöbnis dürfte zur Einlösung gekommen sein, weil eine Finanzhilfe durch die Kirchen des Gerichts nicht nachzuweisen ist.  Wer war also der Stifter?
Abbruch und Baubeginn dürfte noch 1702 gewesen sein. Den Grundstein hatte der in Anzing ansässige Kurfürstliche Rat Anton-Benno Höger gelegt. Pfarrer Gebhart hatte im Schreiben vom 10.11.1701 an Bischof von Eckher darum gebeten und darin Höger einen „sonderbaren (besonders herausragend) Patron und Guethetter dises Gottshaus“ genannt. Der Bischof genehmigte dies. Die Högers hatten  1652 Schloss und Herrschaft in Anzing gekauft. Anton-Benno ist am Lichtmeßtag 1667 als Sohn des Kaufmanns Franz-Benedikt und seiner Frau Anna-Maria geboren. Im gleichen Jahr werden die Högers geadelt.  Die Högers sind Eigentümer von zwei Häusern am heutigen Münchner Marienplatz gewesen, waren also eine begüterte  Familie.  Auch Anton-Benno wird „Mercator“, also Kaufmann, genannt.  1692 stiftet er die Högerkapelle in Anzing, wo er auch beigesetzt ist.  Alle diese Fakten lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass Anton-Benno Höger besagter Kaufmann ist, der den Bau der Frauenreuther Kirche gelobt hat. Stifter ließen sich in dieser Zeit auch immer wieder „verewigen“. Höchstwahrscheinlich  ist das Wappen am unteren Teil des Frauenreuther Deckengemäldes ein Hinweis auf den Stifter. Einzelne der dort verwendeten heraldischen Motive finden wir auch auf den  Anzinger Högerwappen, wie sie auf den Stichen von Wening vorkommen. Dass ein Georg Höger, wahrscheinlich ein Neffe des Stifters, von 1710 bis 1712 Kooperator in Frauenreuth war, dürfte kein Zufall sein.
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Wappen auf dem unterem teil des Deckengemäldes, das höchstwahrscheinlich auf die höger von anzing un derer von Schönbichl hinweist. Von dort stammte die frau von Benno Höger.

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Das Deckengemälde Maria-Himmelfahrt, höchstwahrscheinlich vom maler Antoni Vicelli

Der Baumeister war aus Grafing.  Hier kann es sich nur um Thomas Mayr handeln. Das „Baumeister aus Grafing“ und sein bisherigen Werke lassen eigentlich keinen anderen Schluss zu. Namentlich wird er allerdings nicht genannt. Schon Mayrs Großvater war Maurermeister in Grafing, ebenso sein Vater. Dieser baute 1672/73 die Grafinger Dreifaltigkeitskirche.  Er  verstirb bereits 1675, hinterlässt nicht nur Schulden, sondern auch 15 unmündige Kinder. Thomas, der Älteste der Söhne tritt das Erbe an und muss bereits im Alter von 18 Jahren heiraten. Die Braut ist eine  29-jährige Maurermeisterstochter aus Grafing. Nach dem Tod der Frau folgt 1691 die zweite Ehe und 1693 die dritte.  Diesmal ist es eine 17-jährige. Sie schenkt ihm 15 Kinder, die zu den sieben aus den ersten beiden Ehen hinzukommen.  Thomas Mayr ist der Baumeister seiner Zeit: Viele Kirchen, aber auch profane Bauten zeugen von seinem Können. 1733 verstirbt er.  Sohn Josef und dann  Enkel Jakob übernehmen das Geschäft. Die Witwe des Letzteren heiratet Michael Heinzlmayr, der 1823 die Glonner Pfarrkirche fertig gestellt.
Über dem Chorbogen stand bis zur Restaurierung 1872 die Jahresangabe „1703″. Diese Jahreszahl ist als Fertigstellungsdatum, allein von der Bauzeit her, sie könnte ja nur ein gutes Jahr betragen haben, unwahrscheinlich. Es ist daher anzunehmen, dass  ab diesem Jahr wieder notdürftig Gottesdienst gefeiert werden konnte. Überdies ist das Einweihungsjahr mit 1707 festgestellt.  Außer dem Maurermeister sind noch weitere Bauhandwerker bekannt: Der Zimmermeister war aus Schwaben und der Schlosser aus Grafing. Solche Handwerker, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Kompetenz, gab es in Glonn damals noch nicht.

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„Miesbacher stuck“ in der Kirche
Zur Innenausstattung: Mittelpunkt ist natürlich nach wie vor die um 1500 geschaffene Muttergottes, eine aus der „Zeit der schönen Madonnen“. Auf dem Votivbild von 1828 wird sie noch in Kleidern gezeigt, vielleicht gilt dies sogar bis zur Renovierung von 1872. Wie schon auf dem Gutweinstich vom ausgehenden 17. Jahrhundert hält sie sitzend das aufgeschlagene Buch in ihrer Linken, als wollte sie uns auf die Heilige Schrift hinweisen. Ihr Blick aber ist auf das mit ihrem rechten Arm gehaltene, Kind gerichtet das anscheinend mit der  Weltkugel spielt, als wollte sie sagen: Lass die „Welt“ nicht fallen. Dies alles ist  nur Deutung. Von Bedeutung ist, dass Generation um Generation von der Frauenreuther Muttergottes Hilfe erbeten und wohl auch erhalten haben.
Den Hochaltar hat der Kistler (Schreiner) von Schwaben gebaut, er entspricht im Wesentlichen dem von heute. Als neuer Schmuck waren nur die zwei Engel im oberen Teil des Altares vorgesehen, so wie wir sie heute noch kennen. Die Figuren beiderseits der Gottesmutter, Josef und Joachim, ihr Verlobter und ihr Vater, sind ihr wohl in der alten Kirche schon zur Seite gestanden.
Der alte Hochaltar wurde zu einem Seitenaltar umfunktioniert, der zweite zwangsläufig nachgemacht. Die beiden Gemälde, links der Heilige Stephanus und rechts die Heilige Familie mit den Eltern Marias, Joachim und Anna (1709), sind Werke des Münchner Hofmalers Joseph Anton Harrath.
Außer den Seitenaltarbildern sind andere Werke wahrscheinlich von „alhiesigem“ Maler Antoni Vicelli gefertig. Vicelli war in Tirol gebürtig. Mit dem „alhiesig“ war weder Frauenreuth noch Glonn gemeint.  Das Angebot Vicellis geht von 507 Gulden aus und umfasst die Marmorierung des Hochaltars und der Seitenaltäre, die neue Fassung der Seitenfiguren (wahrscheinlich sind die an den Hoch- und Seitenaltären gemeint), sowie die Bemalung der Kanzel. Außerdem war vorgesehen, anstatt des „Gibswerchs“ die Kirche „auszutuschen“. Stuck war also zum Zeitpunkt des „Überschlags“, wahrscheinlich 1699, nicht mehr vorgesehen. Das „Gibswerch“, also der Stuck, war sicherer teurer als das bloße „austuschen“. Es ist anzunehmen, dass hier der Stifter nach dem Motto „wer zahlt schafft an“ seine Vorstellungen mit eingebracht hat. So wie bei vielen Landkirchen dieser Zeit wurden Decken und Wände mit „Miesbacher Stuck“ verziert. Für die Pfarrkirche in Kleinhelfendorf ist es belegt und für die Frauenreuther geht man in den „Kunstdenkmäler von Oberbayern“ ebenfalls davon aus.
Das ovale Deckengemälde mit der Darstellung der Himmelfahrt Marien ist auf Leinen gemalt. Der Künstler ist nicht bekannt. Es könnte von Vicelli sein. Die zwölf Apostelfiguren, die heute im Altarraum aufgestellt sind,  sollen aus der Zeit um 1700 sein, wahrscheinlich noch aus der alten Kirche. Von den 15 Bildern an der Emporenbrüstung ist nichts vermerkt.  Diese Gemälde stellen die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes dar. Frau Dr. Böhm schreibt, hier handle es sich um einfache handwerkliche Arbeiten. Vielleicht handelt es sich beim Maler um den aus Schrobenhausen stammenden Elias Herlemann, der 1681 die Tochter des Glonner Malers Balthasar Schmied geheiratet hat. Die Schmieds waren mindestens über drei Generationen als Maler in Glonn ansässig. In der Frauenreuther Kirche hat lediglich ein Votivbild von 1683 mit Herleman zu tun. Hier hat sich die Frau des Malers „Maria Herlemannin, Mallerin zu Glon wegen der Khue“ nach Frauenreuth verlobt. Dieses Werk ist sehr naiv gemalt und stammt wahrscheinlich aus der Hand eines Lehrbuben.

Die Einweihung der Kirche findet am 18. Juni 1707 durch Fürstbischof Johann Franz Eckher statt. Nachdem ein Seitenaltarblatt mit 1709 datiert ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Innenausstattung noch nicht komplett war. Wenn damals ein Bischof aus Freising auf eine so weite  Dienstreise ging,  dann sicher nicht nur wegen eines einzigen Anlasses. Und so ist aktenkundig, dass zugleich Firmung war und das auch für Höhenrainer Kinder. Jedenfalls steht es so in der Höhnrainer Kirchenrechnung: „Zu Frauen Reuth alwo gefürmt worden, dem die was geführt und darbey gewest, also Rieder, Bachmayr, Khürchenprobst und khnecht  Pir und Brothe 20 X“. Das heißt dass die Firmlinge vom Rieder und Bachmayr begleitet wurden und dafür Bier und Brot in Rechnung stellten. Ob dieser Auslagenersatz die Bewirtung der Firmlinge einschloss, ist nicht bekannt. Sicher hatte der Bischof bei dieser Reise noch weitere Termine zu erledigen. So weihte er am gleichen Tag die  Höhenrainer „große Turmglogge“, die dafür eigens nach Münster gebracht werden musste.
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Ausschnitt aus der Höhenrainer Kirchenrechnung mit dem Hinweis auf die Firmung in Frauenreuth am 18.6.1707.

Gerichtsmühle

In der Frauenreuther Kirche treffen wir auf eine Rarität: Nur an vier Orten Altbayerns, nämlich in Rieden am Ammersee, in Frauenneuharting, in Zorneding und eben in Frauenreuth sind so genannte Gerichtsmühlen bekannt. In Frauenreuth handelt es sich um ein Gemälde in der Größe von 198 auf 160 cm, das  in vier Sektoren unterteilt ist. Es ist auf der Nordseite der Kirche, unterhalb der Empore zu finden. Vor der letzten großen Innenrenovierung war es hinter dem Hochaltar platziert.
Laut Karl von Spieß basieren die Gerichtsmühlendarstellungen letztlich auf dem Jedermann-Thema. Das Mühlenrad wird gestalterisch als Lebens- oder Schicksalsrad gedeutet. Christus ist der Müller, der die von den Sündern herangetragenen Säcke auf das Mühlrad schüttet. Die Gottesmutter Maria und der Erzengel Michael sehen dabei zu. Aber auch der Satan ist mit von der Partie. Verschiedene Verse erläutern das Geschehen und weisen auf die Folgen eines sündhaften Lebens hin, wie zum Beispiel: „Die nit geglaubt an Gottes Wordt, die bekommen in der Höll ihr Ohrt.“  Auf dem linken Bildteil ist das Bußsakrament und auf dem rechten die Versinnbildlichung der Liebe zu Gott das Thema. Über allen drei Gemälden spannt sich bogenartig das Jüngste Gericht.

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Die „Gerichtsmühle in der Frauenreuther Kirche.

Während die Frauenneuhartinger Darstellung auf 1708 datiert werden kann, kann die Entstehung der Frauenreuther Darstellung nur geschätzt werden. Ältere Aussagen gehen von der Mitte des 17. Jahrhunderts aus. Diese Aussage basiert auf dem Architekturrahmen der Schicksalsmühle und auf den Trachten der Akteure. Neuerdings stuft man die Entstehung ins frühe 18. Jahrhundert ein, also in die Bauzeit der jetzigen Kirche.
Für Frauenneuharting kann als Maler Michael Deli, der Jüngere, aus Miesbach gelten. Nachdem zumindest das Frauenreuther Mittelthema mit dem Frauenneuhartinger eine Ähnlichkeit hat, könnte auch dieser Künstler aus der Deli-Familie kommen. Die Austattung der Frauenreuther Kirche mit „Miesbacher-Stuck“, könnte hier ebenfalls ein Indiz sein.
Wie es heißt, hat die Frauenreuther Gerichtmühle  allerdings unter der Renovierung von 1839 an künstlerischer Bedeutung verloren. Die Inschrift „Hatt Rennefirren lassen im Jarre 1839 Jochan Steinecker“ sagt uns wer für die Renovierung gesorgt hat. Wer das Werk ursprünglich gestiftet, oder in Auftrag gegeben hat, ist nicht feststellbar. Vom Thema her wäre die Glonner Armenseelenbruderschaft, die es schon um 1440 gab, gut möglich.

Der Turm

Niedermair vermerkt, dass der Turm 1723 angebaut wurde. Betrachtet man eine Vorivtafel von 1723 (Spender unbekannt), kann man einen so genannten „Dachreiter“, also einen auf dem First aufgesetzten Turm erkennen. Man könnte glauben, dies sei der Dachreiter der zusammen mit der Kirche ab 1702 gebaut wurde. Vielleicht leitet Niedermair sogar seine Zeitangabe von dieser Votivtafel ab. Ein solcher Dachreiter ist aber auch schon auf einer Votivtafel von 1685 (Spender Georg Obermair, Egmating) zu sehen, damals hatte die Kirche aber (Votivbild des Reisenthaler) einen angemauerten Spitzturm. Ebenso sieht man einen Dachreiter auf einem Votivbild (Spender unbekannt) von 1779. Bei allen drei Bildern (1685,1723 und 1779) entspricht die Madonna nicht der „Frauenreutherin“.  Anstatt eines Buches trägt sie mit dem linken ausgestreckten Arm ein Zepter. Dies drei Bilder sind also nicht mit  Frauenreuther Motiven ausgestattet. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, wurde nicht der Turm an die Kirche angebaut, sondern die Kirche an den bestehenden unteren Turmteil. Aus der Zeit um 1723 stammt nur der achteckige obere Turmteil mit der Zwiebelkuppel.
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Votivbilder von 1685, 1723 und 1779 höchstwahrscheinlich jeweils mit der Kreuzer Muttergottes und der Kreuzer Kirche.

Auch Kreuz war eine Wallfahrtskirche. Die Kreuzer Madonna hat einen linken ausgestreckten Arm, der in einer Aufnahme von ca 1955 noch ein Zepter trägt. Das Kind trägt sie auf dem rechten Arm. Diese Darstellung entspricht also weitgehend der, wie sie auf den drei Votivbildern in der Frauenreuther Kirche zu sehen sind. Der Turm der Kreuzer Kirche wurde 1793 angebaut, weil der „alte ganz von Holz gemachte Thurm …. verfault und nicht mehr zu bessern… „ war. Beim alten handelte es sich um einen auf dem Dach aufgesetzten Turm, der, so ist es auch auf den Votivbildern zu sehen, wesentlich größer war, als wir sie  in Georgenberg und Schlacht auch heute noch vorfinden.  Diese drei Bilder sind also höchstwahrscheinlich Kreuz zuzuordnen. Wie sie nach Frauenreuth kamen, ist nicht bekannt. Ob weitere neun Votivbilder, alle anstatt des Buches in der linken Hand ein Zepter haltend, wirklich  nach Frauenreuth gehören, ist nicht nachgewiesen. Es könnte aber  auch sein, dass man der Muttergottes als Attribut sporadisch immer wieder ein Zepter beigab.

Das 18. und 19. Jahrhundert.

Es ist anzunehmen, dass Wallfahrtskirche und Muttergottes von Frauenreuth nach der Fertigstellung ein besonderer Anziehungspunkt waren. Dazu haben sicher auch die Leiden die der Spanische-, aber auch der Österreichische Erbfolgekrieg über das Land gebracht haben, beigetragen. Die noch vorhandenen Votivtafeln, die letzte trägt die Jahreszahl 1828, sind ein Querschnitt für alles Mögliche, wofür die Gläubigen Dank sagten. Ob 1708 die Klingerin, die in Kindsnöten war, 1720 der Steinmüller Servatius Wäsler, er dankt weil seine 22  „Frischlinge“ durchgekommen sind, 1728 Wolfgang Wieser von Spielberg wegen seines kranken Pferdes, 1766 Maria-Antonia-Barbara Molidorin, die von bösen Geistern geheilt wurde, 1777 Adam Dötsch, Bäck von Glonn, weil sein 22-jähriger Sohn wieder gesund wurde, 1779 der Glonner Wiesmüller Corbinian Wäsler, weil ihn eine starke Ohnmacht „iberfallen“,  im gleichen Jahr der „Simmä“ von Frauenreuth, er konnte sein Kinder aus dem brennenden Haus retten, und schließlich die ganze „Pfarr Glon um Abwendung des Viehfalles im Jahre 1790″. Einige Votivtafeln tragen nur Initialen und sind so namentlich nicht zuzuordnen. Wie Dunkes um 1868 vermerkt, wurde eine Menge von Votivtafeln in der oberen Sakristei verlagert. Wahrscheinlich konnten in der Kirche nicht alle untergebracht werden.
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Votivbild um 1720 des Sevatius Wäsler, Steinmüller aus dem Mühlthal.
Er dankte, will seine 22 „Frischlinge“ (Jungschweine) durchgekommen sind.

Die von Montgelas ab dem  Jahr 1803 initierte Säkularisation sollte „entbehrliche“ Filialkirchen dem Erdboden gleich machen. Die Kirchen in Dobelberg und Steinhausen mussten abgebrochen werden.  Die Bewohner von Kreuz, Georgenberg, Adling und Haslach konnten ihre Kirche retten, indem sie sie  ablösten. Ein Säkularisationsvorgang für die Frauenreuther Kirche kann nicht nachgewiesen werden. Scheinbar bewahrte das Vorhandensein eines Friedhofes die Kirche vor der „Entbehrlichkeit“.  Hinzu kommt, dass wegen der Wallfahrt nicht nur ein Kirchensprengel allein Widerstand geleistet hätte.
Mögen sich die Wallfahrten, ob einzeln oder in Gruppen, auf das ganze Jahr verteilt haben, Hochfest des Frauenreuther Kirchenjahres war, und das bis in unsere Tage, der „Frauentag“, also Maria-Himmelfahrt am 15. August.  In der Niedermairchronik können wir nachlesen, dass noch um 1860  am „Frautag“ 10 Gottesdienste gefeiert wurden und um die 1500 Personen die Sakramente empfingen. Niedermair konnte 1909 noch Zeitzeugen befragen. An diesem Tag fand auch die Frauenreuther „Dult“ mit rund einem Dutzend Kramerständen statt. Der Wirt in Frauenreuth, den es schon seit zu Beginn des Jahrhunderts gibt, kann die Gäste allein nicht bewirten. So berichtet Niedermair, dass auch der Wirt aus Glonn und der Wirt aus Höhenrain Bier ausschenkten. Warum auch der Wirt aus Höhenrain?  Die frühere Grenze der Hofmark Höhenrain ging bis „an des Wirts Stadel“ in Frauenreuth. Hier begann das Recht der Höhenrainer. Das Schankrecht des Höhenrainer Wirtes war wohl dann Gewohnheitsrecht und hat die Auflösung der Hofmark überdauert. Wenn Dunkes 1868 schreibt, dass Frauenreuth früher eine berühmte Wallfahrt gewesen sei, so macht das deutlich, dass 1868 der Höhepunkt des Wallfahrtswesens schon überschritten war. Auch bei Niedermair können wir lesen, dass unter Pfarrer Pröbstl, er war von 1864 bis 1869 in Glonn, die Zahl der Besucher am Frauentag abnahm.  Grund hierfür war, dass  nicht mehr genug Aushilfen für den Beichtstuhl bestellt wurden. Die Frauenreuther protestierten, aber es half nichts. Damit war die Blütezeit der Frauenreuther Wallfahrt vorüber.
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Kirchweihgesellschaft in Frauenreuth um 1890

Neben dem „Frautag“, der ja auch Patroziniumstag der Kirche ist, wurde auch der Kirchweihtag gefeiert. In Frauenreuth war dies der erste Sonntag nach Maria-Geburt (8.9.). Der zutreffende Kirchweihtag hätte allerdings um den 18. Juni (1707) sein müssen.  Wahrscheinlich wurde hier noch nach dem  Weihetag der Vorgängerkirche gefeiert. Laut  den Aufzeichnungen der Glonner Musikkapelle Diemer (ab 1851) war diese beim Frauenreuther Kirta immer im Einsatz. Mit der individuellen Feier des Weihetages gab es  in der näheren und weiteren Umgebung natürlich immer etwas zu feiern. Kirchweih war eben etwas Besonderes. Es hieß: „A richtiga Kirta dauert bis zum Irta, kunnt sie a schicka bis zum Micka“ (Irta= Dienstag, Migga = Mittwoch).  Dieses häufige Feiern passte nicht immer in den bäuerlichen Alltag, zumal eine Kirchweih auch in die Erntezeit fallen konnte, wie zum Beispiel in Frauenreuth.  Überdies wirken sich dieses häufige Feiern auf das Sparverhalten der Dienstboten aus. Und so wurde 1867 oberhirtlicherseits der „Allerweltskirta“, ein einheitlicher Weihetag, dies ist bis heute der dritte Oktobersonntag, verordnet.
Liest man die Kassenaufzeichnungen der Frauenreuther Kirchenstiftung ab 1839, ist festzustellen, dass die Kirche nicht arm war. So zahlte die Glonner Kirche ihr Darlehen über 60 Gulden aus dem Jahre 1822 zurück. Hinzu kommen Zinseinnahmen von anderen Schuldnern. An den „Bachmaurer“ von Glonn konnte ein neues Darlehen über 100 Gulden ausgeliehen werden. Neben verschiedenen laufenden Ausgaben für alles Mögliche ist auch das Gehalt an Lehrer Dunkes für 1841/42 mit 5 Gulden und 29 Kreuzern festgehalten. Hinzu kommen für Dunkes zweimal „Ganggeld“ zum Landgericht nach Ebersberg, wofür er jeweils 40 Kreuzer erhält. Aber auch der Kirchenpfleger Marinus Oswald, „Baur“ von Mattenhofen, bekommt für den gleichen Gang diesen Betrag. 1855 erhält der „Hansschuster“ von Glonn, Mathias Pichler, der Großvater von Lena Christ, ein Darlehen von 100 Gulden.  Beim Verkauf des Anwesens im Jahre 1894 bestand es noch.
1857 erhielt die Kirche durch Vermächtnis des früher in Glonn wohnenden Baders Georg Mayr 2000 fl. für 52 Wochenmessen. Das Kapital ist als „Ewiggeld“ (Darlehen) bei dem Wirte Anton Götzendorfer in der Sendlingerstrasse in München „aufgelegt“. Aber auch der „Koller“ von Mattenhofen, Michael Bauer stiftet immer wieder für die Kirche. Die Kassenaufzeichnungen des Jahres 1863/64 geben ebenfalls wieder einen guten Einblick, was damals alles üblich war. Lehrer Dunkes ist jetzt mit 10 Gulden 53 Kreuzern entlohnt. Für die Ministranten sind ein Gulden und 44 Kreuzer ausbezahlt worden und für das Schießen an „Antlaß“ gab es zwei Gulden. Interessant ist auch, dass die Kirche „für Musikanten beim Niedermair“, das war der Wirt, zwei Gulden und 18 Kreuzer ausgegeben hat. Größte Ausgabe war allerdings die Auszahlung eines Darlehens an den Bäcker Georg Obermair. Es handelt sich um den „Neubäck“ (heute Gürteler), der damals das Gerichtsdieneranwesen in Glonn erwarb und eine Bäckerei eröffnete.
Über eine Umgestaltung der Kirche ist seit ihrem Bau nichts vermerkt. Vor der Restaurierung des Jahres 1872 dürfte sich die Kirche also weitgehend im Zustand von 1707 befunden haben. Ob es 1872 einen bautechnischen oder liturgischen Anlass gab, eine grundlegende Neugestaltung des Innenraumes vorzunehmen, oder ob es die „Nazarenisierungswelle“ war, die das Land überzog, wurde nicht festgestellt. Wahrscheinlich das Letztere.  Jedenfalls wurden damals landauf, landab viele Kunstwerke aus den vorangegangenen Stilepochen verkauft  oder gar vernichtet. In  Frauenreuth war das anders. Man stellte einfach die alte Einrichtung auf den Dachboden. Gott sei Dank!

Wie auch Kastner, schreibt wurde die Frauenreuther Kirche im Nazarenerstil umgestaltet. Die Muttergottes und die beiden Assistenzfiguren Josef und Jochim wurden in den neuen Altar übernommen. Das „Oratorium“ das von der oberen Sakristei aus zugänglich war, stammt wahrscheinlich aus der Bauzeit. Was von den alten Seitenaltären übernommen wurde ist nicht sicher. Jedenfalls wurden die 1709 geschaffenen Altarblätter von Harrath, der Heilige Stephanus und die Heilige Familie, durch einen neuen Stephanus und  Bonifatius durch den Maler Osendorfer aus Aibling im Nazarenerstil ersetzt. Dies galt auch für den Kreuzweg. Die gesamte Restauration hat rund 11000 Gulden gekostet; mit knapp 6600 war kalkuliert worden. 7000 Gulden wurden durch Spenden aufgebracht. Der Rest stammte aus Kirchenmitteln. Niedermair stellt fest:  „Durch die unermüdlichen Bemühungen des damaligen Kooperators Fing konnte das Werk zur Ausführung gebracht werden“. Fing, der in der  Schweiz gebürtig war und 1877 zum Ehrenbürger von Glonn ernannt wurde, war von 1868 bis 1877 hier.
Der Innenrenovierung folgt 1880 ein neues Turmdach, das der Glonner Zimmermeister Johann-B. Beham errichtete. 1896 wurde im Eingangsbereich der Kirche eine Lourdesgrotte eingebaut und 1898 eine Armenseelenkapelle eingerichtet. Der Nordeingang in die Kirche wurde wahrscheinlich bei der Renovierung 1872 geschlossen, denn vor 1962 waren dort Kirchenstühle aufgestellt.
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Kirche von innen nach der Restauration von 1872

Ins 20. Jahrhundert

Die Frauenreuther Kirche hat wahrscheinlich schon seit dem Neubau ein Orgel. Die schon damals eingebaute Orgelempore lässt diesen Schluss zu. Sie muss vier Register gehabt haben, denn 1868 ist vermerkt, dass sie gegen die alte Glonner Orgel, es hat sich um die aus dem Jahre 1795 stammende Merz-Orgel gehandelt, ausgetauscht wurde. Der Preis war  5 Gulden. Der Orgelbauer Müller aus Tuntenhausen hat sie für 300 Gulden repariert und umgebaut. Die jetzige Orgel stammt aus dem Jahre 1920 und wurde von  Steinmeyer in Öttingen  für 6000 Mark gebaut.
Niedermair schreibt noch 1909, dass es eine kleine Glocke ohne Inschrift gebe. Wo sie verblieben ist, ist nicht bekannt. Für eine weitere Glocke stellt Niedermair fest, dass sie ca 300 Kilogramm wiege und dass die Inschrift nicht lesbar sei. Mittlerweile weis man, dass sie aus der Zeit vor 1400 stammt und damit die älteste Glocke der Pfarrgemeinde ist. Sie ist heute noch als „Sterbeglocke“ auf dem Turm. Für 1791 ist festgestellt, dass von Karl Mayr eine 400 Kilo Glocke gegossen wurde. Hinzu kommt die „Große“ mit 530 Kilo. Sie wurde von Ulrich Kortler in München für 1500 Mark gegossen und 1903 von den Reiserthalertöchtern gestiftet. Für 1909 sind also vier Glocken nachgewiesen. Die von 1791 und die  von  1903 mussten 1917 zu Kriegszwecken gegen Kriegsanleihen abgeliefert werden.  1922 wurde mit einer  560 kg- und einer  240 kg-Glocke von der Glockengießerei Oberascher in Reichenhall der Dreiklang wieder hergestellt. Nicht lange: 1942 wurden diese zu Kriegszwecken vom Turm geholt. 1949 wurde das Geläut wieder mit zwei Glocken ergänzt. Die von vor 1400 ist heute die Kleinste.
Seit 1871 trägt der Turm eine Uhr. 1904 und 1978 wurde sie ersetzt. Seither sind Uhr und Läutwerk mit elektrischem Antrieb.
Die Bevölkerung des Kirchensprengels erhöhte sich von 1820 auf 1884 um gut ein Drittel auf 195. Die neuen Bewirtschaftungsmethoden – so wurde die Brache  jetzt mit Blattfrüchten (z.B. Klee) bebaut- aber auch die Bauernbefreiung von 1848 – ab jetzt bestand für die Bauern echtes Eigentum- steigerten nicht nur die Erträge, sondern auch die Nahrungs- und Einkommensgrundlage. Die Bevölkerung wuchs,  natürlich auch die Zahl der Kirchenbesucher. Der sonntägliche Kirchgang war mehr oder weniger Pflicht. Nachdem aber in Frauenreuth an Sonntagen in der Regel nur ein Gottesdienst angeboten wurde, wären die Anwesen unbewacht gewesen. Und so musste ein so genannter „Kirchenwachter“, der zum Zeichen seines Amtes, aber auch als Waffe,  mit einem Stab, der eine metallene Spitze hatte, ausgestattet war, während des Gottesdienstes den Ort  bewachen. Der „Diensthabende“ musste nach der Kirche den Stab bei dem abliefern, der als nächster dran war. Hier gab es eine feste Reihenfolge. Die Statistik sagt aus, dass sich die Einwohnerzahl bis 1905 auf 206 erhöht hat. Diese Zahl hielt sich, mit Ausnahme der Zeit des Ersten Weltkrieges,  mindestens bis 1925.
Für 1928 ist „eine teilweise Innenrestauration“ vermerkt. Ihr heutiges Innenaussehen verdankt die Kirche der letzten großen Renovierung von 1962. Eingeleitet wurde diese schon zur Zeit von GR Pfarrer Boxhorn, also vor 1956. Damals ließ Professor Lebsche das Stephanusgemälde restaurieren. Wann es, zusammen mit dem Bild der heiligen Familie, an die Wand montiert  und die Seitenaltäre von 1872 abgebaut wurden, ist nicht mehr genau bekannt. Jedenfalls vor der Restaurierung von 1962. Lebsche  war nicht nur ein großer Verehrer der Muttergottes von Frauenreuth, sondern auch ein großer Gönner. Sonntag für Sonntag war er in der Frauenreuther Kirche  zu sehen.
Wie Helmuth Knorr, Kirchenmaler, damals in Glonn ansässig in dessen Händen die Renovierung lag, heute bestätigt, waren die treibenden Kräfte für die Renovierung 1962 Kaplan Elmar Gruber und die damaligen Kirchenpfleger Karl Öttl aus Mattenhofen und Sebastian Esterl, der Reiserthaler. Vorlage für die Auswechslung des Altars von 1872 war ein Votivbild von 1743. Hier war die Ursprungsfassung von 1707 zu sehen. Der Altaraufbau, der sich damals auf dem jetzigen und früheren Altartisch befand, war auf dem Speicher der Kirche deponiert. Unter Anleitung des Restaurators und der Fachbehörden wurden die Einzelteile vom Schreiner von Mattenhofen, Hans Weber, ergänzt und zusammengebaut. Ebenso fertige er den Unterbau der jetzt nötig war, nachdem der Altar an die Wand gestellt wurde, so dass sich nun der Altartisch als „Volksaltar“ verwenden ließ. Hier hatte sich Kaplan Elmar Gruber durchgesetzt. Für damals, noch vor dem Zweiten Vatikanum, eine sehr fortschrittliche Idee. Der Tabernakel des alten Altares befindet sich heute noch in der oberen Sakristei.
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Votivbild um 1743. Es war die Vorlage für die Wiederverwendung des alten Altares.

Die sich über dem Altarraum und über dem Kirchenschiff befindlichen Deckengemälde waren teilweise zerfetzt, ebenfalls auf dem Speicher. Sie wurden mit neuem Leinen unterlegt, auf Spannplatten geklebt, restauriert und sind heute wieder an ihrer ursprünglichen Stelle zu sehen. Die sich früher im Langhaus befindlichen Apostelfiguren wurden jetzt im Altarraum untergebracht. Der Kreuzweg von 1872, größer als der jetzige, der teilweise auch die Fensteröffnungen beanspruchte, war für das neue Konzept zu groß. Heute sehen wir in der Frauenreuther Kirche den barocken Kreuzweg der alten Glonner Kirche (vor 1768), der auf dem Speicher der Haslacher Kirche auf seine Wiederverwendung wartete.
Der jetzt an der Rückwand der Kirche stehende Beichtstuhl befand sich mit noch weiteren ehemals im Altarraum. Dies muss auch vor 1872 so gewesen sein, denn auf seinem jetzigen Platz war ein vergittertes Fenster in der Wand, das es den Gläubigen ermöglichte die Gottesmutter auch dann zu sehen, wenn die Kirche verschlossen war. Die Vermauerung ist von außen noch erkennbar. Bei der Restaurierung wurden auch das Oratorium und die Kanzel entfernt. Beides war Teil  der Ursprungsausstattung, und von der oberen Sakristei aus zugänglich. Das große barocke Kreuz mit der Nazarener-Madonna war vorher auf der gegenüberliegenden Seite angebracht. Die ehemals nur weißen Flächen mit dem Miesbacher Stuck, wechseln sich jetzt, nach einem Vorschlag von Professor Blatner, mit zarten Blautönen ab und vermitteln so eine helle, freundliche Atmosphäre.
War es im 19. Jahrhundert noch angebracht, eine Kirche mit möglichst vielen Gegenständen und reichen Zierrat zu versehen, so wollte man sich jetzt nur mehr auf das Wesentliche beschränken. Dies ist in der Frauenreuther Kirche in hervorragender Weise gelungen. Diese Kirche wurde damit sogar Vorbild, jedenfalls für die anderen Glonner Filialen, wie Haslach, Kreuz und Schlacht.

Besonders Geistlicher Rat Pfarrer Schneider hat sich um den Erhalt der Frauenreuther Kirche große Verdienste erworben. In seiner Glonner Zeit von 1971 – 2002 wurden insgesamt fast 800.000 DM investiert. Hinzu kommen die Eigenleistungen der Einwohner des Kirchensprengels. Im einzelnen sind dies: 1975 Erneuerung der Sakristei 11.500 DM, 1978 Außenrenovierung der Kirche 154.334 DM, 1983 Trockenlegung 25.000, 1988 neuer Glockenstuhl 10.000, 1992 Erneuerung der Friedhofmauer, 1992  Renovierung des Dachstuhles und die Stabilisierung des Tonnengewölbes 150.000, 1993 Innenrenovierung der Kirche durch Restaurator Wiegeling 180.000, und 1997 Erneuerung der Fassade des Kirchturms.
Ein guter Teil dieser Maßnahmen sind für den künftigen baulichen Bestand der Kirche äußerst wichtig. Zum Beispiel die Trockenlegung der Außenmauern, die mit sehr viel Eigenleistung geschaffen wurde. Aber auch das Gewölbe, das durch die Auswirkungen des Erdbebens von Friaul vom 6.5.1976 ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen war, wurde durch den Münchner Dombaumeister Braunekämper durch eine Stahl- und Betonkonstruktion, die die Außenmauern zusammen halten,  gesichert. Überdies drückte der alte Dachstuhl ebenfalls auf die  Außenmauern. Eine neue Dachstuhlkonstruktion verhindert dies künftig. Die Außenmauern hatten sich  bereits 7 cm nach außen verlagert.

Die Kirche von Frauenreuth heute

Die Zahl der Einwohner des Kirchensprengels liegt derzeit bei 175, also etwa ein Achtel weniger als 1925. Die Zahl der Kirchenbesucher hat sich allerdings wesentlich deutlicher verringert. Dies mag auch daran liegen, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Motorisierung den Gottesdienstbesuch in der Glonner Pfarrkirche, oder anderswo, erleichtert. Hauptgrund aber ist, dass die Zahl der praktizierenden Katholiken abgenommen hat und dass die Verbliebenen nicht mehr mit der großen Regelmäßigkeit von früher die Gottesdienste besuchen. Zur Zeit ist in Frauenreuth,  abwechselnd mit Münster, noch jeden zweiten Sonntag Gottesdienst. Waren es früher in der Regel die Glonner Kapläne, später dann der unvergessene „Professor“ Ludwig Denk, die in Frauenreuth den Gottesdienst hielten, so ist es heute in der Regel der Glonner Marienheimgeistliche, zur  Zeit Pfarrer Schönhuber. Sein Vorgänger war Pfarrer Germaier.
Wie viele und welche Wallfahrtszüge vor 1803 Frauenreuth zum Ziel hatten, ist nicht mehr bekannt. Es ist anzunehmen, dass es wesentlich mehr waren als nach der Säkularisation. Damals wurde verfügt, dass Wallfahrten und Prozessionen einzuschränken sind. Für die spätere Zeit ist festgestellt, dass die Glonner an Maria Verkündigung (25.3.) nach Frauenreuth „mit dem Kreuz“ gingen, dann auch am Freitag in der Kreuzwoche (Tag nach Christi- Himmelfahrt). An diesem Tag traf man sich mit den Ayingern. Heute finden nur noch an den „Bitttagen“, den Tagen vor Christi-Himmelfahrt, Wallfahrten nach Frauenreuth statt: Am Montag die Glonner, am Dienstag die aus Unterlaus und am Mittwoch kommen die Antholinger. Dass Wallfahrten, wenn auch ohne Bittgang, auch in heutiger Zeit neu entstehen können, beweist die Glonner Feuerwehr. Seit dem Unfall von 1976 kommen sie jährlich zu einer Maiandacht in die Wallfahrtskirche um Dank zu sagen. Die Glonner Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) hat sich diesem Brauch angeschlossen, ebenso der Männerchor Glonn, der diese Maiandacht seit Beginn musikalisch mitgestaltet.
Nur am Fronleichnamssonntag, an dem traditionsgemäß nach dem Gottesdienst die Prozession durch die Frauenreuther Fluren zieht, und am „Frautag“, dem 15. August, ist noch die Tradition des alten Wallfahrtsortes zu verspüren. Nach dem feierlichen Hochamt, das regelmäßig auch mit einer Orchestermesse gestaltet wurde, traf man sich dann wie ehedem beim Wirt. Das konnte sich schon bis in die Nachmittagstunden hinziehen, erst recht wenn eine Musi aufspielte.
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Die Musi spielt beim „Frautag“ 1984

In diesem Jahr kann Frauenreuth den 300. Jahrestag der Kirchweih feiern. Dies ist nicht nur ein Anlass zurückzuschauen, sondern auch zu danken. In erster Linie natürlich denen, die der Muttergottes von Frauenreuth ihre Sorgen und Nöten anvertraut und Hilfe, Trost und Zuversicht erhalten haben. Sie sind der geistige Hintergrund  für diesen Wallfahrtsort. Dank sei auch den vielen Pfarrern und Kaplänen gesagt, die mit Leib und Seele hinter dieser Kirche und der Wallfahrt standen und stehen. Dann den vielen Menschen, insbesondere denen des Kirchensprengels: Sie haben nicht nur mit „Hand- und Spanndiensten“, sondern auch mit großen finanziellen und persönlichen Opfern zum Bestand dieser Kirche beigetragen. Dank auch den vielen Mesnern, Organisten, Kircherpröbsten und Kirchenpflegern, die immer diese Kirche als „ihre“ Kirche gesehen haben.
Wie und wie lange wird es weitergehen? Wir wissen es nicht. Und gerade deswegen sollte uns dieses Urvertrauen, wie es unsere Ahnen zur Gottesmutter nach Frauenreuth gehabt haben, begleiten.
Mutter Gottes von Frauenreuth bitt für uns!
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Erinnerungskarte von 1872, in der Mitte   das Frauenreuther Gnadenbild, oben  Schloß Zinneberg, links die Kirchen von Georgenberg, Adling, und Jakobsbeuern, rechts Schloß Mattenhofen, die Kirche von Haslach und eine Dorfszene aus Frauenreuth. Unten das Dorf Glonn.
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Das Frauenreuther Gnadenbild

©Hans Obermair, 85625 Glonn
2007

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Lena Christ und Glonn

Titelbild Lena Christ

Herkunft und Wurzeln
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on Hans Obermair aus dem Jahr 2006©

Urheberecht
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Beitrag des Bayerischen Rundfunks anlässlich des 100 Todestages von Lena Christ
mit Ortschronist Hans Obermair

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Zugang zu Lena Christ

Über Lena Christ und ihr Werk wurde wesentlich mehr geschrieben, als sie selbst jemals schrieb. Ihre außergewöhnliche Lebensgeschichte hat hierzu herausgefordert. Von der literarischen Würdigung ihres Werkes bis zur Darstellung ihres tragischen Lebens reicht der Bogen der geschriebenen Berichte, Dissertationen, Bücher und Sendungen. Ein wichtiges Werk über das Leben der Schriftstellerin ist zweifelsohne „Der Weg der Lena Christ“, das 1940 von ihrem zweiten Mann Peter Jerusalem, ab 1937 nennt er sich Benedix, geschrieben wurde. Er stand der Schriftstellerin rund ein Viertel ihres Lebens am nächsten. Er hat sie entdeckt und gefördert. Günter Göpfert hat 1971 „Das Schicksal der Lena Christ“ verfasst. Es wurde 1998 in ergänzter Form neu aufgelegt. Göpfert konnte noch Zeitzeugen befragen, so auch die älteste Tochter der Dichterin, Frau Lena Dietz. Der Glonner Oberschulrat Wolfgang Koller hat ihn bei der Durchführung der Recherchen mit seinem reichen Wissen um seine Glonner Heimat kräftig unterstützt. Koller, der Lena Christ noch persönlich kannte und auch selbst schriftstellerisch tätig war, kommt zudem das große Verdienst zu, die Dichterin in vielen Vorträgen und Artikeln auch dem heimischen Publikum zu erschließen. In Glonn war er einer der ersten und größten Förderer der Dichterin und ihres Werkes. Bei dieser Aufzählung darf die Dissertation „Heimatsuche und Identität“ von Dr. Ghemela Adler aus dem Jahre 1991 nicht unerwähnt bleiben.

Die Schriftstellerin Asta Scheib hat in ihrem Buch „In den Gärten des Herzens“ aus dem Jahre 2002 das Lebensbild der Dichterin in der Form des Romanes wiedergegeben. Damit wurde Name und Werk der Lena Christ einem weit größeren Publikum zugänglich gemacht als bisher. Rundfunksendungen wie die von Josef Martin Bauer zum 50. Todestag der Dichterin, oder die von Michael Skasa von 1981 geben einen guten Einblick in Leben und Werk. Bei letzterer wurden auch Zeitzeugen mit eingebunden, was den dokumentarischen Wert der Sendung einzigartig macht. Das Fernsehen hat natürlich noch mehr Möglichkeiten als das geschriebene und gesprochene Wort. In diesem Zusammenhang muss die im Dezember 2004 in der Sendereihe „Unsere Bayern“ von Evita Bauer gestaltete Sendung über Lena Christ genannt werden. Ihre eifrigen Recherchen brachten Neues zu Tage.

Eine neue Form, Lena Christ zu erleben, hat der Regisseur Jörn van Dyck gefunden. Bilder aus Leben und Werk werden in prägnanter Weise im „Traum der Lena Christ“, einem Einpersonenstück, gezeigt. Die Schauspielerin und Kaberettistin Bettina Mittendorfer ist für diese Rolle wie geschaffen. Sie versteht es wie keine andere, die Dichterin lebendig werden zu lassen.

Den größtmöglichen Zugang zum Werk von Lena Christ bringen aber die Verfilmungen. Der Spielfilm „Die Rumplhanni“ unter der Regie von Rainer Wolffhardt, mit großartigen Darstellern wie Monika Baumgartner, Karl Obermayr und Willi Harlander, bringt eine dreidimensionale, wahrheitsgetreue Verwirklichung des Geschehens, wie es besser nicht geht. Aber auch die Verfilmung der „Madam Bäuerin“ verdient für die meisten Szenen Beachtung. Wenn unsere Dialektsprache, wie sie von Lena Christ gesprochen und geschrieben wurde, weiter so verfällt wie bisher, werden Verfilmungen einmal das sein, was vom Werk der Dichterin übrig bleibt. Vom Lesen allein werden dann die Werke von den meisten nicht mehr verstanden werden können. Deswegen sollte bei Verfilmungen aufs peinlichste darauf geachtet werden, dass Szenen und Sprache genau dem Werk entsprechen.

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Glonn im Herbst 2005

Die Dichterin hat sich in allen ihren Werken zu Glonn bekannt und ist auch in München Glonnerin geblieben. Sie hat nicht nur in den „Erinnerungen einer Überflüssigen“ und in den „Lausdirndlgschichten“ ihre Glonner Erlebnisse und Ereignisse beschrieben, sondern auch in den weiteren Werken Glonner Namen, Ereignisse und Personen verwendet, wenn das auch nur dem heimatkundlich interessierten Leser bewusst wird. Damit hat sie Glonner Wirtschafts-, Sozial- und Sittengeschichte geschrieben. Überdies hat sie durch ihr Werk den Namen Glonns weit über seine Grenzen hinaus getragen. Es gibt keine Glonnerin oder keinen Glonner, die oder der bekannter ist als sie.

 

Der Verfasser des folgenden Berichtes hat weder Volkskunde, Germanistik, Journalistik oder sonst etwas studiert. Er betreibt seit vielen Jahren Glonner Heimatkunde aus Passion. Er ist auf einem Dorf als Gast- und Landwirtssohn aufgewachsen. Nach der Volksschule erlernte er die Landwirtschaft und nebenbei auch die Metzgerei. Das war in den vierziger- und fünfziger Jahren, also in einer Zeit, die der, in der Lena Christ aufwuchs und in der die meisten ihrer Romanfiguren leben, ähnlicher ist als die heutige. In seiner Kindheit musste er Wohnsitz und Schule wechseln. Kindheit auf einem Dorf, Landwirtschaft, Gastwirtschaft, Metzgerei, Orts- und Schulwechsel in der Kindheit, alles Elemente wie sie auch im Leben der Lena Christ vorkommen, sind ihm also nicht fremd. Zudem war sein Vater, gleichen Namens, der 1900 in Frauenreuth bei Glonn geboren wurde, ein „lediges Kind“, so dass er auch von einem solchen Schicksal weiß.

Dieser Bericht soll keine literarische Wertung des Christ´schen Werkes sein, sondern soll aus der Sicht des Heimatkundlers Fundamente zeigen. Es ist eine Schilderung aus Glonner Sicht, die natürlich auch beabsichtigt, Glonner Geschichte zu vermitteln. Überdies soll das Interesse an Lena Christ und ihrem Werk gefördert werden. Geschichte muss aber wahr sein. Und so ist es nicht zu vermeiden, dass, insbesondere aus der „Erinnerung einer Überflüssigen“ einiges als „Dichtung“ aufgedeckt wird. Dies auch mit dem Hintergrund , dass Lena Christ selbst mit Kritik nicht gespart hat, insbesondere an ihrer Mutter.

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Lena Christ in Glonn

Magdalena Pichler, sie nannte sich später Lena Christ, wurde am 30. Oktober 1881 in Glonn geboren, 5 Tage später später als der große Maler Pablo Picasso. Zusammen gerechnet lebte sie nur knapp 8 ihrer 39 Lebensjahre in Glonn oder in Lindach und zwar von der Geburt bis November 1888, also bis kurz nach der Hochzeit ihrer Mutter am 30. Oktober 1888. 1881 war der Großvater 54 und die Großmutter 58 Jahre alt, also nicht gerade alte Großeltern, aber als Elternersatz eher zu alt. Heute weiß man, dass für die Entwicklung eines Menschen die ersten vier Lebensjahre prägend sind.

Es ist anzunehmen, dass sie 1887 eingeschult wurde. Etwa zur Hälfte der zweiten Klasse musste sie auf Anforderung der Mutter vom Großvater nach München gebracht werden. Der Schulbesuch in Glonn erfolgte in einer gemischten Klasse im 1838 erbauten Schulhaus. Schulleiter war damals Alexius Strauß, er stammte aus Freising. Hilfslehrer war Josef Kögl, er war in Pöcking gebürtig. Die Schule war zweiteilig. Wahrscheinlich wurden die unteren Klassen vom Hilfslehrer unterrichtet. Diese Zeitspanne beschreibt Lena Christ in den „Erinnerungen einer Überflüssigen“.

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Die oberen Schulklassen des Schuljahres 1892/93. Das Hansschusterlenei in der Mitte der ersten Reihe, mit den Lehrern Alexius Strauß und Johann Schuster.

Das „Lenerl“ war nun knapp elf Jahre alt und ging in München zur Schule. Sie hatte zwei Freundinnen, die bei ihr im Hause wohnten. Diese besuchte sie manchmal. In den Erinnerungen steht: „Da sprachen wir dann über verborgene Dinge und trieben mancherlei Heimliches.“ Diese Dinge wurden dann auch auf dem Schulweg besprochen. Der Lehrer erfuhr davon und stellte sie zur Rede. Sie wurde mit Karzer bestraft. Der Vorfall wurde den Eltern mitgeteilt. Als sie heimkam, wurde sie verprügelt und eingesperrt. Frau Baumeister Möller, die über der Wirtswohung wohnte, vernahm ihre Hilferufe. Diese rief den Schlosser um sie zu befreien. Die Bitte des „Lenerl“, sie zum Großvater nach Glonn zu bringen, wurde von Frau Möller erhört und sie fuhren noch mit dem Abendzug nach Glonn. Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt. Aber der Aufenthalt in Glonn umfasst jedenfalls die Beerdigung des Schmiedbauern am 25.8.1892 und die des „alten Hausl“ am 20.4.1893. Er muss etwa ein Jahr gedauert haben. Sie ging in dieser Zeit bei Lehrer Alexius Strauß in Glonn zur Schule.
Dieser erinnert sich noch nach langer Zeit, wie Günter Göpfert zu berichten weiß, an die Hansschusterleni: „Aufsätze wie die ihren hat es in der Glonner Volksschule noch nie gegeben“. Während ihre zweite Glonner Phase auch in den „Erinnerungen“ vorkommt, handelt ein großer Teil der „Lausdirndlgeschichten“ ausschließlich in dieser Zeit.

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Das Hansschusterlenei (siehe Klasse 1892/93) Das vormalige Stadtkind stellt sich selbstbewusster dar, ist größer als ihre Schulfreundinnen, aber auch besser gekleidet als dies.

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Lena Christ 17-jährig, mit der Schülerein von 1892/93 ist die Ähnlichkeit unverkennbar.

Im Sommer 1894 durfte das „Lenei“, zusammen mit einer Freundin aus der Münchner Sandstrasse, in die Ferien zur Tante Nanni, der „Reisplin“ von Haslach. Von dort aus besuchte sie öfters den todkranken Großvater in Glonn. Wieder zurück in München, kam sie erst wieder zu seinem Begräbnis am 7. Dezember 1894 nach Glonn. Doch davon später. 

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Die 1938 erbaute Glonner Schule.

Nachdem der geliebte Großvater verstorben, das Hansschusterhaus verkauft und die Großmutter nicht mehr in Glonn war, gab es für Lena Christ keinen Grund oder keine Gelegenheit meh, sich in Glonn sehen zu lassen. Die Last der Arbeit, aber auch die Bürde der Ehe mögen daran ihren Anteil gehabt haben. Erst nachdem sie bei Peter Jerusalem arbeitete und mit ihm liiert war, ihm aus ihrem Leben erzählt und mit den „Erinnerungen“ begonnen hatte, fuhren beide nach Glonn. Es ist Oktober 1911. Sie zeigt ihm ihre alte Heimat. Und wie Peter Jerusalem in seinem „Der Weg der Lena Christ“ schreibt, weiß sie von jedem Haus eine Geschichte und kennt alle Hausnamen. Glonn ist ihr also nach fast 17 Jahren Abwesenheit noch gut im Gedächnis geblieben.

Am 28. August 1912 wurde geheiratet, nachdem die Ehe mit Anton Leix am 13.3.1912 geschieden worden war. Die beiden Töchter wohnten jetzt wieder bei der Mutter der Sohn beim Vater. Das Jahr darauf war Lena Christ mit ihren beiden Mädchen, 12 und 9 Jahre alt, für mehrere Wochen in Glonn. Es war Juli 1913. Die genaue Aufenthaltsdauer wissen wir nicht. Sie schrieb ihrem Gatten in München: „Du, die Leute mögen mich gern!“ Wie sich die 1897 geborene Buchbindertochter Julia Gruber erinnerte, wohnte sie einmal beim „Neuwirt“. Die Grubers wohnten beim „Kramerschuster“, also in der Nähe des Neuwirts. Wie sie weiter berichtete, kam Lena Christ öfters zu ihrem Vater, in Glonn ein bekannter Mann, und hat ihn ausgefragt. Der hat immer gesagt, so Julia Gruber, dass sie lüge, „wie halt die Schriftsteller sind“. Weiter erinnerte sich die 1982 Verstorbene, dass sie eine „Gretlfrisur“ hatte, und sie war ein lustigs Ding, eigentlich nicht unsymphatisch. Bei diesem Sommerbesuch hat sie, wie Peter Jerusalem schreibt, das Buch „Glonn und Umgebung in Vergangenheit und Gegenwart“ entdeckt. Es war die sogenannte „Niedermair-Chronik“ von 1909, die der Glonner Bauernsohn und spätere Priester Johann Baptist Niedermair verfasst hatte. Und wie es weiter heißt, sei diese Chronik beim werdenden Roman – er kam als Mathias Bichler heraus- nicht ganz ohne Bedeutung geblieben.

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Haslach im Jahre 1909 (Teilansicht). Hier durfte das Lenei 1894 in den Ferien bei Tante „Nanni“ sein.

Weiter wissen wir von Julia Gruber, dass Lena Christ einmal mit ihrem Mann Peter Jerusalem in Glonn war. Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt. Es hat damals geheißen, sie wäre dem Schriftsteller Jerusalem seine Frau. Sie wurde als „Hansschuster-Lena“ vorgestellt. Es wurde gesagt, sie schreibe ein „bißl“, aber eigentlich hat man es „ihm“ zugetraut. Wie es weiter heißt, habe sie dann, als sie im Winter da war, schon mehr geschrieben. Wahrscheinlich war mit dem Winterbesuch ein weiterer, eventuell im Winter 1913/14, gemeint. Es ist anzunehmen, dass sie bis dahin immer beim „Neuwirt“ logierten, ein Haus, das allen offen stand, insbesondere auch Künstlern, wie es auch spätere Zeiten bezeugen. Von Peter Jerusalem selbst wissen wir nur von einem Besuch in Glonn.

1913 kamen die „Lausdirndlgeschichten“ heraus. Ludwig Thoma sah darin eine plumpe Nachahmung seiner „Lausbubengeschichten“. Wie Günther Göpfert schreibt, war dieses Buch ein Misserfolg. Weiter schreibt er, dass sich in diesem Werk „viele Glonner zur Freude der einen und zum Ärger der anderen verewigt sahen“. Dass dieses Buch auch in Glonn gelesen wurde, beweist, dass in einem Glonner Bestand eine Ausgabe von 1913 vorhanden war. Dieses Buch, diese „Bleckerei“, über die Erlebnisse ihrer Kindheit geschrieben, konnte insgesamt in Glonn keine gute Resonanz finden, zumal die „Helden“ jetzt ja erwachsene und oft angesehene Personen waren.

Das Klima in Glonn hat sich für die Jerusalems damit sicher verschlechtert. Dies dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass spätere Landaufenthalte nicht mehr in Glonn, sondern in Lindach, Gemeinde Egmating und damals auch Pfarrei Egmating, stattfanden. Um ans Ziel zu kommen, musste man jetzt vom Bahnhof Peiss, Aying oder Glonn abgeholt werden. Vielleicht aber war auch die Miete auf einem Bauernhof billiger als in einem Gasthaus, denn viel Geld hatten die Jerusalems nie.

Ab Juli 1914 waren die Jerusalems erstmals bei der Familie Josef und Rosina Bauer, den Wimmerbauersleuten von Lindach, einem Dorf zwischen Münster und Egmating, zur Sommerfrische. Sie bewohnten im ersten Stock zwei Zimmer. Die Hausangestellte der Familie war auch mit dabei. Hier konnte man das Leben auf einem Bauernhof und in einem Dorf zwangsläufig besser beobachten und erleben. Einiges konnte sie in ihren Werken davon umsetzen. Göpfert schreibt, dass die Schriftstellerin auch bei der Ernte mitgeholfen habe. In Lindach erlebten sie auch den Kriegsausbruch vom 1. August 1914. Diese Beobachtungen sind insbesondere in die „Rumplhanni“ und „Unser Bayern anno 14″ eingeflossen. Den Abschied von der Heimat und den Aufbruch in den Krieg, den muss die Schriftstellerin aber am Glonner Bahnhof erlebt haben. Und so dürfen wir annehmen, dass die Jerusalems von Lindach aus auch immer wieder in Glonn vorbeischauten.

Scheinbar hat es den Jerusalems gefallen, denn 1915 fuhren sie wieder zur Sommerfrische nach Lindach, ins gleiche Quartier. Während des Aufenthaltes wurde Peter Jerusalem am 2. September zum Militärdienst nach München eingezogen. Also musste die Familie am letzten Augusttag zurück nach München. Während dieses Aufenthalts brannte es beim „Franz“ in Kastenseeon und wie Peter Jerusalem schreibt, habe sein Frau bei der Rettung des Inventars mitgeholfen. Lesen wir aber in der ergänzten Neuauflage der „Niedermair-Chronik“ von 1939, fand der Brand am 11. August 1916, einem Freitag, statt. Wahrscheinlich hat sich Jesusalem, der den „Weg der Lena Christ“ erst 1940 schrieb, um ein Jahr geirrt.

Auch ab Juli 1916 war man wieder in Lindach zur Sommerfrische. Peter Jerusalem, der ab Februar 1916 in Landshut stationiert war, konnte seine Familie nun nur mehr an Wochenenden besuchen. Und so kann es sein, dass er den Brand beim „Franz“ während eines Wochenendaufenthaltes mitbekommen hat. Der Aufenthalt in Lindach dauerte diesmal bis Oktober 1916, also über die Ferien hinaus. Und so mussten die Mädchen in Egmating die einteilige Schule besuchen. Mittags durften sie im Lehrerhaushalt -die Schriftstellerin war mit der Frau des Lehrers befreundet- essen. Es muss sich um die Lehrerfamlie Mayerhofer gehandelt haben. Während dieses Lindacher Aufenthalts wurde ein Großteil der “Rumplhanni“ geschrieben. Dies war vermutlich für Lena Christ der letzte längere Aufenthalt im Glonner Bereich.

Interessant sind die Aussagen von Personen, die Lena Christ noch persönlich gekannt haben. Julia Gruber wurde bereits zitiert. Die 1903 geborene Wimmertochter von Lindach, Rosina Bauer, verheiratete Sedlbauer, sagt über Peter Jerusalem „der war recht guat zu ihra“ und dass er ihre Romane korrigiert habe. Sie weiß auch, wenn die Schriftstellerin geschrieben hat, das tat sie im Bett, dann mussten die Kinder ruhig sein und durften sich nicht rühren. Auch Frau Sedlbauer bestätigt, dass Lena Christ eine „ganz Legere war“. Mit ihrer Mutter war sie wie eine Freundin.

Der 1912 geborene Andreas Riedl aus Lindach bestätigt, dass die Christ sehr neugierig war und dass sie „oft am Kirchberg drom“ , also auch im Freien, geschrieben habe. Riedl, der damals noch nicht einmal schulpflichtig war, kann sich auch deshalb erinnern, weil es von ihr immer „Guatl“ gegeben hat. Diese Angaben macht Riedl auch bei der Feier des 100. Geburtstages 1981 in Glonn. Dann weiß er von einer „Tante“, es muss die Cousine seiner Mutter, die 1876 geborene Wirtin von Frauenreuth gewesen sein, dass das „Lenei“ in der Schule ein recht gescheites und schlagfertiges Dirndl war.

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Beim „Hansschuster“.

Der Hausname „Hansschuster“ ist zweifelsfrei darauf zurückzuführen, dass es auf dem Anwesen einmal einen Hans gab, der das Schusterhandwerk ausübte. Die Berufsbezeichnung wurde häufig als Familien- oder Hofname verwendet. Er war sicher nicht der einzige Schuster in Glonn. Weitere alte Hausnamen wie „Angerlschuster“, „Schustermichl“, „Sattlerschuster“ und „Rumplschuster“ zeugen davon. Auch in den umliegenden Ortschaften ist der Hausname „Schuster“ mit und ohne Zusätze gebräuchlich.

Die erste Erwähnung des Hansschusteranwesens finden wir im Saalbuch der Pfarrei Glonn von 1662. Als damaliger Bewohner wird Georg Heisler genannt. 1658 wird er im Taufmatrikel als „in domo Kuchlmayr Glonn“ bezeichnet. Kuchlmayr hießen die Besitzer des gegenüberliegenden Anwesens und der wahrscheinlich dazugehörenden Christlmühle, auch in der Nähe des „Hansschuster“. Die Taufpaten der von 1658 bis 1677 geborenen Heislerkinder waren die Christlmüllereheleute. Es kann davon ausgegangen werden, dass Georg Heisler das Hansschusteranwesen um 1658 von Hans Schuster erwarb. Georg Heisler hieß in Wirklichkeit Kuchlmayr und war höchstwahrscheinlich ein Christlmüllersohn. „Heisler“ wurde er wegen des Erwerbs des wesentlich kleineren Hansschusterhäusels genannt. Im Steuerbuch von 1671 heißt er dann wieder Georg Kuchlmayr. Für dieses Jahr ist auch die Größe des Anwesens festgestellt. Es wird als „Blosses Häusl-Tagwercher“ bezeichnet und ist zur Hofmark Zinneberg grundbar. Georg Heisler, der für damalige Verhältnisse „uralt“ im Jahre 1718 als Hansschusterwitwer starb, musste den Lebensunterhalt seiner Familie außerhalb seines Anwesens verdienen. Wahrscheinlich beim Christlmüller.

Georg Heisler hatte mit seiner Frau Barbara (ca 1636 – 1705) von 1658 bis 1677 acht Kinder. Die 1662 geborenen Ursula wurde Erbin des Anwesens. 1695 gebar sie unehelich ihren Sohn Georg. Vater war Georg Märtl aus Esterndorf. 1705 im Todesjahr der Mutter, heiratete sie Melchior Dumberger (eigentlich Köck) von Georgenberg. Er stammte aus einem ganzen Hof. Der gewaltige Standesunterschied war für die damalige Zeit ungewöhnlich. Dies lässt darauf schließen, dass Georg Heisler gut gewirtschaftet hat. Vielleicht hat auch die Christlmüllerverwandtschaft eine Rolle gespielt. Die Ehe blieb kinderlos.

Erbin des „Hansschuster“ wurde die vom „Dumberger“ aus Georgenberg stammende Katharina Köck. 1734, im Todesjahr ihres Onkels Melchior heiratete sie Melchior Wagner vom „Mair“ in Georgenberg, also den Nachbarsbuben. 1736 kam Franz, im Taufmatrikel Franz Mayr genannt, als einziges Kind zur Welt. Warum Mayr und nicht mit dem eigentlichen Namen Wagner genannt? Wenn man von einem ganzen Hof, wie dem „Mair“ von Georgenberg stammte, ließ man sich natürlich gerne nach seiner Herkunft benennen. Dies ist kein Einzelfall. Franz, der 1759 Barbara Schröck aus Hohenbrunn heiratete, verstarb bereits 1761. Was aus Frau und Tochter Katharina wurde, ist nicht bekannt.

Neuer „Hansschuster“ wurde Kaspar Mayr, wahrscheinlich ein Stiefbruder des Franz Mayr. 1762 heiratete er Anna Mayr aus Ilching. Nachdem Kaspar 1771 verstarb, ging sie mit Joachim Daller aus Neubeuern eine zweite Ehe ein. Anna, aus beiden Ehen kinderlos, starb 1773. Joachim heiratete im gleichen Jahr Ursula Riedlechner aus Feldkirchen bei Westerham. Diese verstarb 1786 ebenfalls kinderlos. Er heiratete in drittes Mal, aber nicht in Glonn. Das Jahr ist nicht bekannt und die Frau kennen wir nur von ihrem Vornamen Elisabeth. Joachim starb 1793 und Elisabeth heiratete 1794 den Witwer Georg Hochreither, beim „Maurer“ in Westerndorf genannt. Beim „Hansschuster“ wurde 1793 oder 1794 an Josef Steinberger verkauft. Er ist weder in Glonn geboren oder verstorben, noch hat er in Glonn geheiratet. Wahrscheinlich ist er mit Familie zugezogen, hat in Glonn oder Zinneberg gearbeitet und ist nach dem Verkauf 1821 an Pichler mit der Familie wieder weggezogen.

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Die Pichlers als „Hansschuster“

Am 17. Juni 1821 heiratet der am 18. Februar 1786 in Brunnthal geborene „Bauernknecht“ Mathias Pichler. Seine Eltern sind Christoph und Anna, geborene Würmseer. Der Stand des Vaters wird mit „Hirt in Brunnthal“ angegeben. Dieser ist in Wackersberg bei Tölz geboren. Die Großeltern väterlicherseits sind beide Bauernkinder aus Wackersberg. Die Eltern der Mutter (Würmseer) sind Maurerseheleute aus Reichertsbeuern, ebenfalls bei Tölz.

Die Braut ist die „Bauerndirn“ Ursula Strobl von Peiß. Ihre Eltern: Korbinian Strobl, Hüter zu Peiß und seine Frau Anna, geborene Schwarzenberger vom „Wolfgruber“ in Helfendorf gebürtig. Auch die Großeltern beiderseits sind Hüter oder Feldhüter in Peiß beziehungsweise in Helfendorf.

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Flurplan von Glonn (Tei) aus dem Jahre 1856 mit dem Hansschusteranwesen. Den Neuwirt gab es damals noch nicht.

Die Trauung in der Glonner Pfarrkirche zelebriert Pfarrer Keller. Die Trauzeugen: Der Vater der Braut und Georg Neumayr, „Steffl“ in Balkam. Die Heiratslizenz wurde am 23. Mai 1821 vom Patrimonialgericht Zinneberg erteilt. Womöglich ist dies auch der Tag des Kaufes. Jedenfalls ist der Bräutigam am Hochzeitstag bereits als „beym Hansschuster Nr. 31″ in Glonn wohnhaft. Die Ehe ist mit drei Kindern gesegnet: 1823 Viktoria, 1825 Ursula, sie verstirbt 1833, und 1827 Mathias. Taufpatin bei allen drei ist Viktoria Springer, Zimmermannsgattin und „Pfarrhäuslerin“ aus Glonn. Bei allen drei Kindern wird als Beruf des Vaters „Taglöhner“ angegeben. Das Anwesen wird im Brandversicherungsverzeichnis von 1822 als „hölzernes Wohnhaus unter Schindldach“ beschrieben. Der Brandversicherungswert ist mit 200 Gulden angegeben. Mathias Pichler verstirbt 1848 als Häusler zum Hansschuster in Glonn. Chirurg Georg Hackl stellt als Todesursache Lungensucht fest. Seine Frau Ursula verstirbt 1872 an Wassersucht -ebenfalls von Chirurg Hackl festgestellt- 81-jährig als Taglöhnerswitwe. Mit dem Tod des Ehemannes werden wohl die Kinder Viktoria und Mathias für den Unterhalt des Anwesens gesorgt haben.
Sohn Mathias (*1827), Hansschusterhäusler genannt, heiratete bereits mit 24 Jahren, für damalige Verhältnisse sehr jung. Die Trauung fand am 25.8.1851 durch Pfarrer Franz Vodermayer in der Glonner Kirche statt. Die Braut war die um 5 Jahre ältere Anna Hauser. Ihre Eltern waren Georg Hauser von Öd und seine Frau Maria, geborene Pansberger. Der Brautvater war beim „Eberl“ in Westerndorf bei Glonn gebürtig und hat wohl in Öd eingeheiratet. Trauzeugen sind der Nachbar Franz Zehetmayr, „Stieg“ von Glonn und Lehrer Johann-B. Dunkes, ebenfalls von hier. Die Übergabe des Anwesens erfolgte vor der Hochzeit am 29. Juni 1851. Drei Jahre vorher (1848) war die „Bauernbefreiung“ staatlicherseits durchgeführt worden. Damit hatten die Pichlers volles Eigentum an ihrem Sach und konnten darüber beliebig verfügen.

Laut Grundsteuerkataster vom 9. Juni 1859 hat Mathias Pichler das Anwesen am 17.8.1851 im Wert von 800 Gulden von seiner Mutter übernommen und am gleichen Tag „zum Miteigenthum angeheirathet“. Das Anwesen war 1859 beschrieben als 1/16 Hansschustergütchen, Plannummer 78, Wohnhaus mit Stall zu 0,04 Tagwerk ( (=136 qm) mit einem unter Plannummer 79 unaus-scheidbaren walzenden Grundstücksanteil. Dieser betraf den Wurz- und Grasgarten zu 0,21 Tagwerk (=715 qm). Insgesamt also 0,25 Tagwerk (=851 qm). Weitere Grundstücke hat das Anwesen nicht. 1859 dürfte sich das Anwesen in der Größe von 1658 befunden haben. 1855 ist der Eintrag einer Hypothek zu 100 Gulden für die Kirche von Frauenreuth, Banken gab es damals auf dem Lande nicht, vermerkt. Es ist zu vermuten, dass damit Schwester Viktoria „ausbezahlt“ wurde. Wohin sie verzogen ist, ist nicht bekannt.

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Die Felder des Hans Schuster unterhalb von Kreuz, von wo man aus den Wendelstein sieht.

Ein weiteres Grundstück können wir erst im Grundbuch von 1867 feststellen. Es ist ein Acker zu 1,93 Tagwerk (=6576 qm) etwa 500 Meter westlich von Kreuz, aber in der Gemarkung Egmating. Es wurde wahrscheinlich 1865 erworben und dürfte mit dem Verkauf von 0,04 Tagwerk Hausgarten an den Schneidermeister Albrecht finanziert worden sein. Albrecht baut darauf ein Wohnhaus mit Werkstätte. 1875 wurde es dann vom Bader Franz-Paul Gschwändtler (heute Friseur Empl) erworben. Der Verkäufer baute sich 1877 sein Haus in der heutigen Niedermairstraße in Glonn.

 

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Der Wendelstein vom Hans Schusterfeld aus.

1863 ersteigert der Wirt von Glonn, Wolfgang Wagner, beim „Alberer“ in Balkham. Die damit erworbenen Grundstücke verkauft er nach und nach einzeln. So 1871 zwei Grundstücke mit insgesamt 3,20 Tagwerk (=10902 qm) an den „Hansschuster“. Von diesen Grundstücken aus kann man den Wendelstein sehen. Lena Christ hat in ihren Erinnerungen darüber geschrieben. Damit hat das Anwesen eine Größe von 5.32 Tagwerk. Warum hat Mathias Pichler diese Grundstücke gekauft? Wohl deshalb, weil er seinen „Nahrungsstand“ sichern wollte, und wohl auch, weil mehr Grundbesitz mehr Ansehen bedeutete.
Das Anwesen blieb aber immer noch eine „Frettn“, wie man damals sagte: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Mathias Pichler ist weiter auf einen Broterwerb als Maurer angewiesen. Die Baukonjunktur war ja in der „Gründerzeit“ nicht schlecht. Die Größe des Anwesens bleibt bis zum Verkauf an Gröbmayr 1894 die gleiche.

Mathias und Anna Pichler haben 5 Kinder. 1852 kommt Michael zur Welt. Er verstirbt 1856. Todesursache ist laut Chirurg Hackl Scharlachfieber.

1855 ist es Mathias. 1889 wird er als Dienstknecht in Glonn, „zur Zeit aber in München in der Linprunnstrasse 3/II im Rückgebäude“, bezeichnet. Dies entnehmen wir einem Grundbucheintrag, der die Pfändung des Muttergutes von 50 Mark betrifft. Die Gesamtforderung beträgt 155,45 Mark und wird vom Rentamt Ebersberg eingetrieben. Um 1895 heiratet Mathias die aus Adling stammende Babette Steinfink. Sie wohnen in München- Giesing.

1857 wird Anna geboren. Sie heiratet als Magd in Mattenhofen 1882 den Maurer Josef Schlosser. Mit der Heirat übernehmen sie das „Maureranwesen“ zu Westendorf mit knapp 10 Tagwerk Grund. Die Ehe ist kinderlos. 1892 verkaufen sie Westerndorf und kaufen beim „Reispl“ in Haslach mit gut 14 Tagwerk. Aber auch dieses Anwesen verkaufen sie 1902 und kaufen beim „Schreyer“ in Sindelhausen. Anna, „Nanni“, übernimmt nach dem Tod des „Hansschuster“ ihre Stiefmutter und Tante.

Am 1.1.1860 kommt Magdalena Pichler zur Welt. Ihrem Leben ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Das jüngste der Hansschusterkinder ist Theresia. 1861 wird sie geboren und 1871 verstirbt sie. Die Todesursache wird mit „Morbus serofulos“ angegeben.

Bei den Kindern Michael, Mathias, Magdalena und Therese ist Michael Mesner, Mesnerssohn von Berganger, der Taufpate. Bei Anna ist es Thomas Zistl, Ederbauer von Großrohrsdorf. Wahrscheinlich war Mesner zu diesem Zeitpunkt beim Militär und konnte deshalb nicht Pate sein.

Anna, die erste Frau des Mathias Pichler, verstirbt am 12.9.1870. Sie ist erst 48 Jahre alt und hinterlässt vier unmündige Kinder. Als Krankheit wird „Magenverhärtung“ angegeben. Laut Sterbematrikel haben dies „mehrere Ärzte“ festgestellt. Eine Behandlung durch mehrere Ärzte wie bei Anna Pichler kommt in Glonn laut Sterbematrikel letztmals 1866 vor. Es muss sich also um eine besondere Krankheit oder eine besondere Patientin gehandelt haben. Lena Christ stellt in ihren Erinnerungen fest, dass sie die „Huberwirtsmarie“ als böse Frau gekannt habe. Dass sie längere Zeit von Krankheit geplagt war, darf angenommen werden. Ihre Schwestern Magdalena, die zweite Frau des Hansschusters, und Maria, beide in Schönau, erhielten laut Grundbuch 1864 „auf die Dauer ihres Ledigenstandes auf dem Anwesen das Recht auf Unterschlupf in der zur freien Benützung überlassenen so genannten Kaminkammer oberhalb der Küche“. Es ist anzunehmen, dass sie im Hansschusterhaus wohnten, um so der kranken Schwester beizustehen. Vielleicht haben sie auch mit ihrem Ersparten ausgeholfen, um die sicher nicht geringen Arztkosten mit zu finanzieren. Maria war später verheirate eine Sewald. Ihre Sterbeurkunde wird 1895 vom Standesamt Ellmosen (Aibling) ausgestellt.

Mit dem Tod der Anna Pichler wurde das „Muttergut“ (heute Pflichtteil) bestimmt. Das sind je Kind 50 Gulden, zahlbar nach erreichter Großjährigkeit (21 Jahre) oder im Versorgungsfalle und unverzinslich. Für die Mädchen gab es je einen Zuschlag für die „Ausfertigung“ (Aussteuer). Wie wir oben feststellen konnten, war 1889 den damals 34-jährigen Mathias das Muttergut noch immer nicht ausbezahlt. Wie es den Schwestern Anna und Magdalena erging, ist nicht aktenkundig.

Mathias Pichler, der ab 1855 als Maurer bezeichnet wurde, heiratete am 6. August 1871 seine bereits im Haus wohnende Schwägerin Magdalena. Sie war 1823 geboren und damit ein Jahr jünger als die verstorbene Schwester, aber vier Jahre älter als der Bräutigam. Lehrer Kolmsberger und der Nachbar Franz Zehetmaier, der „Stieg“, waren die Trauzeugen. Cooperator Fing, er wurde später Ehrenbürger von Glonn, vollzog die Trauung. Die Heiratslizenz wurde am 21.Juli 1871 vom Bezirksamt Ebersberg erteilt. Eine kirchliche Dispens für die Braut, wohl weil sie Mitglied und spätere Präfektin des weltlichen Dritten Ordens des heiligen Franziskus war, wie Lena Christ schreibt, wurde unter der Bedingung es sei eine „Josefsehe“ zu führen, von Rom aus gegeben. Wahrscheinlich war die Mitgliedschaft mit Ehelosigkeit verbunden. Noch vor der Hochzeit wurde Magdalena am 23. Juni 1871 Miteigentümerin.

Die finanzielle Situation des Hansschusters war wahrscheinlich zu keiner Zeit rosig, für diese Zeit aber kein Einzelfall. 1882 musste er ein Darlehen zu 700 Mark aufnehmen. Die Eintragung der Hypothek ist mit 1.2.1882 datiert. Das Darlehen wurde mit einem Zins zu 4 % -dieser Satz war damals üblich- vom „Ökonomen“ Josef Esterl aus Reisenthal gegeben. Bereits am 26.1.1883 wurde zu Gunsten Esterls eine weitere Hypothek zu 500 Mark zu den gleichen Konditionen bestellt. Mit den Darlehen wurde höchstwahrscheinlich der Bau des Wohnhauses finanziert.

Wie Wolfgang Koller schreibt, kam am 15. August 1894 der Ebersberger Notar Michael Eggert ins Hansschusterhaus. Der gut 67-jährige, krank im Bett liegende Mathias Pichler und seine Frau Magdalena verkauften ihr Anwesen mitsamt aller lebenden und toten „Baumannsfahrniß“ für 5000 Mark an Josef Gröbmayr, Schäfflergütlersohn aus Adling. 3428,57 Mark musste dieser bar und sofort aufbringen. 171 Mark gehen für das Darlehen von 1855 an die Kirche von Frauenreuth. Die Hypothek von Esterl wird übernommen. Für die Verkäufer wurde Wohnrecht auf Lebenszeit, allerdings nicht im Grundbuch gesichert, vereinbart. Die Verkaufsurkunde konnte Mathias Pichler nicht mehr selbst unterschreiben. Sein Handzeichen, ein Kreuz, wurde durch Unterschriften des Nachbars Franz-Paul Gschwändtler und des Schwiegersohns Josef Schlosser bestätigt. Mit dem Anwesen ist auch das Familiengrab an die Käufer übergegangen. Am 21.April 1895 heiratete Gröbmayr Barbara Wagner aus Adling. Sie konnte ihren Enkelkindern noch erzählen, dass zum Anwesen Felder bei Kreuz gehörten.

Mathias Pichler, der bereits im Sommer 1894 schwer krank war, verstarb am 5. Dezember des Jahres. Für Magdalena Pichler, die jetzige Witwe, wurden beim Verkauf aus dem Erlös 1000 Mark sichergestellt. Wie Lena Christ schreibt, zog sie kaum eine halbes Jahr nach dem Tod des Großvaters zu Verwandten.

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Das Hansschusterhaus um 1937, das Geburtshaus der Lena Christ.

Das Hansschusterhaus hatte 1867, wie schon 1822, einen Brandversicherungswert von 200 Gulden. Damit zählte es zu den kleinsten Anwesen, denn unter 200 Gulden gab es zu dieser Zeit keine Brandversicherungssumme in Glonn. Diese niedrige Summe lässt sowohl auf die Größe und den Bauzustand eines Anwesens schließen. Zum Vergleich: Für den Wirt (Posthalter) mit seinen Nebenanwesen war eine Summe von 15.820.– Gulden angesetzt. Laut den Brandversicherungsaufzeichnungen von 1888 war das Haus aus Stein und Holz und mit Schindeln gedeckt. Zwischen 1867 und 1888, wahrscheinlich 1881/82 musste das Wohnhaus also gemauert worden sein. Mit einfachsten Materialien, so auch mit „Feldbummerln“. So wird es von Max Gröbmayr bestätigt, der 1956 beim Abbruch mitwirkte. In ihren Erinnerungen schreibt Lena Christ auch, dass das Haus mit bläulicher Farbe getüncht war und mit Holzschindeln gedeckt, die mit Feldbrocken beschwert waren. Das Ziegeldach wurde von Gröbmayr errichtet. -11-

Während der Ortsplan von 1810 nur ein Wohngebäude ausweist, können wir 1857 zum Wohnhaus einen „Ökonomieteil“ feststellen. In diesem Zeitabschnitt, wahrscheinlich nach dem Kauf des Grundstückes mit 1,93 Tagwerk, also zwischen 1859 und 1867, wurde also angebaut. In diesen beiden Jahren wurde die Bausubstanz des Anwesens im Grundbuch jeweils mit „Wohnhaus mit Stall und Hofraum“ beschrieben. Die so genannte „Anhänge“, wie sie auf dem Foto von 1937 angedeutet ist, hat wahrscheinlich Gröbmayr angebaut. Zum Viehbestand stellt Lena Christ fest, die Kühe hätten täglich 10 – 12 Liter Milch gegeben. Demnach könnten es zwei gewesen sein. Hinzu kam der Ochs als Zugtier. Dieser Viehbesatz entspricht auch der Größe des Stalles.

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Glonn zur Zeit der Pichlers

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Glonn um 1855, Gemälde vo Markus Mesner. Im Hintergrund Schloß Zinneberg.

Der Ort Glonn, erstmals 774 urkundlich erwähnt, ist seit vielen Jahrhunderten Pfarrmittelpunkt. Die Bewohner lebten jahrhunderte lang hauptsächlich von Handwerk und Gewerbe. Bis ins letzte Jahrhundert gab es nur ein Anwesen, das von der Landwirtschaft alleine zu leben hatte, den Huberbauer. Alle anderen, 1855 waren 54 Hausnummern vergeben, hatten ein Handwerk oder Gewerbe und zusätzlich eine größere oder kleinere Landwirtschaft.
Die „Lebensadern“ Glonns waren seine drei Bäche: Glonn, Kupferbach und Schrankenbach. An diesen Wassern haben schon Kelten und Römer gesiedelt. Funde beweisen es. Der durch das Wasser in Glonn abgelagerte Tuffstein ist seit Jahrhunderten ein gesuchtes und vor allen Dingen ein ortsnahes Baumaterial. Das Wasser aber war auch die Basis für die sieben Mühlen in Glonn und im Mühlthal. Damit kommt Kundschaft in den Ort. Hinzu kam, dass die Herren auf dem nahen Schloss Zinneberg als Hofmarks- und Grundherren mit ihrer zeitweise landesweiten Bedeutung Arbeit und Brot nach Glonn brachten. Nicht umsonst beginnt die Glonner Hausnummerierung dort, wo man von Zinnberg aus in den Ort kommt. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts verlagert sich der Kreuzer Markt immer mehr nach Glonn. Glonn wird ständig größer, während die umliegenden Gemeindeorte gleich groß bleiben.

Glonn ist seit mindestens 1560 als Schulort nachgewiesen. Schon kurz nach dem 30-jährigen Krieg bekam es ein eigenes Schulgebäude. 1838 wurde das Schulhaus gebaut in dem Lena Christ und ihre Mutter die Schule besuchten. Buben und Mädchen wurden gemeinsam unterrichtet. Es gab zwei Klassenzimmer und damit zwei Gruppen.

Die „Bauernbefreiung“ von 1848 veränderte nicht nur in Glonn die landwirtschaftlichen Strukturen. Der Wegfall des Obereigentums macht es möglich, dass ganze Anwesen sowie Einzelgrundstücke frei gehandelt werden können. Es ist die Chance für die Tüchtigen, aber auch das Verderben für die weniger Tüchtigen und Glücklosen. Hinzu kommt, dass sich die Bewirtschaftungsmethoden verbessert haben. Das ehemals brachliegende Drittel der Dreifelderwirtschaft wird nun mit Klee oder Blattfrüchten bebaut. Damit wird der Viehbestand verbessert, so dass über den höheren Anfall an Dung höhere Getreideerträge möglich werden. Das bedeutetet wiederum für Glonns Mühlen, aber auch für das Glonner Gewerbe mehr Kundschaft und mehr Aufträge. Wenn in Glonn bereits 1854 ein Gesellenverein gegründet wurde, so zeigt das, dass sich im Glonner Handwerk ein neues Standesbewusstsein zeigte. Die größeren Ernteerträge und der höhere Viehbestand bedingten größere Gebäude. Die Bauwirtschaft erlebte einen Aufschwung. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich Mathias Pichler, 1851 nur „Hansschusterhäusler“ genannt, ab 1855 Maurer nennt. In Glonn siedelten sich aber auch neue Branchen an. So ein Glaser, ein Hutmacher und ein Uhrmacher. 

Seit Jahrhunderten gab es in Glonn nur einen Wirt (Post). Ab 1855 hieß er Wolfgang Wagner. Er war überregional bekannt. Ab 1881 war er Mitglied des Bayerischen Landtages und ab 1884 auch Mitglied des Deutschen Reichstages. Seine Landwirtschaft mit rund 200 Tagwerk Grund war ein guter Rückhalt. Er war konkurrenzlos und hat in seinem Gasthaus für 558 Personen „bequem“ Platz. In fünf Stallungen konnte er 81 Pferdestände anbieten und in seinem „Hof“ hatten rund 40 Fuhrwerke Platz. Sein Nebenzimmer war für „distinguierte Gäste“, also von anderen zu unterscheidenden, reserviert. Und wenn in seinen Inventarangaben auch 36 Kaffeetassen mit Goldrand angegeben sind, zeigt das, auf welche Gäste es er unter anderen auch abgesehen hatte. Seine Kapazität wird er wohl im Hinblick auf die 4 Jahrmärkte, jeweils Sonntag und Montag, und auf die Feste des Jahres abgestellt haben. Aber auch an normalen Sonntagen kamen 1500 Personen zur Pfarrkirche und wie es 1858 heißt, wurde „vor und nach dem Gottesdienst dem Wirtshaus zugesprochen“. Dies konnten sich sicher nicht alle leisten.

Das gesellschaftliche Leben des „kleinen Mannes“ wird sich, wenn überhaupt, aber in den ehedem fünf Branntweinschänken Glonns abgespielt haben. Wie Lehrer Dunkes 1858 schreibt, habe „sich schon mancher nebst stinkendem Atem ein zitterndes Siechtum, ja sogar den Säuferwahnsinn“ darin geholt. Das Bedürfnis nach einem weiteren Gasthaus war groß. Es gipfelte in dem Versprechen anlässlich der Wahl des Gemeindevorstehers im Jahre 1857 des Bonifac Gruber. Wenn er die Wahl gewinne, bekomme Glonn ein zweites Wirtshaus. Mit Sattlermeisters Gruber wurde erstmals ein Nichtlandwirt gewählt.

Die Verwirklichung des zweiten Wirtshauses ließ allerdings auf sich warten. Das bestehende Gewerberecht stellte auf die Bedürfnisfrage ab. Damit verhinderte Wagner eine mögliche Konkurrenz 4 Jahre lang. Erst 1862 konnte Schlickenrieder den Gasthof „Neuwirt“ gegenüber dem Hansschusterhaus eröffnen. Er, der „Christlmüller“ war Eigentümer einer Mühle und Säge, einer ausgedehnten Branntweinbrennerei sowie einer Landwirtschaft. Außerdem betrieb er einen Holzhandel „in großartigem Maßstab“. Sein Gründungsmotiv war sicher nicht, einem Bedürfnis der Bevölkerung nachzukommen, vielmehr wollte er mehr Ansehen und Einfluss geltend machen. Mit dem Bau des „Neuwirt“, mit dem er sich übernommen hatte, war er dann Eigentümer des höchsten Gebäudes am Ort, außer der Kirche.

Aber nicht nur der Schlickenrieder wollte als Wirt „mehr“ sein. Bis 1876 wurden in Glonn noch weitere sechs Wirtschaften gegründet. Eine betriebswirtschaftliche Kalkulation ist dabei bei keinem nachzuweisen. Die Neugründungen wurden sicher damit begünstigt, dass das neue Gewerberecht nicht mehr auf die Bedürfnisfrage abstellte. Zu prüfen war nur mehr das Baurecht. Es scheint so zu sein, dass Wirt oder Wirtin zu sein für Normalbürger ein sehr erstrebenswertes Ziel war.

Mit der Einverleibung Bayerns in das Deutsche Reich im Jahre 1871 begann die sogenannte Gründerzeit. Sie ging auch an Glonn nicht vorüber. Zahlreiche Häuser wurden neu gebaut. 1864 wurde Glonn Postort. Ab 1883 kam die Personenbeförderung ab Glonn hinzu. Aber auch die Zahl der Vereinsgründungen bis hinein ins neue Jahrhundert zeugen von einem regen gesellschaftlichen Leben. Diese Zeit hatte ihren Höhepunkt mit dem Anschluss ans Bahnnetz im Jahre 1894. 1901 wurde Glonn zum Markt erhoben.

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Die Mutter Magdalena Pichler

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Magdalena Isaak als gestandene Wirtin.

Das vierte Kind der Maurereheleute Mathias und Anna Pichler, Magdalena, wurde laut Taufbuch am „1. Jänner 1860, um 1/2 8 Uhr früh“, im Hansschusterhaus „ehelich“ geboren. Hebamme war Johanna Noder aus Glonn. Getauft wurde durch den Kooperator Anton Heigl noch am gleichen Tag. Taufpate war Michael Meßner, Meßnersohn von Berganger. Nach dem Familienstandsbogen der Gemeinde, der vor 1878 angelegt wurde, ergibt sich allerdings das Geburtsdatum mit 30.12.1859. Dieses Datum dürfte auf mündlichen Angaben der „Hansschusters“ beruhen und kann nicht richtig sein. Auch bei der 1857 geborenen Anna ist das Geburtsdatum im Familienbogen falsch erfasst. Magdalena wohnte mit ihrem fünf Jahre älteren Bruder Mathias und ihrer drei Jahre älteren Schwester Anna bei den Eltern in Glonn. 1861 kam Schwester Therese hinzu. Sie verstarb 1871. Ab spätestens 1868 wissen wir auch von mindestens einem Kostkind (siehe „Kostkinder“) das am Tisch des Hauses saß. Es werden aber mehr gewesen sein.

Magdalena wird wohl 1866 mit der Schule begonnen haben. Schuljahresbeginn war damals der 1. Mai. Eingeschult wurde nach dem Jahrgang und so dürfen wir annehmen, dass sie als zu Jahresbeginn Geborene die Älteste in ihrer Klasse war, natürlich mit Ausnahme der „Sitzenbleiber“ des letzten Jahrganges. Also ein guter Start. Das Schulgebäude war 1838 erbaut worden und stand gegenüber der Kirche. Buben und Mädchen wurden gemeinsam unterrichtet. Es gab zwei Klassenzimmer und damit zwei Gruppen. Schulleiter war bis 1868 der aus Freising stammende Johann Baptist Dunkes und ab 1868 Theodor Kolmsperger. Sie waren in der Regel auch Organisten und Gemeindeschreiber. Hilfslehrer waren Johann Steckenbiller bis 1868 und dann Waldemar Kufner. Diese waren üblicherweise für die jüngeren Jahrgänge zuständig. Bis 1869 hieß der Pfarrer Jakob Pröbstl. Ihm folgte der aus München stammende Josef Späth. Die Kooperatoren während der Schulzeit von Magdalena waren nacheinander Michael Breitenauer, Anton Braun und Johann Fing. Letzterer stammte aus Brigels in der Schweiz.

Nach der Schulentlassung, wenn nicht schon in den letzten Schuljahren, war es üblich, dass Häuslerkinder zum „Dienen“ mussten. Das heißt in der Regel zu einem Bauern. Sie mußten dort die „niedrigeren“ Dienste verrichten. Außer der freien Kost gab es keinen Lohn. Selbstverständlich gab es auch die Möglichkeit, eine Handwerkslehre zu beginnen. Doch das kostete die Eltern Lehrgeld. Aber das könnten sich die Hansschusters sicher nicht leisten. Und wenn der 1889 34-jährige Bruder Mathias noch als „Dienstknecht“ bezeichnet wird, so ist mit Sicherheit auszuschließen, dass Magdalena eine Lehre machen durfte. Für Mädchen war dies sowieso so gut wie ausgeschlossen.

Wer zum „Dienen“ geschickt wurde, hatte bestimmt kein leichtes Leben, entlastete aber den heimischen Tisch und machte einen Platz im Bett frei. Häufig genug mußten sich Geschwister oder Kostkinder ein Bett teilen. „Dienen“ bedeutete aber auch etwas anderes sehen und hören und vor allen Dingen das Erlernen der Haus- und Landwirtschaft, was immerhin die Grundlage für eine, wenn auch bescheidene „Karriere“ bedeuteten konnte.

Der siebenjährigen Volksschule folgte die „Feiertagsschule“. Sie dauerte 3 Jahre und war auf Sonntag Vormittag oder Nachmittag, vom anderen Geschlecht getrennt, angesetzt. Sie beinhaltete neben Religionsunterricht und Lebenskunde für die Buben zum Beispiel Obstbau und für die Mädchen Handarbeitslehre. Soweit Magdalena in Glonn „Dienst“ tat, wird sie auch diese Schule durchlaufen haben.

Wie schon ausgeführt, war Glonn ein Handwerker- und Gewerbeort. In der Kinder- und Jugendzeit der Magdalena waren in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hansschusters zwei Müller, ein Wagner, ein Seiler, ein Schneider, ein Schlosser, ein Weber, ein Schuster, ein Drechsler –jener unterhielt mit seinen Söhnen eine Musikkapelle, ein Nagelschmied, ein Hufschmied, dann der Neuwirt und der Huberwirt. Aber auch die nicht in nächster Nachbarschaft liegenden Handwerker sind nicht weit entfernt, so dass Magdalena wissen konnte, was und wie in Glonn produziert und gehandelt wurde.

Wie ebenfalls schon beschrieben, fiel in die Kinder- und Jugendzeit von Magdalena die Gründung von neuen Betrieben, insbesondere von sechs neuen Glonner Gastwirtschaften. Wie wir in einem Aufsatz des Verfassers „Glonn und seine Wirte“ (Land um den Ebersberger Forst, Band 3/2000) nachlesen können, waren diese Gründungen immer wieder von Intrigen begleitet. Sie waren für Glonn nicht nur ein wirtschaftliches Ereignis, sondern auch ein zutiefst gesellschafts- und sozialpolitisches. Mit der Wahl des aufmüpfigen und 1832 aus Ebersberg zugezogenen Sattlermeisters Bonifac Gruber zum Gemeindevorsteher (Bürgermeister) im Jahre 1857, der Wirt Wagner wollte dies mit allen Mitteln verhindern, war eine Schallmauer durchbrochen. Endlich wurde es dem übermächtigen Wagner gezeigt. Dies muss kleine Leute wie auch die Hansschusters beeindruckt haben. Vor diesem Glonner Hintergrund, aber auch in Verbindung mit der Euphorie der Gründerzeit ist erklärlich, dass Magdalena nach oben strebte, eben Wirtin werden wollte.

In Glonn konnte sie nichts werden und schon gar keine Wirtin, das schien allein von der Herkunft her schwierig, wenn nicht gar unmöglich. In München, wo man anonym war, wo man ihre Herkunft nicht kannte, schon eher. Und so zog es sie nach München. Wie und wann genau, kann nicht rekonstruiert werden. Jedenfalls ist sie vom 4.6. – 1.10.1877 bei Polizeirat Franz Bauer gemeldet. Dies entnehmen wir der „Legitimation“ (Personenstandspapier) aus dem Stadtarchiv München, die am 5.6.1877 für „Magdalena Pichler, Maurertochter, Dienstmagd“ angelegt wurde. Das Geburtsdatum ist mit 30.12.1859 angegeben und später auf 1.1.1860 ausgebessert. Der Irrtum beruht wahrscheinlich auf falschen Angaben der Gemeinde Glonn. Demnach hätte Magdalena bei ihrer Anmeldung in München ein Dokument aus Glonn vorgelegt. Sie selbst wird wohl ihr Geburtsdatum 1.1.1860 gewusst haben. Was verwundert, ist, dass sie am 5.6.1877 als „Dienstmagd“, aber dann, vermutlich beim Austritt am 1.10.1877, als „Köchin“ benannt ist. Konnte sie in diesen knapp 4 Monaten von der Dienstmagd zur Köchin aufsteigen? Während der Zeit beim Polizeirat wohnte Magdalena in der Weinstrasse 13/II, vermutlich in Untermiete.

Die „Legitimation“ sagt aus, dass Magdalena ab 1.10.1877 bis 6.4.1879 bei von Lindwurm, Professorentochter, arbeitete. Die Tätigkeit ist nicht benannt. Sie wohnte in der Neuen-Peter-Straße 6/III. Vermutlich war dies die Wohnung der Dienstgeberin. Wo Magdalena vom 6.4.1879 bis 4.7.1879 lebte und arbeitete, ist nicht bekannt. In München jedenfalls ist sie nicht gemeldet. Am 4.7.1879 begann sie ein Dienstverhältnis bei Josefa von Huther, Hofrathsgattin, vermutlich in der Hildegardstrasse 1/III, denn dort ist auch Magdalena gemeldet. Das Dienstverhältnis ist vom 1.9.1881 bis 6.1.1882 unterbrochen. In dieser Zeit war sie wahrscheinlich im Glonner Elternhaus, jedenfalls am 30.10, wo sie ihre uneheliche Tochter Magdalena (Lena Christ) zur Welt brachte. Zu fragen ist: Warum verlässt sie 2 Monate vor der Geburt ihre „Herrschaft“? Damals mussten die Mütter, jedenfalls solche die im „Dienst“ waren, bis zur Niederkunft arbeiten. Die Vermutung liegt nahe, dass sie gegenüber der Familie Huther die Schwangerschaft geheim halten wollte und als dies nicht mehr möglich war, unter irgendeinem Vorwand den Dienst unterbrach. Solche Praktiken sind bis in höchste Kreise hinein bekannt. Während sie ihr Kind bei den Großeltern in Glonn belässt, wird das Dienstverhältnis nach dem 6.1.1882 bei Hofrat Huther fortgesetzt. Es dauert bis 1.4.1883 an.

Ab 2.4.1883 ist Magdalena als Köchin im Haushalt bei Hugo Freund, Briennerstraße 3/II, angestellt, wo sie auch wohnt. Freund zieht im Oktober 1886 in die Gabelsbergerstrasse 1 b, mit ihm wahrscheinlich auch seine Köchin. Er ist Bankdirektor bei der Süddeutschen Bodenkreditbank, Die Freunds sind in Hessen gebürtig. Dieses Dienstverhältnis dauert bis 30.9.1888. Am 30.10.1888, dem siebten Geburtstag ihrer Tochter, heiratet sie „Josef Jsaak, Gastwirth v. hier“. So steht es in der „Legitimation“. Der Eintrag der unehelichen Tochter in die „Legitimation“ lautet: „Magdalena Pichler, geb. 30.10.1881 zu Glonn lt. prod. Geb. Urkunde des St.A. Glonn d.d. 30.9.1895″. Demgemäß erfolgte dieser Eintrag erst 1895 oder später. Warum?

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Magdalena Pichler, die laut Peter Jerusalem wie ihre Mutter und ihre Tochter hysterisch war, wusste was sie wollte, sich durchsetzten konnte und für ihre eigene Existenz hart arbeitete und auch kämpfte. -13- Überdies wollte sie Ehre und Anerkennung für sich in Anspruch nehmen. Zum „Haben“ gehörte bei ihr eben auch das „Sein“. Ihr „lediges Kind“ war ihr dabei sicher ein großes, wenn nicht ihr größtes Hindernis. Und das bekam das „Lenerl“ ein Leben lang immer wieder zu spüren. Die Mutter war eben eine durch Herkunft und Leben geprägte „harte“ Frau. Aber diese Mutter- Kind Beziehung ist für diese Zeit kein Einzelfall, soweit Vater und Mutter nicht später eine Ehe schlossen, eher die Regel.

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Ein „lediges“ Kind

Am 1. November 1881 erschien die Hebamme Barbara Eichner, genannt die „Schwabin“ von Steinhausen, beim Glonner Standesamt und zeigte an, dass von der ledigen Magdalena Pichler, Maurerstochter von Glonn, katholischer Religion, wohnhaft bei ihren Eltern Mathias und Magdalena Pichler zu Glonn Hausnummer 48, am 30. Oktober 1881, nachmittags um halb drei Uhr, ein Kind weiblichen Geschlechts geboren worden sei, welches den Vornamen Magdalena erhalten habe. Dieser Eintrag wurde von Barbara Eichner und vom Standesbeamten Nikolaus Niedermayr unterzeichnet. Letzterer war Bürgermeister und „Heckmair“ von Glonn. Er war Vater des Ortschronisten Johann Baptist Niedermair. Übrigens, die „Schwabin“ verstand ihr Geschäft, sonst hätte man sie nicht auch zu den Geburten der Scanzonis nach Zinneberg geholt. Der Senior des Hauses war immerhin der weltweit bekannte Gynäkologe Friedrich Wilhelm von Scanzoni.

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Über diesen Taufstein in der Glonner Pfarrkircheerhielt das Hansschusterlenerl am 30.10.1881 von Pfarre Späth das Sakrament der Taufe.

Beim Standesamtseintrag, der von Lehrer Hecht geschrieben ist, wurde für das Hansschusteranwesen statt der richtigen Hausnummer 38 die „48″ eingetragen. Die Hebamme, die bei den „Ledigen“ anstatt eines Vaters gewöhnlich vor dem Standesamt erschien, wusste es eben nicht so genau. Ursprünglich ist in der Standesamtsurkunde kein Vater erwähnt. Erst am 11. August 1939 wird vom damaligen Standesbeamten und späteren Bürgermeister Anton Decker in einem Nachtrag auf Karl Christ verwiesen.

 

Laut dem Taufmatrikel wird die kleine Magdalena noch am Tag ihrer Geburt von Pfarrer Joseph Späth getauft. Als Vater ist nach Angaben der Mutter Karl Christ, protestantisch, von „Menigsroth“ bei „Dünkelsbühl“, Schmiedgeselle, angegeben. Eigentlich heißt der Ort „Mönchsroth“. Als Taufpate eingetragen ist Michael Putz, Gärtner, Kanalstrasse 43 (wohl München). Bei der Taufe vertritt die Hebamme den Paten. Warum ein Pate aus München?

Unehelich geborene Kinder sind in dieser Zeit keine Seltenheit. Von den im Jahre 1881 im Glonner Taufmatrikel registrierten 48 Geburten waren 8 Kinder unehelicher Herkunft. Die Mütter mit „ledigen“ Kindern hatten es im Leben und erst recht bei der Suche nach einem Hochzeiter sehr schwer. Es kommt immer wieder vor, dass sie ein zweites Mal mit einem „Ledigen“ aufwarten. Wahrscheinlich deswegen, weil sie für Eheversprechen anfälliger waren. Eine Ehe wäre für Mutter und Kind oftmals „die Lösung“ gewesen. Aber es blieb halt oft nur beim Eheversprechen und zur Ehe kam es nicht.

Zudem wurden sie oft als Schande der Familie gesehen, gedemütigt und manchmal sogar von ihr verstoßen. Erst recht, wenn der Vater nicht der „Richtige“ war. Nicht nur wenn sie im „Dienst“ waren, mussten sie ihre Kinder oft in „Kost“ geben. Wenn der Vater nicht zahlte, ging alles zu Lasten der Mutter und das was man sich ersparen wollte, musste für das Kind ausgegeben werden. Wohl der ledigen Mutter, die Eltern hatte, die das Kind aufnahmen und damit den weiteren Lebensweg der Tochter positiv beeinflussten. So aufgewachsene Kinder blieben dann auch oft genug Kinder der Großeltern und hatten zu den leiblichen kaum mehr eine elterliche Beziehung. Die beste Lösung für das Kind war immer, wenn Vater und Mutter später heirateten. Das alte Namensrecht, nach dem ein „Lediges“ den Familiennamen des Vaters anzunehmen hatte, begünstigte dies. Das Kind hatte dann nach der Heirat den richtigen Familiennamen. Wenn die Mutter einen anderen heiratete und ihr Kind in diese Ehe einbringen konnte, war dies in der Regel zum Wohle des Kindes. Oft genug mussten Mütter bei einer solchen Heirat große Zugeständnisse machen.

Aber auch die „ledigen“ Kinder waren oft ein Leben lang gebrandmarkt. Ihr Einstieg ins Leben begann eben auf einer unteren Stufe. Als Kinder der Sünde, wie sie auch genannt wurden, hatten sie weniger Chancen aufzusteigen. Zudem waren die Mitgift und Erbaussichten bei nur einem Elternteil wesentlich geringer. Der Vater war vom Gesetz her ja nicht verwandt.

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Die Vaterschaft

Der Taufmatrikeleintrag weist, „nach Angaben der Mutter“, den Schmiedgesellen Karl Christ. Protestant aus „Menigsroth“ bei „Dünkelsbühl“, als Vater aus. Es handelt sich hier um den Ort Mönchsroth. Die gewählte Schreibweise „Menigsroth“ läßt darauf schließen, dass die Mutter Magdalena Pichler den Ortnamen nur vom Hören, im Dialekt gesprochen, kannte.

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Im Glonner Taufmatrikel. Eintrag des Kindsvaters

Am 7. Dezember 1881 wird vor Amtsrichter Gruber in Ebersberg die Pflegschaft geregelt. „Es erscheinen 1. die ledige großjährige Maurertochter Magdalena Pichler von Glonn, 2. deren Vater, der verheiratete Maurer Mathias Pichler von da, 3. der ledige großjährige Bedienstete Karl Christ von Mönchsrod Bez. Amt Dingelsbühl zur Zeit bedienstet bei Herrn Rittmeister Hornig in München“. Die Mutter bittet darum, ihren Vater Mathias Pichler als Vormund zu verpflichten „und bezeichnet dann auf VorhaltKarl Christ als den Vater des Kindes. Der Vater verpflichtet sich bis zum zurückgelegten 14. Lebensjahr des Kindes jährlich 120 Mark zur Alimentation beizutragen, ferner bis zum 14. Lebensjahr die Hälfte des Schulgeldes und „die allfälligen Kur-und Leichenkosten zu entrichten“. Die Alimente sind monatlich auszuzahlen. Die Tauf- und Kindbettkosten sind bar bezahlt. „Kautionen“ (Sicherheiten) zur Sicherung der übernommenen Verbindlichkeiten werden nicht verlangt. Unterschrieben wird das Protokoll von Magdalena Pichler, Mathias Pichler und Karl Christ. Ein Vermerk gibt Auskunft, dass eine Ausfertigung am 14.12.1881 an das Standesamt Glonn geleitet wurde.

 

Wer war Karl Christ? Geboren wurde er am 25.12.1854 in Mönchsroth. Sein Vater wird dort als „Bartlehner“ (Aushilfsarbeiter) bezeichnet. Vater und Mutter stammen aus der dortigen Gegend. Wie wir aus dem Pflegschaftsprotokoll beziehungsweise dem Taufeintrag wissen, war er Schmiedgeselle und bei Rittmeister Ewald Hornig in Diensten. Das Hauptstaatsarchiv München teilt mit, dass dieser von 1877 – 1886 Eskadron- Chef und Reitlehrer bei der Militär- Reitschule in München war . Bei dieser Schule gab es auch einen Schmied. Vermutlich war dieser Karl Christ. Auf Grund seines Alters dürfte er ein freiwillig länger dienender Soldat gewesen sein. Nachweise hierüber gibt es allerdings nicht.

Lena Christ schreibt in ihren Erinnerungen, als sie zwei Jahre alt war, sei der Vater auf der Reise nach Amerika mit dem Dampfer „Cymbria“ untergegangen. Nach den Nachforschungen von Hans Frey ist die „Cymbria“, sie war ein Auswandererschiff, am 17.1.1883 vom Hamburger Hafen Richtung New York ausgelaufen. Bei Nebel wurde sie vor der Insel Borkum vom englischen Dampfer „Sultan“ gerammt und sei innerhalb 15 Minuten gesunken. 32 Passagiere und 24 Besatzungsmitglieder wurden gerettet. Karl Christ war laut Passagierliste allerdings nicht Passagier der „Cymbria“. Diese Aussage hat auch Günter Göpfert in „Das Schicksal der Lena Christ“ übernommen.

Frau Dr. Elisabeth Wolf aus Nürnberg ist eine Christverwandte. Veranlasst durch Günter Göpferts „Das Schicksal der Lena Christ“ schildert sie im Internet die Familie Christ aus Mönchsroth und insbesondere Karl Christ. Hier einige Aussagen: Karl war das siebte Kind (von neun Buben und drei Mädchen) der Familie Christ. Er kam in Mönchroth zur Welt, erlernte das Schmiedehandwerk und machte sich nach der Lehrzeit auf den Weg. Nach Amerika auszuwandern sei schon damals seine Absicht gewesen. Für dieses Ziel habe er gespart. Ende der 70-er Jahre sei er nach München gegangen, wo er bei einem Rittmeister eine einträgliche Stelle annahm. Die Bezahlung sei aber meistens ausgeblieben. Er arbeitete dort als „Bedienter“ und hatte seinen Herrn (Hornig) überall hin zu begleiten. So auch zu einem Manöver nach Glonn. Logiert wurde beim Herrn von Lichtenfels (Scanzoni) auf Zinneberg. Christ verliebte er sich in die Köchin Magdalena Pichler. Die Folgen blieben nicht aus. Die Christs in Mönchroth erfuhren davon und meinten, dass jetzt die Heirat folgen müsse. Karl Christ lehnte mit dem Bemerken ab, „dann könne er ebenso gleich den leibhaftigen Satan heiraten“. Nicht lange darauf war er wie vom Erdboden gefegt, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Den Untergang mit der „Cymbria“ haben die Eltern zu keiner Zeit geglaubt und dass der sich so einfach davon gemacht hätte, ebenfalls nicht. Die Familie schloss ein Verbrechen nicht aus.

Wie Göpfert bemerkt, hatten die Christs eine bemerkenswert hohe Musikalität und teilweise auffallend gute Singstimmen. Bei Kirchweihen, Hochzeiten und Beerdigungen waren sie deshalb mit ihren Instrumenten gefragt.

Die Aussage, dass in Glonn ein Manöver gewesen sei, übernimmt Frau Dr. Wolf von Göpfert (1. Ausgabe) und dieser vom Altbürgermeister und Nachbar des „Hansschuster“ Johann Eichmeier aus Glonn (geboren 1894). Vom Geburtstag der Lena Christ ausgehend (30.10.1881) müsste das Manöver um Ende Januar 1881 gewesen sein. Hier ist festzustellen, dass für diese Zeit in Glonn kein Manöver nachzuweisen ist. Außerdem finden Manöver üblicherweise nicht im Winter statt. Überdies ergibt sich aus der „Legitimation“, dass Magdalena Pichler zu diesem Zeitpunkt bei Hofrat Huther in München im Dienst stand.

Vom Untergang der „Cymbria“ wurde damals sicher in den Zeitungen berichtet. Zu diesem Zeitpunkt war Magdalena Pichler bei Hofrat Huther in Diensten. In diesem Haushalt gab es höchstwahrscheinlich eine Zeitung. Könnte es sein, dass Magdalena Pichler so vom Cymbriauntergang erfuhr und Karl Christ als untergegangenen Passagier aus ihren und dem Leben ihres Kindes verwies? Dies wäre ein Indiz dafür, dass Karl Christ die Vaterschaft im Auftrag übernommen hatte. Ein weiterer Vorgang spricht ebenfalls dafür: Bei der Verheiratung im Jahre 1901 bekam Lena Christ, laut Günther Göpfert, neben einem Muttergut von 30.000 Mark ein Vatergut von 8.000 Mark. Wenn ein Vater schon 18 Jahre tot ist, wie kann er da ein Vatergut zahlen? Außerdem waren Väter damals erbrechtlich mit einem unehelichen Kind nicht verwandt. Es gab also keine gesetzliche Verpflichtung.

Wenn man davon ausgeht, dass sofort nach der Geburt eine Abfindung in Höhe knapp 4000 Mark bezahlt wurde, der Betrag über 20 Jahre mit einem damals üblichen Zins von 4% angelegt gewesen wäre, hätten sich im Jahre 1901 rund 8.000 Mark ergeben. Die Abfindung könnte sich zusammensetzen aus der gesamten Alimentation, für 14 Jahre a´ 120 Mark, also 1680 Mark zuzüglich eines pauschalen Schulgeldes und eines Schweigegeldes. Hatte die Mutter das Geld für ihre Tochter mündelsicher angelegt ? Dies ist nicht auszuschließen . Die „Hansschusters“, die das „Lenerl“ die ersten sieben Jahre versorgten, werden wohl nichts verlangt haben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Karl Christ nur der „amtliche“ Vater war, ist also groß. Aber wer dann? Unter anderen ist dabei der Umkreis von Rittmeister Hornig in Betracht zu ziehen. Hornig wurde 1843 in Schwerin geboren. Seine militärische Laufbahn begann er 1860 als „Freiwilliger“ in Bayern. 1866 wurde er zum Oberleutnant befördert. Er nahm an den Kriegen 1866 und 1870/71 teil. 1870 wurde er schwer verwundet. Ab 1874 war er dann Rittmeister. 1883 heiratete er Klara Böhringer, eine Fabrikantentochter aus Stuttgart. Für 1879 ist sein Jahresgehalt mit 3900.– Mark angegeben. 1887 wird er wegen seiner Kriegsverletzung pensioniert. 1913 verstirbt er in München.

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Im Glonner Taufmatrikel: Eintrag des Taufpaten Michael Putz

Hornig wohnte in München in der Kanalstraße 33. Der Taufpate, Michael Putz, ist im Taufmatrikel mit Wohnadresse Kanalstraße 43 angegeben. Laut seiner Steuerliste ist Putz 1852 geboren und als „Ausgeher, Officiendiener, Livreediener“ bezeichnet. Dass er, wie Christ, ebenfalls bei Hornig bedienstet war, ist wahrscheinlich. Sein Beruf und die Wohnung in der gleichen Straße wie Hornig sprechen dafür. Wo Christ in München wohnte, ist nicht bekannt. Magdalena Pichler wohnte ab 4.7.1879 in der Münchner Hildegardstraße, unweit der Kanalstraße.

 

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Ausschnitt aus dem Münchner Stadtplan von 1980 mit Canalstrasse und Hildegardstrasse.

Im Taufmatrikel ist als Adresse des Vaters Mönchsroth, also seine Heimat, und nicht die Wohnadresse in München, wie beim Taufpaten Putz, genannt. Beim Pflegschaftstermin am 7.12.1881, bei dem Karl Christ persönlich anwesend war, heißt es nur „der Bediente Karl Christ aus Mönchsroth ….. zur Zeit bedienstet bei Herrn Rittmeister Hornig in München“. Christ wohnte demnach in München. Wie im Taufbuch, so ist auch hier eine Wohnadresse in München, wahrscheinlich bewusst, vermieden worden. Eventuelle Rückfragen, von wem auch immer, konnten also nur über den Rittmeister gehen.

Rittmeister Hornig war mit den Scanzonis von Lichtenfels auf Schloss Zinneberg bei Glonn befreundet. Und so wird möglicherweise Albert von Scanzoni als Freund des Rittmeisters mit der Vaterschaft in Verbindung gebracht. Diese Vermutung stützt sich auch auf die Aussage, dass Magdalena Pichler auf Zinneberg Köchin gewesen sein soll, was sich inzwischen für den fraglichen Zeitpunkt als falsch herausgestellt hat. Auch Asta Scheib nimmt sich dieser Frage in ihrem Roman „Gärten des Herzens“ an, kommt aber zu keinem konkreten Ergebnis. In der Fernsehdokumentation über Lena Christ in der Reihe „Große Bayern“, die 2004 vom Bayerischen Fernsehen gedreht wurde und bei der Evita Bauer Regie führte, behauptet Mignon von Scanzoni hinsichtlich der Frage der möglichen Vaterschaft durch ihren Vorfahren Albert von Scanzoni gar : „Das Dorf Glonn hat das Schloss mit seiner Geschichte und diesen Verschönerungsverein, bei dem Albert von Scanzoni Vorsitzender war – er hat sehr viel getan für das Dorf Glonn- und die Geschichte von der Lena Christ. Und es liegt sehr nahe, dass man da eine Verbindung herstellt, das wertet die Geschichte dieses Ortes und der Gemeinde auf.“ Diese Aussage zeugt von purer Unkenntnis über Glonn und seinen Persönlichkeiten.

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Der Umschlag der „Aufschreibungen des Hyazinth Pfefferberger“. Dieses Werk wurde fälschlicherweise Albert von Scanzoni (1855-1914) zugeschrieben.

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Eine Schützenscheibe von 1883 zeugt vom Maltalent des Albert von Scanzoni.

Evita Bauer sieht in ihrer Dokumentation allerdings doch ein Indiz für eine mögliche Vaterschaft des Albert von Scanzoni und zwar hinsichtlich der Malerei und der Schriftstellerei. Eine Schützenscheibe und ein Bild beweisen das Maltalent Scanzonis. Weiter geht sie davon aus, dass er ein Buch mit dem Titel „Die Aufschreibungen des Hyazinth Pfefferberger“, eine Jagdgeschichte, die im Jahre 1912 erschienen ist, geschrieben habe. Der „Pfefferberger“ wurde allerdings nicht von Albert von Scanzoni auf Zinneberg, sondern von seinem Neffen gleichen Namens geschrieben.
Ob Lena Christ wusste, wer ihr leiblicher Vater war, ist zu bezweifeln. Sicher machte sie sich darüber zeitlebens ihre Gedanken. Hatte sie wenigstens eine Ahnung, dass es Karl Christ nicht gewesen sein könnte? Wenn ja, dann gingen ihre Gedanken wahrscheinlich in Richtung Zinneberg. In ihrer Geschichte „Wo ist mein Vater“ aus den Lausdirndlgeschichten, sucht sie ihren Vater. In der Münchener Gärtnerstraße drei wohnt Karl Krafft, Ordonanzfeldwebel a. D. . Hier glaubt sie zunächst, ihn gefunden zu haben. Aber sie hatte sich getäuscht. Hatte sie Karl Krafft mit Karl Christ verwechselt? Bei einem so gescheiten „Dirndl“ eher unwahrscheinlich. Ausserdem war er ja mit der „Cymbria“ verunglückt. Das „Krafft“ war allerdings im Vornamen der älteren beiden Söhne des Albert von Scanzoni enthalten, nämlich des 1883 geborenen Friedrich-Wilhelm-Krafft und des 1884 geborenen Krafft-Gustav. Bei beiden ging dieser Namensteil zurück auf ihren Großvater mütterlicherseits.
Vielleicht kannte sie die Scanzoni-Buben sogar von der Schule. Wollte Lena Christ mit dieser Geschichte in Richtung Zinneberg eine Spur legen?

Ein zweiter Vorgang: Im „Mathias Bichler“ geht es um eine „Arm- Reich Elternschaft“. Kathrin, die Angebetete des Titelhelden, ist die „ledige Tochter“ der Kathrin-Elisabeth Paumgartner, einer Bauernmagd. Beim Kühehüten der Magd hat der edle Herr Georg von Höhenrain, der auf Hirschjagd war, ein „großes Verlangen nach ihr gespürt“. Kathrin kam zur Welt. Der edle Herr zahlte ein Zehrgeld von zwölf Gulden für das Jahr und hat eine Aussteuer von 500 Gulden übergeben. Wer ist mit dieser Geschichte gemeint? Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn damit an das Schicksal der Mutter erinnert werden sollte, denn im „Mathias Bichler“ kommen Glonner Namen und Personen zahlreich vor.

Die Frage der Vaterschaft wird sich nie ganz klären lassen. Vielleicht war es auch einer außerhalb des oben beschriebenen Personenkreises. Etwa ein reicher Bürger, der nach obigem Beispiel eine Abfindung zahlte, oder gar ein „armer Schlucker“. Im letzteren Fall könnte zum Beispiel das sogenannte Vatergut von 8000 Mark, so wie das Muttergut von 30000 Mark, ebenfalls von der Mutter stammen. Damit hätte sie immerhin vorgetäuscht, dass sie sich nicht mit einem „Einfachen“, ausgenommen Karl Christ, den hatte sie ja angegeben, sondern mit einem „Reicheren“ abgegeben habe. Schaut doch gut aus! Schlau genug wäre Magdalena Pichler, verheiratete Isaak, gewesen. Aber letztlich weiß es nur sie. Sie hat ihr Geheimis mit ins Grab genommen.

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Im Hansschusterhaus

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Mattjias Pichler um 1870, fotografiert auf dem Münchner Oktoberfest.

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Der Großvater

Mathias Pichler, der Großvater, war für die kleine Lena sozusagen das Urbild eines Vaters: Hilfsbereit, gütig, fromm. Wie Lena Christ in den Erinnerungen schreibt, war er Schreiner, Maurer, Maler, Zimmermann, Kuhdoktor und Totengräber in einem. Und weil er sich auf all diese Handwerke verstand, glaubt sie, der Hausname sei „Handschuster“ und nicht wie es richtig und seit altersher heißen muss, beim „Hansschuster“ Er redete wenig, ging nicht ins Wirtshaus und zu keiner Wahl. Lesen und Schreiben habe er nicht gelernt.

Die Beurteilung des Großvaters stützt sich auf die Beobachtungen der Enkeltochter. Sie hat ihn eben nie gesehen wie er las oder schrieb. Eine Zeitung gab es beim „Hansschuster“ sicher nicht. Wenn etwas zu schreiben war, tat dies die Großmutter. Dass der Großvater Lesen und Schreiben gelernt haben musste, ist sicher. Seit 1802 war der Schulbesuch Pflicht. So hat er den Grundsteuerkataster von 1859 mit Unterschrift anerkannt. 1893 steht auf der Sterbeurkunde des „alten Hausl“ sein Namenszug. Diese beiden vorliegenden Unterschriften, obwohl der Zeitpunkt 34 Jahre auseinander liegt, sind sich sehr ähnlich. Aber auch seine Hypothekenbestellung und Grundstückkäufe muss er selbst unterschrieben haben. Wahrscheinlich hat er auch auf so manchem Bauwerk, wie es für seine Zeit öfter zu beobachten ist, seinen Namenszug hinterlassen. 1872 hat er für einen Betrag von 10 Mark das Gemeindebürgerrecht erworben. Auch ein politisches Interesse kann dem „Hansschuster“, zumindest in einem Fall, bestätigt werden. Beim Beschluss der Gemeindeversammlung zum Bau der Lokalbahn Grafing-Glonn am 4. September 1892 hat er per Unterschrift zugestimmt. Für seine letzte Unterschrift beim Verkauf des Anwesens war er eben schon zu krank und so konnte er nur mehr ein Kreuz als Handzeichen anbringen. Seine Tätigkeit als Totengräber lässt sich zum Beispiel für 1885 nachweisen. Für zwei „Gemeindearme“ kassierte er aus der Armenkasse jeweils 7.50 Mark an Begräbniskosten.

 Von Mathias Pichler ist lediglich ein Foto bekannt. Vermutlich ist es das einzige. Es zeigt ihn etwa 1870 auf dem Münchener Oktoberfest, bekleidet mit einem Gilet, das mit 12 Silberknöpfen besetzt ist und darüber eine Joppe, ebenfalls mit 12 Silberknöpfen. Diese Tracht kommt zwar bei uns vor, wird aber nach alten Fotos nur von Bauern getragen. Für Kleinhäusler, wie der „Hansschuster“ einer war, wäre dieses Gewand eher ungewöhnlich. Handelt es sich hier um ein „Fotografengewand“, wie es für Juxfotos auch heute noch üblich ist? Wahrscheinlich hat Lena Christ dieses Bild in Erinnerung, wenn sie schreibt, der Großvater trug ein geblümtes Samtgilet, darüber einen brauner Rock mit silbernen Knöpfen und dann einen blauen, faltigen Tuchmantel. Letzterer erinnert an ein Votivbild von 1787 in der Frauenreuther Kirche. 

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Ausschnitt aus einem Votivbild in der Frauenreuther Kirche. Der blaue Rock mit den Falten, den der abgebildete Beter trägt, erinnert an den Rock des Hansschusters, wie er ihn getragen haben soll.

Mathias Pichlers Lebenskreis war beschränkt, so weit man halt zu Fuß gehen konnte: Zur Arbeit als Maurer auf die umliegenden Baustellen, dies werden wohl seine häufigsten Gänge außerhalb Glonns gewesen sein. Nach München konnte man zwar ab 1857 ab Westerham und ab 1871 von Grafing aus mit der Bahn fahren. Einen solchen Luxus wird sich der „Hansschuster“ in seinen jüngeren Jahren aber nicht geleistet haben. Wenn schon nach München, dann entweder zu Fuß, oder ein Fuhrwerk hat ihn mitgenommen. Zum Beispiel ab 1854 der „Bot von Glonn“, der hiesige Fuhrunternehmer. Für die fünf Aufenthalte in München ab etwa 1888, die Lena Christ dem Großvater zuschreibt, wird er die Bahn ab Grafing benutzt haben. Aber zum Viehmarkt nach Holzkirchen ging er sicher zu Fuß. Die höchstens siebenjährige Enkelin durfte mitgehen, immerhin einfach fast 20 Kilometer.

Als etwa Dreizehnjährige durfte Lena Christ in Haslach Ferien machen. Der Großvater war schon schwer krank. Im darauf folgenden Dezember kam dann das Telegramm der Großmutter nach München: „Lenei komm, der Vater stirbt“. Es war wohl sein sehnlichster Wunsch, seine Enkelin noch einmal zu sehen. Aber die Mutter ließ sie nicht fahren. Der Huberwirt kommentiert diesen Vorgang beim Leichenmahl gegenüber der Witwe so: „Dös is des Irgst, dass´s Leinei nimma kemma hot derfa, bevor der Handschuasta´ gstorb´n ist… Hot immer g´sogt kimmt´s Lenei no net?“ Wahrscheinlich wäre sie sonst bei seinem Sterben dabei gewesen, denn schon am anderen Tag kam wieder ein Telegramm: „Vater tot, er wird am Samstag eingegraben“. Man schrieb den 5. Dezember 1894. Sanitätsrat Lebsche, der Vater des bedeutenden Professors, Max Lebsche, nennt als Todesursache „Zuckerharnruhr“. In der Stube lag er aufgebahrt. Die Nachbarn werden ihm das Grab geschaufelt haben und sie haben ihn nach der Aussegnung zum Friedhof getragen. Genau so, wie der „Hansschuster“ diesen Dienst über Jahrzehnte hinweg auch seinen Nachbarn erwiesen hat. So war es Brauch.

Schier endlos, wie Lena Christ schreibt, war der Zug der Leidtragenden und erst jetzt merkte man , wie geehrt und beliebt der „Hansschuster“ in der Gegend gewesen war. Pfarrer Späth hat ihm am 7.12. das letzte Geleit gegeben und bei der Grabrede an den felsenfesten Glauben des Verstorbenen erinnert. Und weiter schreibt sie: „Nach der Beerdigung begaben sich die Mutter, die Nanni mit Angehörigen, der Bastian und die Kostkinder zum Huberwirt, um Leichenschmaus zu halten. Die Großmutter wollte nicht mitgehen, ließ sich aber überreden wenigstens in die Küche des Wirtes zu kommen. Die Verwandtschaft aus München war auch auf der Beerdigung. Hernach waren sie in der Wirtschaft, wo sie noch mit Freibier und gutem Mahl vom Vater bewirtet wurden. Die Verwandten gerieten wegen der Habseligkeiten des Großvaters in lebhaften Streit.“

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Die Großmutter

Magdalena Pichler, geborene Hauser, war die Stiefgroßmutter und Großtante der Lena Christ. Während ihrer Glonner Zeit war sie ihre wichtigste Bezugsperson. Sie ersetzte nicht nur die leibliche Mutter, sondern war dem Lenerl mehr als diese. Und wenn Lena Christ in den „Lausdirndlgeschichten schreibt: „Im Gegensatz zu München gab es in Glonn am Tag fünfmal zu essen und keine Prügel“, dann kennzeichnet das ihre Wertschätzung.

Nach dem Tod seiner ersten Frau Anna hat der Großvater die Schwester der Verstorbenen 1871 geheiratet. Sie ist Jahrgang 1823, damit vier Jahre älter als ihr Mann. Sie stammte aus Öd in der Schönauer Pfarrei, ihr Vater aus Westerndorf bei Glonn. Wie wir vorher schon festgestellt haben, leben sie und ihre Schwester Maria bereits seit 1864 mit eingetragenem Wohnrecht auf dem Anwesen. Und wie das des Großvaters, so begeistert das Lenerl auch das Gewand der Großmutter: Es war ein schönes Kleid, das bald bläulich, bald rötlich schimmerte und ein schwarzseidenes Kopftuch. Dieses Gewand entspricht dem, was damals in Glonn getragen wurde.

Eigentlich war die Großmutter Näherin und wie es damals so üblich war, sicher häufig auf der „Stör“, also bei der Kundschaft vor Ort. Sie nähte Mieder und war wegen ihrer Geschicklichkeit berühmt und gesucht. Neben dem Motiv, ihrer kranken Schwester zu helfen, könnte Glonn als Wohnsitz auch deshalb gewählt worden sein, weil es hier mehr Kundschaft gab. Lena Christ schreibt, dass sie in ihrer Jugend Mitglied und später Präfektin des weltlichen Dritten Orden des Hl. Franziskus war. Deswegen brauchte sie für die Heirat eine päpstliche Erlaubnis. Die „Dispens“ ist im Pfarrmatrikel vermerkt. Diese Erlaubnis soll unter der Bedingung erteilt worden sein, dass eine „Josefsehe“ zu führen sei. Wolfgang Koller hält dies für eine „romanhafte Zutat“. Dass aber der „Hansschuster“ seine Frau mit großer Hochachtung schätzte und ihr nie ein böses Wort gab, wird bestätigt. Ihr christlicher Glaube äußerte sich auch im Vorlesen von uralten heiligen Büchern. Für die Hilfe der Muttergottes zu Frauenbründel und Birkenstein hatte sie stets Beispiele parat. Soweit Lena Christ. Dass sie auch Abbeten konnte, zeugt ebenfalls von ihrer Religiosität. Aber auch das Verabreichen von Hausmitteln zeugt von ihrem Können und ihrer Hilfsbereitschaft. Sie war eben eine gescheite Frau, sonst hätte man sie nicht zur Präfektin ihres Ordens erkoren.

Dass die Großmutter nie eine Volkschule besuchte, wie Lena Christ schreibt, und Lesen und Schreiben nebenbei in der Frauenarbeitsschule erlernte, kann genau so wenig stimmen wie beim Großvater. Bei der zitierten „Frauenarbeitsschule“ handelte es sich wohl um die Feiertagsschule mit Christenlehre, die pflichtgemäß nach der Volksschule von allen 3 Jahre lang zu besuchen war. Hier erlernte sie Handarbeiten und Nähen. Ihrer besonderen Gelehrsamkeit und Geschicklichkeit hat sie es wohl zu verdanken, dass sie daraus einen Beruf machen konnte. Ob sie ihre Fertigkeiten auch bei einer gelernten Näherin vervollkommnen konnte, ist nicht bekannt.

Am 15. August 1894 verkaufen ihr tot kranker Mann und sie das Handsschusteranwesen an Josef Gröbmayr. Aus dem Verkaufserlös werden 1000 Mark für sie zurück gestellt. Ihr Mann verstirbt bereits am 5. Dezember 1894. Wie Lena Christ schreibt, ist sie, kaum eine halbes Jahr nach dem Tod des Großvaters, zu Verwandten gezogen, zur Stieftochter und Nichte Anna („Nanni“) Schlosser nach Haslach. Schon beim Tod des Mannes war sie schneeweiß, fast erblindet und zahnlos. Sie beklagte sich später in München über die rohe Behandlung und wollte nicht mehr nach Haslach zurück, sondern wieder ins Hansschusterhaus. Die Münchner Stieftochter meinte, um ihre 1000 Mark könne sie auch bei ihr in München bleiben. Aber auch Stiefsohn Mathias hatte daran Interesse. Man konnte sich nicht einigen und sie kam zurück nach Haslach. Oft klagte sie der neuen Hansschusterin ihr Leid. Diese behielt sie manchmal tagelang bei sich, wie es heißt. Die Schlossers verkauften das Reisplanwesen in Haslach 1902 und kauften sich in Sindelhausen ein. Schon vom „Schlag“ getroffen wurde die Greisin auf holpriger Strasse dorthin transportiert. 1905 verstarb sie dann. Und Lena Christ schreibt, dass sie bei der Grabrede „Mutter der Verlassenen und Verwaisten“ genannt wurde. Niemand aber wollte das Begräbnis zahlen – es zahlte die Gemeinde.

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Der „alte Hausl“

Der alte Hausl aus den „Erinnerungen“ hieß Balthasar Reithuber und nicht Balthasar Hauser, wie ihn Lena Christ nannte. Er war Junggeselle und verbrachte seinen Lebensabend, seinen Austrag, beim Hansschuster. Er bewohnte eine an die Wohnstube anschließende Kammer, sicher nicht umsonst. Ob er dafür selbst zahlen konnte, oder ob die Gemeinde für ihn aufzukommen hatte, ist nicht bekannt. Wo, wie lange und was der „Hausl“ gearbeitet hat, entzieht sich ebenfalls unserer Kenntnis. Vermutlich die letzten Jahrzehnte nicht beim gleichen Bauern, sonst wäre er dort im Austrag gewesen, so war es damals üblich. Geboren wurde der Hausl am 4. Dezember 1814, als dritter von vier Buben, in Doblberg. Der Vater Kaspar Reithuber war Stegmüllerssohn aus dem Mühltal und die Mutter, mit Mädchennamen Nopper, ist in Gutterstett bei Moosach als lediges Kind geboren. 1811 erwarben die Eltern das Wimmeranwesen in Dobelberg. Aber schon 1814, noch vor der Geburt des Hausl mussten sie das Anwesen wieder hergeben. Sie zogen ins benachbarte Mesneranwesen, wo der Vater dann als Inwohner und Tagwerker gemeldet war. Laut Glonner Standesamt erscheint am 20. April 1893 Mathias Pichler und zeigt an, dass sein Mieter, der ledige Taglöhner Balthasar Reithuber verstorben sei. Pichler der die Urkunde eigenhändig unterschreibt, nennt als Vater des Verstorbenen Balthasar Reithuber, eigentlich hieß er Kaspar, und für die Mutter weiß er weder Vor- noch Taufnamen. Allzuviel hatten beide miteinander scheinbar nicht geredet.

Lena Christ hat in ihren „Erinnerungen“ den „Hausl“ als wenig beliebt, barsch und als Geizhals geschildert. Als sie ihn als Kind bewusst erlebte, war er immerhin schon um die 70 Jahre alt, also 13 Jahre älter als der Großvater. Dass ihr der Hausl zum Glonner Markt ein Fünferl geschenkt hat, lässt auf ein nicht allzu schlechtes Verhältnis schließen. Seine paar Habseligkeiten hat er in einer absperrbaren Wandnische versteckt, eine damals übliche Praxis. Nach seinem Tod holten die Verwandten des Hausl seine Sachen. Den Schatz im Wandschrank, dessen Türe überweißelt war, haben sie allerdings übersehen. Diesen Schatz hat der Großvater für das Lenerl aufbewahrt. Bei dessen Tod aber ging er an die Verwandten. Der Pfarrer habe dem Hausl eine schändliche Leichpredigt gehalten, das ganz Dorf habe geschimpft und die Pfarrerliesl habe ihn den verlorenen Sohn genannt, so jedenfalls Lena Christ. Eine Beerdigung für den Hausl kommt allerdings im Glonner Sterbematrikel nicht vor. Wahrscheinlich wurde er auswärts im Grab von Verwandten bestattet.

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Kostkinder

Lena Christ schreibt in ihren Erinnerungen, dass außer ihr noch Kostkinder im Hause waren. Insgesamt seien es 12 gewesen, sicher nicht gleichzeitig. Die Kinder wurden von der Gemeinde übergeben, die das Kostgeld pro Kind auf 4 -5 Mark im Monat festgesetzt hat. Die Kinder stammten von Bauerndirnen, ledigen Gemeindeangehörigen, aber auch von Gauklern, die die Kinder einfach vor die Türe legten. Wie sie weiter schreibt, waren auch Kinder von Leuten besseren Standes unter den Kostkindern, so das einer Arztfrau aus Rosenheim. Wegen der Krankheit des Mannes musste Sie, nachdem alles Gut verbraucht war, in schwangerem Zustand von Haus und Hof. In Ebersberg brachte sie im Januar in einem Schuppen ihr Mädchen zur Welt. Barfuß und nur spärlich bekleidet lief sie bei bitterer Kälte mit dem Kind bis Glonn. Vor dem Haus des Bürgermeisters brach sie tot zusammen. Dieser brachte das Kind der Großmutter. Aber auch das Kind eines katholischen Priesters –die Kindsmutter war eine Müllertochter- wurde der Großmutter übergeben. Das Büblein starb bald. An Weihnachten wurden der Großmutter auch einmal Zwillinge übergeben, die am Gesäß zusammen gewachsen waren. Die Taufscheine waren dabei und eine Nachricht, dass die Mutter Seiltänzerin war und bei der Geburt gestorben sei. Man habe von der Hansschusterin gehört. Die Zwillinge waren sieben Jahre bei den Großeltern, bis sie dann von der Gemeinde an den Besitzer einer Schaubude abgegeben wurden.

Laut den Erinnerungen lebten mit Lena Christ zusammen die Urschl, der Balthasar, der Baptist und die (siamesischen) Zwillinge im Haus. In den amtlichen Unterlagen lässt sich nur die Urschl finden. Sie hieß Ursula Schwepfinger und stammte sehr wahrscheinlich aus Schlacht, vom „Fill“. Ab November 1885 zahlt die Gemeinde aus der Armenkasse ein Kostgeld von monatlich 12 Mark. Der Kindsvater Peter Karl ersetzt der Gemeinde vierteljährlich 30 Mark, also fast alles. Mag sein, dass bei Balthasar und dem Baptist nicht über die Armenkasse, sondern direkt bezahlt wurde. Wie festgestellt, waren bei der Urschl monatlich 12 Mark fällig. Bei einem anderen Kostkind, das zur gleichen Zeit in einem anderen Anwesen untergebracht war, war das Entgelt monatlich nur 6 Mark. Warum dieser Unterschied? Scheinbar spielte die Herkunft der Eltern eine Rolle, eventuell auch, ob der Armenkasse die Ausgaben ersetzt wurden oder nicht. In diesem Zusammenhang sei erinnert, dass 1881 für das „Lenei “ als Beitrag des Vaters jährlich 120 Mark vereinbart waren.

Kostkinder sind seit mindestens 1868 im Haus, denn laut Grundbuch lässt die ledige Dienstmagd Elise Heilmaier aus Aßling für ihren Sohn Friedrich für die ersten neun Jahre die Verpflegungsansprüche mit einer „Kaution“ von 300 Gulden sichern. Wahrscheinlich hat sie den Betrag bei Abgabe ihres Kindes den Hansschusters ausbezahlt. Warum sonst dieser Grundbucheintrag? Dieser Eintrag wurde am 14.7.1882 „wegen Ablösung der Alimentierung … und erfolgter Leistung“ wieder gelöscht.

Hätte es in Glonn in der Zeit etwa von 1882 – 1888 , also zur Zeit als Lena Christ bei den Großeltern war, sieben Jahre lang siamesische Zwillinge gegeben, so hätte sich das sicher in der Bevölkerung herumgesprochen und man hätte davon auch später noch erzählt. Nachdem die Mutter bei der Geburt verstarb, hätte die Gemeinde das Kostgeld übernommen. Dem war nicht so. Es ist daher zu vermuten, dass Lena Christ von siamesischen Zwillingen gelesen hatte und diese Geschichte in dichterischer Freiheit in ihre „Erinnerungen“ eingearbeitet hat. Die ersten bekannten siamesischen Zwillinge lebten von 1811 – 1874 und waren eine Sensation im Zirkus und auf Jahrmärkten. Aber auch die Geschichte mit dem Arztkind klingt unwahrscheinlich. Nach den Erinnerungen wäre die Frau in Glonn (vor dem Haus des Bürgermeisters) gestorben. Amtliche Unterlagen konnten hierüber weder in der Gemeinde noch im Pfarramt gefunden werden

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Die Nachbarn und Andere

Früher waren Nachbarschaften intensiver, denn man war voneinander abhängiger. Es gab kaum Medien, umso mehr suchte man das Gespräch untereinander. Die gute alte Hausbank war nach Feierabend Ruhebank und Gesprächsort zugleich. Hier wurde Wissen ausgetauscht und wurden Kontakte geknüpft. Gelegentlich redete man sich mit „Nachbar“ an. Umso schlimmer war es, wenn sich Nachbarn zerstritten hatten. Nicht immer war eine solche Auseinandersetzung durch juristische Tatbestände begründet. Oft war der Grund Neid und Missgunst, aber auch daneben gegangene Liebschaften. Manchmal wurde es „gerichtsmassig“, was aber selten eine Lösung brachte, sondern häufig den Streit verschlimmerte. Solche „Feindschaften“ konnten Generationen überdauern, von den Alten geschürt und von den Jungen übernommen.

Gerade bei Kindern geschehen die ersten Ereignisse im Leben außerhalb der Hausgemeinschaft und der Verwandtschaft in der Nachbarschaft. Spielplatz war häufig die Straße, Nachbars Haus und Garten. Die guten oder bösen Leute aus der Nachbarschaft und die Erlebnisse mit ihnen blieben im Gedächtnis haften, erst recht, wenn in der Kindheit ein Wohnsitzwechsel zu verkraften war. Und so ist es verständlich, wenn bei Lena Christ immer wieder auf die Nachbarschaft Bezug genommen wird.

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Beim „Neuwirt“ in Glonn um 1895

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Beim Neuwirt
Gegenüber dem Hansschuster steht der Neuwirt. Erbaut wurde dieses Haus ab 1864 vom Christlmüller Sebastian Schlickenrieder (siehe auch Glonn zur Zeit der Pichlers). Neben drei Gastzimmern, einem Nebenzimmer hatte das Haus auch einen „Tanzsaal“. Mit diesem Bau hat sich Schlickenrieder übernommen. 1876 musste er die Christlmühle verkaufen und 1885 übergab er den „Neuwirt“ seinem Sohn Josef. Dieser heiratete im gleichen Jahr Therese Schuster aus Großhelfendorf. Die Ehe blieb, zumindest in Glonn, kinderlos. 1890 musste auch der „Neuwirt“ verkauft werden. Josef Schlickenrieder starb als Wirt in Holzkirchen.

Käufer des „Neuwirt“ war Josef Maier. Er stammte aus Alxing und heiratete 1880 Magdalena Dichtl, Witwe auf dem Glonner Metzgeranwesen, einer Metzgerei mit rund 40 Tagwerk Landwirtschaft. Die Witwe brachte zwei Kinder in die Ehe: Josef, er heiratet 1902 Gisella Mair und wurde „Mairwirt“ in Glonn, und Franz-Xaver, er verstarb 1930 als lediger Metzger beim „Neuwirt“. Mit dem Kauf und dem Umzug wurde die Metzgerei auf dem Metzgeranwesen zum „Neuwirt“ verlagert. Die Familie Maier war mit 9 Kindern gesegnet. Es sind geboren: 1881 Markus (Max genannt), er war beim Bruder Metzger, blieb ledig und verstarb 1965; 1882 Hubert, er heiratete 1920 nach Ziemetshausen; 1883 Anna; 1885 Maria, sie verstarb 1940 ledig; 1888 Otto, er verstarb 1889; 1889 Salome (Sali genannt), sie blieb auf dem Haus und verstarb 1966 ledig; 1890

Ludwig, er übernahm Gastwirtschaft und Metzgerei, 1921 heiratet er Maria Winhart aus Glonn, er verstirbt 1977; 1892 Mathilde, sie blieb auf dem Anwesen und verstarb 1977 ledig; 1895 Walburga, sie verstirb noch im Geburtsjahr.

Lena Christ hat also in ihren beiden Glonner Phasen das Wirtshausleben in der Nachbarschaft miterlebt. Besonders in den „Lausdirndlgeschichten“ erinnert sie an die Neuwirts. So hat sie mit dem Neuwirts Hubert in Adling Obst gestohlen und beim „Aufhängen“ des Ropfergirgl hat dieser das Trinkhorn des Radfahrvereins „Wandervogel“ , das zuhause in der Wirtstube hing, von der Wand- ab und mitgenommen, während sein Vater in Holzkirchen den Viehmarkt besuchte, „weil es heißt, die alten Deutschen stießen ins Horn“. Es wird aber auch daran erinnert, dass es beim Neuwirt ein „Orchestrion“ gab. Die Stiefbrüder der Dichterin, Friedrich und Wilhelm, sind in den Erinnerungen als „Maxl“ und „Ludwigl“ genannt, wohl eine Erinnerung an die Nachbarsbuben. Und wenn Lena Christ im „Mathias Bichler“ die Bräuche bei einem Hochzeitsmahl beschreibt, dann hat sie das schon einmal gesehen oder erlebt – und das war höchstwahrscheinlich beim „Neuwirt“. Auch der Glonner Chronist Johann Baptist Niedermair, hat die hiesigen Hochzeitsgebräuche in seiner Chronik dargestellt.

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Das Saileranwesen in der Nachbarschaft des Hansschuster. Ölgemälde von Prof. Hilz.

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Beim Seiler
Auf diesem Anwesen in nächster Nachbarschaft zum „Hansschuster“ ist schon seit 1700 eine Seilerei genannt. Deshalb der Hausname. 1752 erwarb der aus Tölz stammende Seiler Mathias Pfattischer das Anwesen. 1861 heiratet Jordan Eichmeier, er stammt aus Kühbach bei Aichach, die Seilertochter Maria Pfattischer. Auch seine im Krieg 1870/71 gefallenen Brüder Ludwig und Alois arbeiteten bei Jordan in der Glonner Seilerei. Das Anwesen ist schon 1671, so wie beim „Hansschuster“, als „blosses Tagwerkerhäusl“ und zu Zinneberg gehörig, genannt. Die Seilerei wurde noch bis in die Sechszigerjahre von Hans Eichmeier ausgeübt. Die Seilerwerkstatt wurde dem Glonner Heimatmuseum gestiftet und ist dort zu besichtigen.

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Anna Eichmeier (1866-1957) aus Höhenrain heiratet am 24.04.1893 Johann Eichmeier aus Glonn. Ölgemälde von Prof. Hilz

Bei der in den „Erinnerungen“ und in den „Lausdirndlgeschichten“ immer wieder erwähnten Seilergroßmutter handelt es sich um Anna-Maria Pfattischer . Sie ist 1806 als Tochter des Schuhmachermeisters Reiter in Grafing geboren und hat 1832 den Seiler Johann Baptist Pfattischer aus Glonn geheiratet. 1833 gebar sie Maria und 1835 Rosalia. Ihr Mann verstarb 1869 und sie 1894, als 88-Jährige, nur 5 Tage vor ihrem Nachbarn, dem „Hansschuster“ Mathias Pichler. Im Sprachgebrauch von damals hat man sicher gesagt „sie hat ihn geholt“. 25 Jahre also war sie Witwe. 10 Monate vor ihrem Tod, wurde ihr Urenkel Johann Eichmeier, der spätere Bürgermeister von Glonn, geboren. Damit lebten auf dem Seileranwesen 4 Generationen. Wenn sie ein paarmal die „Soalagroß“ (Seilergroß) genannt wird, dann wahrscheinlich deshalb, weil dieser Ausdruck für Groß-oder Urmutter gebräuchlich war.

 

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JohannEichmeier (1894-1967) Seilermeister und Bürgermeister von 1946 bis 1960. Ölgemälde von Elisabeth Hüller.

Die Seilergroßmutter wird von Lena Christ in den „Erinnerungen“ als schwerhörig bezeichnet. Kein Wunder, als das „Lenei“ sie bewusst erlebte, war sie ja schon an die 78 Jahre alt, für damals uralt. Und wenn ihr im gleichen Werk gar 98 Jahre zugeschrieben werden, dann ist das eine Aussage dafür, dass sie noch älter erlebt wurde, als sie wirklich war.
Wie Lena Christ schreibt, war die „Soalagroß“ bei ihren Großeltern sehr beliebt. Sie kam ins Hansschusterhäusl in die „Brechstube“ und zum Spinnen. Von ihr konnte man einiges erfahren, zum Beispiel wann eine Hochzeit war. Sie wusste aber auch aus längst vergangenen Zeiten über wunderlichste Begebenheiten zu berichten. So von „Leuten des Dorfes, die durch ihren sündhaften Lebenswandel den Teufel selber zu Gast geladen und mit ihm wirkliche Verträge abgeschlossen hatten“. Und sie war Zeuge, wie ein Bauer in das Weib des Nachbarn verliebt war und den Nachbarn eines Mordes bezichtigte. Dieser wurde dann zum Tode verurteilt. Dann konnte er die Wittib heiraten. Nachdem die Seilerin Zeuge war, muss sich der Vorfall zu ihren Lebzeiten ereignet haben. Aus dem Glonner Bereich ist solches aber nicht bekannt. Den „Lausdirndlgeschichten“ nach konnte sie auch wahrsagen. Wenn wir uns jetzt noch eine entsprechende Gestalt vorstellen, womöglich noch gebückt und ausgezehrt, dann entsteht für ein Kind schnell der Eindruck, sie könnte eine „Hexe“ gewesen sein. Und so schreibt Lena Christ, dass sie von manchen wegen ihrer bösen Zunge verrufen und als Hex´ gefürchtet war.

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Beim Gschwendtler

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Zeitungsinserat vom Dezember 1906

Das Gschwendtleranwesen hat die Hausnummer 38 1/2, weil das Grundstück dem „Hansschuster“ mit Hausnummer 38 entstammt. Der Schneider Josef Albrecht aus Glonn hat 1864 dem Mathias Pichler einen Teil seines Gartens mit 0,06 Tagwerk, das sind gut 200 Quadratmeter, abgekauft. Albrecht baut darauf sein Haus und betreibt eine Schneiderei. Aber schon 1875 verkauft er wieder und baut sich in einem Neubaugebiet, heute Niedermairstraße, ein neues Haus. Käufer ist Franz-Paul Gschwendtler, er ist ein Badersohn aus Sachsenkam. Mit seiner Frau Susanna, eine geborene Obermair vom Schmied in Adling, beginnt er 1875 den Baderbetrieb in Glonn. Susannas Bruder Sebastian Obermair kauft ebenfalls 1875 ein Anwesen in nächster Nähe und baut es zur Schmiede um.

Franz-Paul und Susanna Gschwendtler hatten von 1876 – 1888 acht Kinder. Also alle rund um das Alter des „Lenei“ und sie waren keine 20 Meter vor dem Stubenfenster des „Hansschuster“ daheim. Da konnte sie nicht nur des Nachbarn Johannes- und Stachelbeeren gut beobachten, dass er den Leuten Bart und Haare schnitt und Zähne riss, sondern diese auch kurierte und Blutegel setzte. Und nachdem der Gschwendtlerfranzl ihr bester Freund war, „ist sie oft dabei gewesen in der Baderstube“. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Lenei auch an die Blutegel dachte, als das hauseigene Kalb krank war. Es wurden des Baders Egel angesetzt. Und als der Großvater das kranke Kalb besichtigte, wunderte er sich über das „Gewürm“ am Kalb. Aber es hat geholfen.

Der Gschwendlerfranzl, der in Wirklichkeit wahrscheinlich Josef hieß, muss schon ein guter und getreuer Kamerad gewesen sein, sonst hätte des Lenei der Schlosserresl nicht drohen können: „Ich lasse dir vom Gschwendtlerfranzl ein paar runterhauen“. Aber auch zum „Aufhängen“ des Ropfergirgl hat der Franzl die große Heiligenlegende und den langen Strick mitgebracht. So steht es jedenfalls in den „Lausdirndlgeschichten“.

Aber auch das Lenei konnte den Bader einmal gut brauchen. Als sie die Münchner Mutter blutig geschlagen und sie von Frau Möller „heim“ zum Großvater nach Glonn gebracht wurde, die Großmutter die Kleider von den klebenden Wunden enfernt hatte, um den „Wehdam einzuschmierbn“, konnte anderentags der Bader, überall wo es von Nöten war, ein Pflasterl auflegen und dafür sorgen „dass möglichst viele die Begebenheit inne wurden“. Der „Gschwendtler“ war aber auch der gute Nachbar, den man holte, um vor dem Notar den Willen des todkranken „Hansschuster“ zu bezeugen.

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Beim Schuster oder Schustermichl

Der vordere Nachbar des Gschwendtler war der Schuster. 1728 wird Paul Heisler, als „Consultor“ (Ratgeber) der Glonner Armenseelenbruderschaft Meisterschuster genannt. Durch Heirat der Witwe Maria Heisler wird 1756 Johann-Michael Waltmayr aus Sendling bei Attl neuer Schuster. Von daher auch der Hausname „Schustermichl“. Sein Sohn, ebenfalls Johann Michael, heiratet 1812 in 2. Ehe die Christlmüllerstochter Elis Schlickenrieder. Die 1813 aus dieser Ehe geborene Elisabeth vermählte sich 1840 mit Sebastian Mayer aus Langenpfunzen bei Rosenheim. Seine drei Enkel, 1881, 1885 und 1891 geboren, sind gute Musiker. Einer davon, Rupert, heiratet nach Roding und gründet dort eine Blaskapelle.

In den „Lausdirndlgeschichten“ wird erwähnt, dass der „Schusterpauli“ zum Hansschuster in die Spinnstube gekommen sei. Sicher nicht, weil er spinnen wollte, sondern wegen der „Huberwirtsmarie“. Und das Lenei sieht, wie der Pauli mit seinen Stiefeln der Marie unter dem Tisch die ganze Zeit auf den Hausschuhen „umeinandergetreten“ ist. Der Marie hat es gefallen. Der Großmutter ist dieses Techtelmechtel natürlich nicht entgangen und sie fragt die Marie: „Derf des da Vater aa wissn z´weng an Pauli?“ Die Antwort war: „Des woaß a so scho.“ Dem war scheinbar nicht so, denn das Lenei hat sich daraus eine Gaudi gemacht und geschrien: „Großmuatter, der Huberwirt kimmt.“. Und beide, der Pauli und die Marie, sind auf und davon.

Die Indentifizierung des Paule und der Marie ist gar nicht so einfach. Wenn es ein „Schusterpaule“ gewesen sein soll, dann passt nur der 1841 geborene Paul Maier. 1870 hat er geheiratet. Aber auch eine „Huberwirtsmarie“ kommt in der Kindheit des Lenei nicht vor. Vielleicht war der Name geändert. Wahrscheinlich wurde diese Geschichte von früher erzählt und Lena Christ hat sie in dichterischer Freiheit als selbst erlebt übernommen.

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Beim Ropfer oder Rupfer

Der Hausname „Ropfer“ wird erstmals um 1700 erwähnt. Er deutet darauf hin, dass in diesem Anwesen gewebt wurde und zwar „Rupfen“, also grobes Leinen. Das Anwesen ist schon 1612 nachzuweisen und war „freieigen“, es gab also keinen Obereigentümer, damit war es frei handelbar. 1834, also zur Zeit der Pichler, heiratet der Weber Georg Singer aus Tiefenbach im Wald die Webermeistertochter Barbara Strobl und wird damit „Ropfer“. Die Ehe war mit 6 Kindern gesegnet. Sohn Vinzenz, er war Zimmerer, konnte sich in Mattenhofen ein Anwesen kaufen. Sohn Johann war Maurer, blieb in Glonn und war nacheinander Eigentümer verschiedener Häuser, zuletzt Hausnummer 10, dem Baderanwesen. Sohn Alois wurde Weber in Narring. 1847 verstarb die Mutter Barbara. 1849 heiratet Georg wieder. Diesmal eine Bauerstochter aus Gailling. Aus dieser Ehe gab es 6 Kinder, 5 Mädchen und einen Sohn. Hans Wäsler schreibt, dass die drei Buben aus erster Ehe Haberfeldtreiber waren und deshalb eingesperrt wurden. So konnte Tochter Ursula aus zweiter Ehe das Anwesen übernehmen. 1875 heiratet diese Markus Haas, einen Webersohn aus Pfaffing. Die 5 Kinder aus dieser Ehe kommen zwischen 1877 und 1890 zur Welt.

Die mittleren drei Ropferkinder sind im Alter der Lena Christ. In den Erinnerungen wird von der Ropferzenzi berichtet. Der Schlosserflorian, auch einer aus der Nachbarschaft, habe ihr unter den Rock geschaut. Die „Wagnerin“ (Barbara Beer) hat die beiden überrascht und bald wusste es das ganze Dorf. Die Folge war, dass die fünf- und sechsjährigen Kinder „nichts anderes zu tun hatten, als dies sofort nachzuahmen“. Die Folge war aber auch, dass ein „frommes Fräulein“ dies dem Pfarrer berichtete. Der wiederum wetterte von der Kanzel auf die Eltern herab, „die nicht achtgehabt hätten auf das Heiligste der Kinder, auf ihre Unschuld“. Im Stammbaum des „Ropfer“ gab es zwar eine „Zenzi“, die ist aber erst 1890 geboren und kann so nicht in Betracht kommen. Es ist also wahrscheinlich , dass die „Zenzi“ ein Kostkind des „Ropfers“ war. So könnte es auch mit dem „Wastl“ oder der „Liesl“ gewesen sein. Bei Letzterer handelt es sich wahrscheinlich um die mit 16 Jahren verstorbene „Weberlies“. Eine Beerdigung ist in Glonn nicht verzeichnet. In den „Lausdirndlgeschichten“ ist von sieben „Ropferkindern“ die Rede. Nachdem die „Zenzi“ erst geboren wurde, als das „Lenerl“ schon bei ihrer Mutter in München war, konnte sie also nur von vier wissen. Zusammen mit den drei Kostkindern waren es also sieben. Beim „Ropfergirgl“ , der mit dem Schlitten vom Schlossberg herunter gefahren ist, und dann in den Moosbach stürzte und beinahe „ersoffen“ wäre, kann es sich nur um den 1879 geborenen Johann-Georg handeln. Der „Girgl“ hatte auch beim „Femgericht“ die Hauptrolle zu spielen, nämlich an der Eichenallee „aufgehängt“ zu werden. Die Eichenallee muss der Pelzgarten sein. Dagegen können Schlossberg und Moosbach nicht eindeutig zugeordnet werden. Wahrscheinlich sind Bäckerberg und Schrankenbach gemeint.

Der „Ropfer“, der vom „Hansschuster“ nur gut hundert Meter entfernt war und in den „Lausdirndlgeschichten“ eine eigene Geschichte „Beim Weber“ erhielt, hatte scheinbar auf das „Lenerl“ eine besondere Faszination ausgeübt. Nicht nur weil Kinder in ihrem Alter da waren, weil die vielerlei Tiere interessant waren, weil man dort weben ließ, sondern auch der „Ropfer“ selbst. Der sonntägliche Rausch, wie ihn „mancher“ zu haben pflegte, reichte ihm nicht. Wie geschrieben ist, brauchte er alle Tag einen. Wahrscheinlich wurde hier einiges hinzu gedichtet. Zum anderen kann Lena Christ diesen „Ropfer“ , aber auch seine Frau, gar nicht gekannt haben, denn er starb 1877 und sie 1874. Mag sein, dass man zu Zeiten des „Lenei“ von diesem noch erzählt hat.

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Beim Schlosser

Auf der gleichen Straßenseite ein Haus vor dem „Ropfer“ war der Schlosser. Auch dieser Hausname, der schon 1670 nachgewiesen werden kann, stammt vom Beruf des Bewohners. Seit 1714 ist die Familie Mayer auf dem Anwesen, das wie auch beim „Hansschuster“ als „blosses Häusl“, zu Zinneberg grundbar, war. 1814 wurde der 56-jährige „Schlosser“ Josef Mayer bei Zinneberg erschossen. Es muss ein Unfall gewesen sein, denn im Sterbematrikel heißt es „durch einen unglücklichen Schuss“. Sohn und Enkel führten das Schlosserhandwerk weiter. Letzterem, Martin Mayer“ verdanken wir das schöne Eingangstor zum Zinneberger Schlosspark mit den Initialen „AvBO“, die an den Auftraggeber Adolf von Büsing-Orville erinnern.

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Das eiserne Tor in Zinneberg, das der „Schlosser“ Martin Mayer um 1900 geschaffen hat.

Jener Martin Mayer hatte 9 Geschwister, wovon sich zwei, Rosalia und Amalia, für das Kloster entschieden. Für das „Hansschusterlenei“ waren wohl die gleichaltrige „Resl“ und der fast 2 Jahre jüngere „Flori“ die wichtigeren. In den „Lausdirndlgeschichten“ erinnert sie sich, dass sie fünf „Pomeranzen“ (Orangen) gegessen, die die Bötin aus München mitgebracht hat. Der „Schlosserresl“ hat sie auch eine gegeben, das war aber „bloß eine Zitrone“. Der „Schlosserflori“ musste da schon für handfestere Streiche herhalten. Er tat nämlich, nicht nur, wie oben schon geschildert, mit der „Ropferzenzi“ etwas „Heimliches“, sondern war beim Obststehlen im Adlinger Schmiedgarten mit dabei. Aber auch beim „Aufhängen“ des „Ropfergirgl“ waren seine Dienste gefragt. Als Ministrant konnte er etwas lateinisch und das war scheinbar bei der Zeremonie von großer Wichtigkeit – eventuell für die „Absolution“, auf die ein Delinquent „vorher“ ja Anspruch hat. Man hatte scheinbar an alles gedacht.

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Beim Wagner

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Entwurf der Zornedinger Orgel (1839) des Glonner Orgelbauers Josef Wagmer.

Das Wagneranwesen steht unweit des „Hansschuster“. 1656 ist es als „Koblhäusl“ zur Glonner Kirche grundbar. Beim „Wagner“ heißt das Anwesen erst seit 1866, als Johann Beer -er ist ein „Lediger“ der Elisabeth Pfattischer, Seilerstochter von Glonn- einheiratet und die Wagnerkonzession erhält. Vorher sind auf dem Anwesen immer Schneider gewesen. Und so heißt der alte Hausname auch beim „Mesnerschneider“. Bemerkenswert ist, dass 1822 der Orgelbaumeister Josef Wagner, der aus Salzburg stammt, die Schneiderstochter Rosalia Dengler aus diesem Anwesen heiratet. Er baut ganz in der Nähe ein eigenes Haus (Härleinhaus). Aus seiner Werkstatt sind rund 60 Orgeln nachzuweisen.
Wie es in den Erinnerungen heißt, hat die Wagnerin (Barbara Beer) „Zicklein“ im Stall. Der Schlosserflorian und die Ropferzenzi haben diese Zicklein angeschaut. Der Florian aber nicht nur die „Zicklein“, sondern auch der Zenzi unter den Rock. Wie dieses ausgegangen ist, wurde schon unter den Rubriken „Rupfer“ und „Schlosser“ geschildert. Zum „Wagner“ ist in den „Lausdirndlgeschichten“ noch vermerkt, dass die Wagner Lies und die Wagner Gretl bei der lebenden Krippe mitgemacht haben. Eigene Kinder mit diesen Namen gibt es beim „Wagner“ nicht. Wahrscheinlich handelte es sich um Kostkinder.

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Der Huberwirt

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Beim „Huberwirt“ um 1908. Bei dem großen stattlichen Mann mit der aufgebundenen Lederschürze könnte es sich um Johann Wagner handeln.

Der Hausname „Huberwirt“ entsteht erst 1876. Vorher, und das schon vor 1517 hieß der halbe Hof , daher der Hausname, einfach beim „Huber“. Ursprünglich war das Anwesen dem Herzog grundbar, aber 1671 hatten die Zinneberger das Leibrecht vergeben. Und so wie der Hausname war, so schrieben sich auch die Bewohner: Huber. Sie starben mangels Kindern aus. So konnte 1742 Josef Wenig, aus Mattenhofen gebürtig, das Anwesen erwerben. Seine um 15 Jahre jüngere und im gleichen Jahr angetraute Frau Ursula, eine geborene Rieder, war ein Waslmüllertochter aus Glonn. Auch die Waslmühle war zu Zinneberg grundbar. Ein Erwerb durch Wenig dürfte deshalb begünstigt gewesen sein. Das Ehepaar hatte 9 Kinder. Der 1754 geborene Josef übernimmt 1784, anlässlich der Heirat mit Maria Haimerer aus Balkham, das Anwesen. Aus dieser Ehe kommen 10 Kinder. Josef Wenig ist 1810 Glonns erster Gemeindevorsteher (Bürgermeister).

1830 übernimmt Josef Wenig , der Dritte dieses Namens, das Anwesen. Seine Frau Korona, eine geborene Riedl vom „Zehetmair“ in Baiern, schenkt ihm 6 Kinder. Der einzige Sohn Josef verstirbt noch im Geburtsjahr, so dass die älteste Tochter Korona das Anwesen übernehmen muss. 1859 heiratet sie Martin Schmied aus Kleinrohrsdorf. Er muss ein guter Bauer gewesen sein, denn die Hofstelle wird ihm zu klein und er beginnt 1875 mit dem Bau eines neuen Hofes, neben dem Bäcker Winhart. Die Witwe heiratet 1876 wieder, geht in den Neubau und verkauft die Althofstelle an den Wirtsohn Johann Wagner aus Glonn, dem Bruder des Glonner Posthalters, Land- und Reichstagsabgeordneten Wolfgang Wagner. Johann gründet dort ein Gasthaus mit Metzgerei. So wurde aus dem „Huber“ der „Huberwirt“ und der „Huberbauer“.

Johann Wagner heiratet 1876 Maria Schwarzenberger vom „Mesner“ in Frauenreuth. 1875 werden der „Dori“ (Isidor), er stirbt 1937 als lediger Metzger auf dem Anwesen -und 1877 Maria geboren. Sie verstirbt 1905 in Mariabrunn. Die Wirtin Maria Wagner verstirbt 1886 und Johann heiratet 1888 die Wirtstochter Anna Forster aus Ebersberg. Dieser Ehe entstammen 3 Kinder, 1889 Josef, 1890 Johann und 1892 Anna.

Der „Huberwirt“ kommt bei Lena Christ immer wieder vor. Es sind nicht die Kinder, gleichaltrige gibt es nicht, sondern Vorkommnisse die eben mit dem Wirt und Metzger in der Nähe zu tun haben. Da gibt es die „Planke“, das Gerüst wo die Gäste ihre Pferde anbinden konnten. Auch das Vieh, musste hier auf die Schlachtung warten. Diese Planke befand sich hinter dem Huberwirt, von wo aus man die „Pärlein“ im Gras beobachten konnte, wenn sie „Heimliches“ trieben. Aber auch an den Metzger wird erinnert, dem der Großvater die „Holzkirchnerin“ verkauft hat, jene Kuh, die er als Ersatz für das „Bräundl“ beim Markt in Holzkirchen erstand und die nicht hielt, was ihr „Trumm“ Euter versprach. Dieser „Ranka“ hat wohl die größte Ehekriese zwischen den Großeltern ausgelöst.

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Der „Huberwirt“ Johann Wagner um 1885

Der Leichenschmaus für den verstorbenen „Schmiedbauern“ fand beim „Huberwirt“ statt -vielleicht deswegen dort, weil der „Posthalter“ einen besonderen Groll auf ihn hatte. Genau beschrieben wird natürlich der Leichenschmaus des eigenen Großvaters. Nach der Beerdigung begaben sich die Mutter, die Nanni mit Angehörigen, der Bastian und die Kostkinder zum Huberwirt, um Leichenschmaus zu halten. Die Großmutter wollte nicht mitgehen, ließ sich dann aber überreden, wenigsten in der Küche Platz zu nehmen. Und der „Huberwirt“ hatte für sie ein spezielles Wohlwollen, ein Glas Rotwein mit Zucker. Scheinbar wollte sie diese Stärkung nicht nehmen. Der Wirt aber verpflichtet sie zu trinken: „Balst es net drinkst, griagt da Vata dö ewige Ruha net“. An das Mitgefühl des Wirtes wird auch damit erinnert, dass er den sterbenden „Hansschuster“ zitiert, der immer wieder gesagt hat: „Kimmts Lenei no net?“ Woher wußte er das,? Wahrscheinlich von der „Hansschusterin“ selbst. Sein Kommentar: „Dös is des Irgst“. Er meint, das Schlimmste. Ob er auf seine Münchner Kollegin, die das Lenei nicht kommen ließ, noch gut zu sprechen war? Wie es heißt, fuhr der Wirt mit seinem Pferdeschlitten, mit dem er sonst Bier und Getreide transportierte, nach dem Mahl die Nanni mit der Großmutter nach Haslach. 

Über die „Huberwirtsmarie“ wird in den Erinnerungen festgestellt, dass sie die 1870 verstorbene erste Frau des Mathias Pichler, Anna, als böse Frau gekannt hat. Sie konnte das „Lenei“ nur vom Erzählen her kennen. Wahrscheinlich war sie eine Bedienstete auf dem Huberwirtsanwesen. Dagegen ist die „Huberwirtsmarie die in den „Lausdirndlgeschichten“ zu Weihnachten bei den lebenden Bildern die „Maria“ gemacht hat, eindeutig die 1877 geborene Maria Wagner. Sie war damals um die 15 Jahre alt. Und der „Josef“ war ihr Bruder, der um zwei Jahre ältere „Huberwirtsdori“ (Isidor). Wie schon ausgeführt, war der „Dori“ ein Metzger. Ihn hat sein Vater zum „Hansschuster“ geschickt, um dem mitzuteilen, er würde die kranke Kuh „schlag´n“ und ihm auch das Fleisch abnehmen. Er kommt genau zu der Zeit als der „Hansschuster“ mit dem „Schinder“ über die kranke Kuh verhandelt und hat diesem das Geschäfts vermasselt.

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Der Schmiedbauer
Mit dem „Schmiedbauer“ in den Erinnerungen ist eigentlich der „Straßmair“ gemeint. Das Anwesen in Straß ist in der Nähe von Wetterling (heute Simonis). Es handelt sich um einen halben Hof, der schon vor 1517 und die folgenden Jahrhunderte zum Kloster Ebersberg gehört hatte. Der Hausname „Straßmair“, wie er auch heute noch gelegentlich in Gebrauch ist, kommt daher, weil das Anwesen an der Straße steht. Entsprechend dem Hausnamen hießen die Bewohner jahrhunderte lang auch Straßmair, bis dann 1712 Paul Nußbaum aus Steinkirchen durch Heirat der Witwe den neuen Namen auf das Anwesen brachte. Nach drei Generationen Nußbaum heiratet Therese Nußbaum Sebastian Schmied aus Kleinrohrsdorf. Nun folgen drei Generationen Schmied. Die unterhalb des Hofes zugehörige Badstube wird 1852 ein eigenes Anwesen; ein neuer Hausname entsteht: beim „Badstübler“.

In den „Erinnerungen“ heißt es, der „Schmiedbauer“ -es kann sich nur um Sebastian Schmied aus Strass handeln- verstarb kurz nach dem „alten Hausl“. Hier liegt eine Verwechslung vor. Schmied verstarb 65-jährig am 25.8.1892 und der „alte Hausl“ am 20.4.1893. In dieser Zeit musste das „Lenei“ also bei den Großeltern gewesen sein.

In den „Erinnerungen“ wird Sebastian Schmied als der reichste Mann der Gemeinde genannt. Weiter heißt es, er war wegen seiner „Gutherzigkeit und Rechtlichkeit“ in der ganzen Gemeinde beliebt. Nur beim Pfarrer war er schlecht „angeschrieben“ und der Posthalter hatte auf ihn einen „Groll“. Warum? Der Posthalter wollte „sich gern durch den Bau einer Straße berühmt“ machen. Diese sollte durch einen Acker des Schmiedbauern führen. Dieser widersetzte sich. Wie es heißt, ging der deswegen jahrelang geführte Prozess zu Gunsten des Schmiedbauern aus. Um welche Straße ging es? Sicher nicht um die Straße in Richtung Berganger, die bestand ja bereits seit Jahrhunderten. Wie wir wissen, war Posthalter Wagner der wichtigste Befürworter der Bahn Grafing-Glonn. Im Mai 1894 konnte diese eingeweiht werden. Es war der Wunsch Wagners, dass die Linie bis Aibling weitergeführt werden sollte. Die Trasse hätte eigentlich nur, zumindest von Glonn hinaus, nach Südosten geführt werden können. Und da hatte der „Straßmair“ Grundstücke. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der Streit nicht um eine Straße, sondern um die Eisenbahntrasse ging.

Wenn Lena Christ schreibt, der Schmiedbauer sei der reichste Mann in der Gemeinde gewesen, so ist dies nicht nachvollziehbar. Seine 72 Tagwerk hätten hierzu nicht ausgereicht. Es war sicher nur der Eindruck des „Lenerl“. Wenn Reichtum bestand, dann Kinderreichtum. Es waren 14, wovon 7 schon im Säuglingsalter starben. Schulfreundschaften mit den Schmiedkindern konnte es auch nicht gegeben haben, weil das Jüngste bereits 1875 geboren war. Und in der unmittelbaren Nachbarschaft war der „Schmiedbauer“ auch nicht. Also muss es was anderes gegeben haben, das ihn hervorhob und auch beim „Lenei“ bekannt machte. Eventuell seine Opposition gegen die Obrigkeit, den Pfarrer nicht ausgenommen. Vielleicht fuhr der Schmied deswegen auch, wie wir in den „Lausdirndlgeschichten“ lesen, zum Beichten nach München. Und so konnte es nicht anders sein, dass die Grabrede für den „Schmiedbauern“, gehalten vom Pfarrer Späth, nicht gut ausgefallen ist. Der Posthalter verteidigte diese Rede. Die Bauern waren allerdings anderer Meinung, so steht es in den „Erinnerungen“.

Im gleichen Werk lesen wir auch, dass gegen den Pfarrer und den Posthalter „Haberfeld getrieben“ wurde. Ein Grund sei hierfür auch deren „Verbissenheit“ gegenüber Sebastian Schmied gewesen. Jener wäre zum Zeitpunkt des Treibens bereits verstorben gewesen. Dem ist zu entgegnen, dass für Glonn ein Haberfeldtreiben nicht nachgewiesen werden kann. Der Anmarsch von etlichen hundert Männern mit geschwärzten Gesichtern, wie es heißt, wäre sicher, so wie auch andere Haberfeldtreiben, aktenkundig geworden. Wahrscheinlich hat Lena Christ die zwei Egmatinger Treiben von 1892 –zu diesem Zeitpunkt verweilte sie in Glonn- in dichterischer Freiheit in ihre Geschichte übernommen.

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Geistlicher Rat und Dekan Pfarrer Späth nach der Jahrhundertwende

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Der Pfarrer

Pfarrer Joseph Späth war gebürtiger Münchner und seit 25.1.1869 Pfarrer von Glonn. Es ist anzunehmen, dass er mit der Hansschusterfamilie ein gutes Verhältnis hatte, war doch durch den Tod der ersten Frau Anna, die drei unmündige Kinder hinterließ, eine besondere Fürsorge angebracht. Die zweite Frau, Magdalena, Schwester der ersten, seit Jahren Mitglied und Präfektin des weltlichen Dritten Ordens, hat, während die Schwester krank war, fürs Hauswesen gesorgt und ist jetzt für Mann, Kinder und Kostkinder da. Insgesamt also ein Zeugnis christlicher Nächstenliebe.

Dem Pfarrer war eine große Verantwortung für seine Gemeinde auferlegt. Nebenbei hatte er auch noch seine Landwirtschaft zu verwalten. Wir dürfen annehmen, dass einiges den Pfarrer im Besonderen herausforderte. So die Schnapsschänken des Ortes, in denen nicht gerade die Sittlichkeit seiner „Schäflein“ gefördert wurde. Und wie geschrieben ist, konnte er „furchtbar“ über das „Schnapssaufen“ schimpfen. Aber auch die Eröffnung von immer mehr Wirtshäusern in Glonn zeugt von der neuen Freiheit der Bürger, die mit der Bauernbefreiung 1848 begann. Mit dem Wegfall des Obereigentums konnte man jetzt sogar sein Anwesen versaufen und damit natürlich in Not geraten. Der Wirtshausbesuch während der Gottesdienste, das Kammerfensterln, das Fluchen und natürlich die unehelichen Kinder, wie wir schon erwähnt haben, war 1881 gar jedes sechste ein „Lediges“, all das besorgte den Pfarrer. Hinzu kommt, dass auch in Glonn der Einfluss der Kirche durch den „Kulturkampf“ sich immer weiter reduzierte. Also keine leichte Aufgabe für den Pfarrer.

Aber auch die kleinen Vergehen seiner Schäflein konnte er nicht übersehen. Etwa wenn das „Lenei“ zusammen mit der Apothekermariele in der Kirche Juckpulver gestreut hatte um den Mesner zu ärgern, oder wenn sie in des Pfarrers Garten einen großen Apfel unwiderstehlich fand und ihn für sich in Anspruch nahm. Der Pfarrer nennt dies bei der Großmutter einen „Diebstahl“, allerdings mit dem Hinweis, wenn die „Lenei“ halt gefragt hätte, hätte er ihr den Apfel mit Freuden geschenkt. Freilich war Einzelbehandlung nicht immer möglich und so musste er eben von der Kanzel herab das Seinige sagen. Ein guter Prediger, wie Pfarrer Späth sicher einer war, konnte so formulieren, dass der oder die gemeint waren, es auf sich beziehen konnten, aber auch, dass all die anderen seine Worte als Mahnung verstehen konnten. Wie in den Erinnerungen steht, konnte der Pfarrer bei seinen Predigten auch sehr direkt werden, etwa dann, wenn die seit altersher geschuldeten Naturalien nicht beigebracht wurden. Oder bei einer Grabrede, die zum Beispiel beim Großvater gut ausgefallen ist. Umso schlechter beim „Schmiedbauer“ oder beim „alten Hausl“. Wie schon beschrieben, wurde letzterer nicht in der Pfarrei Glonn beerdigt. Folglich konnte ihm der Glonner Pfarrer auch keine schlechte Grabrede gehalten haben.

Pfarrer Späth war über 40 Jahre in Glonn tätig. Von seinen Oberen und seinen Mitbrüdern war er sicher geachtet, sonst wäre er nicht Geistlicher Rat und Dekan geworden. Aber auch in Glonn hat er sich große Verdienste erworben. Die 1902 eingeweihte Mädchenschule geht auf seine Initiative zurück. Er stiftete hierzu das Grundstück. Warum Pfarrer Späth bei Lena Christ relativ schlecht weg kommt, kann nicht nachvollzogen werden.

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Der Posthalter
Der Glonner Wirt, von alters her als „Tafern“ beschrieben, war schon vor 1517 im Obereigentum der Zinneberger. Siegmund Wagner hatte durch Einheirat 1793 das Anwesen erworben. Sein Enkel Wolfgang Wagner wurde 1834 in Glonn geboren. Wegen des frühen Todes seiner Eltern, der Vater verstarb 1851 und die Mutter 1853, musste er bereits mit 21 Jahren heiraten, um den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Der bestand aus der Gastwirtschaft und der großen Landwirtschaft. Da waren aber auch die sechs jüngeren und unmündigen Geschwister, um deren Wohl und Wehe er sich zu kümmern hatte.

Wie schon beschrieben, war Wagner Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Hinzu kamen zahlreiche Ehrenämter wie Vorstand der hiesigen Feuerwehr und Mitglied des Bezirksfeuerwehrauschusses, Kirchenpfleger, Distriktrat (Kreisrat) und Ämter im landwirtschaftlichen Verein. Seiner Initiative ist der Anschluss Glonns an das Eisenbahnnetz zu verdanken. Als Alterssitz baute er sich die „Postvilla“ im neugotischen Stil gegenüber der Gastwirtschaft. Mit seinen vielen Ämtern, seinem großen Einfluss, vielleicht aber auch durch seinen Lebensstil, hat er sich sicher nicht nur Freunde geschaffen.

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Der „Posthalter“ Wolfgang Wagner Senior und Junior um 1894

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Die Front der „Postvilla“ aus dem Plan des Architekten Georg Meister, die sich Wolfgang Wagner sen. 1889 erbauen lies.

In den Erinnerungen kommen die Wagners nicht zu häufig vor. Etwa, wenn es Streit mit dem „Schmiedbauern“ gab, oder wenn die Grabrede bei dessen Beerdigung von Wagner verteidigt wurde. Dann wird ihm nachgesagt, dass gegen ihn und den Pfarrer ein Haberfeldtreiben gehalten wurde. Wie schon ausgeführt, stimmt dies nicht. Wie auch schon der Pfarrer kommt der Posthalter bei Lena Christ eher schlecht weg.

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Der Brunnfärber und Mesner

Woher Lena Christ den Namen Brunnfärber in ihren „Lausdirndlgeschichten“ nimmt, kann nur vermutet werden. Bis ins letzte Jahrhundert gab es noch im Glonner Färbergarten in die Erde eingegrabene Färberbottiche. Vielleicht hat das „Lenei“ sie als Brunnen gesehen und deshalb die Bezeichnung „Brunnfärber“ gewählt. In Glonn gab es nur einen Färber, der war auch Mesner, Donatus Daxenberger. Auf dem Färberanwesen, das man früher auch beim „Brotlederer“ nannte und das im Obereigentum der Glonner Kirche stand, ist schon 1659 die Färbertätigkeit nachzuweisen. Im Färberhaus wurde eine der 5 Glonner Branntweinschänken betrieben. Eine Steintafel über dem Hauseingang von 1842 zeugt noch heute von der ehemaligen Färberei.

Der erste Donatus Daxenberger stammt aus Altenmarkt bei Trostberg. 1822 hat er beim „Färber“ eingeheiratet. 1843 ist er verstorben, seine Frau 1857. Sohn Donatus übernimmt 1863 das Anwesen und heiratet Anna Mayer aus Bruckhof. Donatus verstirbt 1881. Die Frau, in deren Eigentum das Anwesen bis 1906 bleibt, führt den Betrieb mit ihren 8 unmündigen Kindern weiter. Ein Sohn, wieder Donatus getauft und 1872 geboren, wird Färber und bleibt ledig. Seine Leidenschaft gehört der Mechanik und der Musik. In Zeitungsinseraten bietet er ab 1892 seine mechanische Krippe mit über 200 beweglichen Figuren zur Vorführung an. Einem Inserat von 1905 zufolge gibt er auch Zitherunterricht und verkauft Saiteninstrumente. Ein „Brunnfärber Kaspar“, der nach den „Lausdirndlgeschichten“ Leneis Todfeind war, ist nicht nachzuweisen. Wahrscheinlich nannte man den Donatus auch „Kaspar“.

In den „Lausdirndlgeschichten“ wird der „Brunnfärber“, also Donatus Daxenberger, als Mesner bezeichnet, obwohl der 1892 er erst 20 Jahre alt war. Neben seiner mechanischen Krippe, seiner Zither, hatte er auch 24 Stallhasen. Wie in den „Lausdirndlgeschichten“ steht, sind die Hasen durch ein Loch im Zaun „ausgekommen“ und haben sich im Garten des Tierarztes, vermutlich war dies Peter Rahn, an Kraut und Gemüse vergangen. Da musste Bürgermeister Türk eingreifen und den „Brunnfärber“ zum Schadensersatz auffordern. Dieser sagte, dass er es schon noch heraus bekommt wer ihm das Loch im Zaun „angetan hat“. Und so hat er in der Kirche alle Kinder „furchtbar angeschaut“, sie bei den Ohren genommen, wenn sie nicht still waren.

Die Hände des „Brunnfärbers“ waren immer blau und weil er immer so „furchtbar fein geredet“ obwohl er bloß ein „Bauernfärber“ war, wurde er ausgelacht. Und so war er auch das Ziel für einen weiteren Schabernak. Die „Apothekermariele“, sie hieß Maria Thanner, und das „Lenei“ haben beschlossen, auf der Bubenseite in der Kirche Juckpulver auszustreuen. Weil die Buben im Sommer barfuß in die Kirche kamen, hat dies seine Wirkung nicht verfehlt. Und der „Brunnfärber“ musste „viele Püffe und Ohrfeigen“ austeilen.

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Schneidertoni“ von Balkham

Beim „Schneider“ in Balkham war ein kleineres Anwesen. Ab 1880 waren Anton und Maria Ebersberger die Eigentümer . Der Kauf wurde 1885 vollzogen. Sie stammten aus Steinhöring. Das Ehepaar hat 11 Kinder. Davon sterben 7 schon in den ersten Lebenstagen. Das Anwesen wird 1913 an Sebastian Hoibl aus Rosenheim verkauft. Bei zwei von den Ebersbergerkindern ist das weitere Schicksal bekannt. Franz, 1894 geboren, heiratet 1920 in Grafing Franziska Bauer und baut sich 1936 in Glonn ein Haus. Zu diesem Zeitpunkt wohnt er noch in Reinstorf. Der 1883 geborene Anton heiratet 1919 in Aying Therese Ertl und ist bis zu seiner Pensionierung Molkereimeister in Peiss. 1978 ist er kurz vor seinem 95. Geburtstag verstorben. Der Verfasser, der in Peiss seine Kindheit verbracht hat, kann sich noch gut an ihn erinnern.

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Grabinschrift des „Schneidertoni“ von Balkham Anton Ebersberger im Ayinger Friedhof

Der „Hansschuster“ hat einmal beim „Schneider“ eine tragende Kuh gekauft –anstatt der „Holzkirchnerin“, die die Ehekrise der Großeltern ausgelöst hat. Soweit kommt der „Schneider“ selbst in den Erinnerungen vor. Dessen Sohn, der „Schneidertoni“, ist genau 7 Monate jünger als das „Lenei“ und gehört scheinbar zum engeren Freundeskreis der damals etwa Zwölfjährigen. Jedenfalls lassen die „Lausdirndlgeschichten“ dies so erscheinen. Als es darum ging, die Figur des Heiligen Florian zu „steinigen“, der in einer blauen Nische über einer Haustüre stand, ermutigte der „Toni“ das Lenei“ mit dem Hinweis, der sei „hölzern“. Und sie schreibt: „Da hab ich es probiert. Aber er war doch gipsern“. Der „Toni“ wird auch gebraucht, wie das „Lenei“ aus Pfarrersgarten die Reinetten und die Zwetschgen „erntete“ und sie dann der „Brunnfärber“ vertrieben hat.

Und dann die Geschichte mit dem „Besenbinderhansl“, um dessen Seele sich nicht nur der Herr Pfarrer, sonder auch die „Pfarrerlies“ und die Großmutter gesorgt haben. Als der Herr Pfarrer gerade in Haslach war, hat der „Schneidertoni“, mit rußgeschwärzten Haaren und unerkannt, der „Pfarrerlies“ die Botschaft gebracht, der „Hansl“ möchte sich bekehren. Da herrschte im Pfarrhaus große Freude. Nach der Rückkehr des Pfarrers ging es dann mit Allerheiligstem, Ewigen Licht und dem Glöckerl, in Begleitung des Mesners und ein paar Neugieriger, auf zum „Hansl“. Nach einer Stunde war man dann vor dessen Hütte im Moos. Aber da fand man keinen reumütiger Sünder, sondern einen besoffenen und fluchender „Hansl“. Der „Schneidertoni“ aber erhielt vom „Lenei“ für das Überbringen der Botschaft das kleine Messer geschenkt, das er sich „schon lange gewunschen hat“.

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Glonn in den Werken von Lena Christ

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Mathias Bichler

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Sonnenreuth bei Wörnsmühl (Leitzachtal) im Jahre 2006

Dieser Roman, der sich um und nach dem Jahr 1800 im oberen Leitzachtal abspielt, handelt von einem Findelkind, das dem Weidhofer, dem Mesner von Sonnenreuth,  vor die Tür gelegt wurde. Und die Mesnerin sagt: „In Gott´s Nam; zieht man´n halt auf, den Wurm“. Weil die Herkunft des Mathiasl unbekannt ist, er könnte ja ein „Lediger“ sein, darf er nicht als Ministrant zum Altar. Er wird Hüterbub. Nach einem Unglück kommt er zur alten Irscherin. Die rothaarige Kathrin, deren Kostkind, versorgt ihn. Nach dem Tod der Alten müssen beide das Waldhaus verlassen und sie kommen beim Weidhofer unter. Schon früh verliebt sich Mathiasl in diese Jungfer. Sie aber kommt beim „Lackenschuster“ unter die Haube.

Der „Mathiasl“ geht auf Wanderschaft und landet beim Maler Thomas Beham in der Nähe von Bayerischzell. Bei ihm schnitzt er Rahmen für die Taferl, die der Maler fertigte. So kommt der „Mathiasl“ auch zum Markt nach Kufstein. Er verlässt den Maler und arbeitet dann bei einer Theatergruppe. Nachdem er von dieser weg geht, schließt er sich drei Handwerksburschen an. Papiere hat der Mathiasl nicht. Die besorgt ihm ein Kumpan. So wird er Johannes Schröckh. Über Umwege kommt er nach München und verdingt sich beim Maler Behringer, später dann beim Bildhauer Birchmayer, diesmal mit richtigem Namen. Schröckh aber ist ein Gauner und wird gesucht. So muss der Mathiasl als solcher ins Gefängnis. Die Verwechslung lässt sich klären und er kommt gegen eine Geldbuße frei. Dann kann er seine Lehre beim Birchmayer beginnen, wird Geselle und übernimmt, als sein Gönner stirbt, dessen Werkstatt.

Als gut 40-jähriger ist er nun bekannt und wohlhabend. Er erinnert sich an seine Jugend und an das Kathreindl, die Lackerschusterin. Er schreibt ihr und sie antwortet. Sie ist kinderlos und jetzt Wittib. Er fährt an Ostern zu ihr, fährt nach München zurück und kommt zu Weihnachten wieder. Die Kathrein kommt tot krank von der Christmette heim und verstirbt in den Armen ihres Mathiasl. Dieser aber geht zurück in die Stadt. Soweit der „Mathias Bichler“ in Kurzform.

Der „Mathias Bichler“, der im Mai 1914 erschien, trägt, schon allein vom Zeitpunkt und der Gegend der Handlung her, keine autobiografischen Züge. Ebenso wenig ist die Lebensgeschichte eines Glonners, der dem Schicksal des Bichlers ähnlich gewesen wäre, zu vermuten, obwohl dieser Roman geradezu gespickt ist mit Namen aus Glonn. Dass Lena Christ all diese Namen und Personen noch aus ihrer Glonner Zeit wusste, ist anzunehmen. Jedenfalls waren sie auch in der 1909 erschienenen Chronik von Johann Baptist Niedermair nachzulesen.

Mit dem Romanhelden Mathias Bichler soll zweifelsohne an den Großvater Mathias Pichler dem Namen nach erinnert werden. Die andere Schreibweise darf dabei nicht stören. Im mundartlichen Umgang sprach man sowieso nicht „Pichler“ sondern „Bichler“. Außer dem Namen erinnert höchsten noch die Geschicklichkeit des Romanhelden an den Großvaters. Den Namen Bichler hat das Findelkind im Roman vom Weidhofer, den Mesner von Sonnenreuth, der sich Bichler schrieb, bekommen. Sonnenreuth liegt unweit von Wörnsmühl an der Leitzach. Geboren wurde das Findelkind am vierten Sonntag nach Erscheinung des Herrn, am Tag des ersten Sonnenreuther Viehmarktes im Jahr. Da vom ersten Markt die Rede ist, müssen es im Jahr mehrere gewesen sein. Das erinnert an die Glonner Jahrmärkte. Wie es der Roman beschreibt, haben die Bichlers viele Kinder, ohne je eines geboren zu haben. Es sind insgesamt sieben Kostkinder. Hinzu kommt der Mathias. Dies erinnert natürlich an das Hansschusterhaus. Dass der Weidhofer Besen bindet und seine Frau Garn spinnt, das hat sich damals in jedem kleineren Anwesen so zugetragen.

Die alte Irscherin, eine gute Frau, aber auch Waldhex genannt, kann heilen, aber auch schreiben. Sie ist das einzige Kind des Wundarztes Rauff aus Au in Baiern. Sie heiratet. Ihr Mann verunglückt im Holz und ihr einziger Sohn muss im Krieg sein Leben lassen. Sie wird vom Blitz erschlagen, wie es eigentlich ihr Wunsch war, nämlich durch die Elemente Feuer oder Wasser zu sterben. Lange leiden oder siechen wollte sie nicht. Der „Schnepferlucker“ hat die Leichenschau gehalten. Den Friedhof hat man ihr allerdings verweigert, weil sie als Hexe gegolten hat.

Die Irscherin wohnt im Waldhaus in Sonnenreuth. Sie ist die Pflegemutter der Jungfer Kathrein Paumgartner. Nach dem Begräbnis der Irscherin wird die Jungfer vom Testamentsvollstrecker ins Waldhaus bestellt. Korbinian Urber, der „Lindlschneider“, und Balthasar Meckinger, der „Staudenweber“ warten dort bereits, um Zeuge zu sein. Im Haus eröffnet der Schreiber das Testament der Verstorbenen und verliest es. Da erfährt die Jungfer, dass sie eine uneheliche Tochter des erlauchten Herren Georg von Höhenrain sei und man sie der Irscherin übergeben habe. Das jährliche „Zehrgeld“ betrug zwölf Gulden und die übergebene Aussteuer fünfhundert Gulden. Darüber hinaus erbt sie von der Alten, die schon lange Wittib ist, Haus, Grund, Vieh und ihren „Sparpfennig“ von dreihundert Gulden.

Die Kathrein verkauft das geerbte Waldhaus mitsamt dem Vieh an den Weidhofer für 500 Gulden. Der Lackenschuster Anderl wird später ihr Gatte. Er ist Alleinerbe des besten Hofes in Sonnenreuth. 60 Tagwerk Ackerland und viele fette Wiesen und Weiden und Wald gehören zum Anwesen. Die Hochzeit wird zusammen mit dem Pauli und der Nandl als Doppelhochzeit gefeiert. Die Trauzeugen für den Anderl und die Kathrein sind der Simmer“ von Tal und der „Rumpl“ von Reuth. Die Hochzeit wird mit vielen Bräuchen begangen. Die Kathrein ist kinderlos und schon 14 Jahre Wittib. Als sie dem Mathiasl auf seinen Brief antwortet, berichtet sie unter anderem, dass in Sonnenreuth sechstundzwanzig Kinder an Blattern gestorben sind.

Die alte Irscherin, der Name könnte dem „Ircher“-Anwesen in Antholing entlehnt sein, hat in der Glonner Welt kein Vorbild. Aber den „Schnepferlucker“ den gibt es heute noch auf dem Weg nach Frauenreuth. Es ist ein Anwesen auf freiem Feld und könnte als Jagdhaus entstanden sein. Deshalb auch der Hausname. Auch “Urber“ und „Lindlschneider“, sind hier geläufige Hausnamen. Einen „Urber“ (Urban) gab es in Adling, in Glonn und gibt es heute noch in Schlacht. Der „Lindlschneider“ ist in nächster Nachbarschaft des Hansschuster. Wahrscheinlich kommt der Name von Liendl Schneider, also Leonhard Schneider. Zur Zeit des Lenei schrieb man sich Koller. „Meckinger“ kommt von Mecking, einer Einöde bei Glonn. Der „Staudenweber“ steht heute noch in Glonn. In diesem Haus war die Familie Hintermaier. Sohn Siegmund war der erste in Glonn ansässige Fotograf. Und so sind in diesem Haus wahrscheinlich die ersten Fotos von Glonn entwickelt worden. Ob mit dem Georg von Höhenrain -die „Höhenrainer“ gab es tatsächlich unweit über dem Glonntal,- an eine Arm-Reich Elternschaft, wie es möglicherweise die Mutter von Lena Christ erlebt hatte, erinnert werden soll, darüber gab es bereits im Kapitel „Vaterschaft“ Überlegungen. Und dann die Trauzeugen der Kahtrein, der Simmer von Tal und der Rumpl von Reuth: Beide Hausnamen sind aus Frauenreut. Während es den Simmer heute noch gibt, heißt der Rumpl heute beim „Schmied“.

Interessant ist auch, wie die Hochzeit von Andreas und Kathrein abgelaufen ist. Hier ist im wesentlichen beschrieben, wie es 1909 der Glonner Chronist Johann Baptist Niedermair für seine Heimat dargestellt hat. Man kann sich aber auch gut vorstellen, dass das Lenei in ihrer Nachbarschaft, beim „Neuwirt“, keine Hochzeit übersehen hat. Ob eine Hochzeit im oberen Leitzachtal, also in Sonnenreuth genau so abläuft, wurde nicht geprüft. Aus Glonner Sicht sei noch vermerkt, dass die Hochzeit im „Mathias Bichler“ beim „Klinglwirt“ stattfindet. Einen solchen gibt es in Glonn nicht, aber im nahen Weidach, Gemeinde Baiern. In der „Niedermair-Chronik“ ist der Klinglwirt ebenfalls erwähnt. Aber auch den „Grasberger“, jenen steinalten Bauern, der „wohl bald 100 Jahr alt“ sein möcht und an der Hochzeit teilnimmt, hat es dem Namen nach gegeben. Seinem Weib, sieben Kindern und leicht zwanzig Enkeln musste er schon ins Grab schauen, wie geschrieben steht. Grasberger schrieb man sich zur Zeit des Lenei beim „Schneeberger“ in Kreuz, unweit von Glonn. Zum Zeitpunkt der Hochzeit im Roman allerdings noch nicht. Der Grasberger des Jahres 1885 hatte sieben Kinder; drei sind während des 1. Weltkrieges gefallen.

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Kupferstich der Muttergottes von Frauenreuth

Im „Mathias Bichler“ lernen wir noch weitere Bewohner von Sonnenreuth kennen: Den alten Donatl, der das Inventar der alten Ircherin zu versteigern hat. Der Vorname Donatus ist sehr selten. In Glonn kommt er auf dem Färberanwesen, in den „Lausdirndlgeschichten“ „Brunnfärber“ genannt, vor. Aber auch beim „Häuslpauli“, mit Schreibnamen Paulus Heckmair, und der Nandl Wiesmüller begegnen wir wieder echten Glonnern. „Häuslpauli“ ist ein alter, heute nicht mehr gebräuchlicher Hausname. Beim „Heckmair“ und beim „Wiesmüller“ dagegen gibt es noch. Das „Sixwaberl“, ein arms Häuslleut, erinnert ebenfalls an Glonn. Das Glonner „Sixnhäusl“ steht in der heutigen Lena-Christ-Strasse noch. Das Sonnenreuth im Roman mit seinem Marktplatz seiner Kirche, mindestens zwei Wirtshäusern und seinen Bewohnern ist dem Glonn von damals viel ähnlicher als dem echten Sonnenreuth.
Nachdem die Kathrein verheiratet war, der Weidhof abgebrannt, die Zieheltern dabei ums Leben gekommen sind und nachdem ihn nur der Lackerschuster, der Mann der Katrein aufnehmen will, macht sich der erst siebzehnjährige Mathiasl bei Nacht auf die Wanderschaft. Auf seinem Wanderweg in Richtung Geitau sieht er den Wendelstein, Birkenstein und Fischbachau. Da betet er zur Gnadenmutter von Birkenstein: „Sei gegrüßt am Gnadenthron ……„ Dieses Gebet ist der Muttergottes von Frauenreuth gewidmet. In der Niedermair-Chronik ist der Kupferstich mit dem Bild der Madonna und dem Gebet wiedergegeben und daraus in den Roman übernommen. ebenso das Gedicht auf den Brand des Weidhofes. Es ist einem in gereimter form geschriebenen Bericht des Glonner Pfarrers Melchior Schmalzmair entnommen. Er war von 1644 bis 1664 Glonns Pfarrer und hat in diesen Versen die Leiden, die der 30-jährige Krieg über Glonn gebracht hat, ausgedrückt.

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Der Glonner Johann-Babtist Beham malte 1788 den Kreuzweg in der Kirche in Elbach

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Votivbild des „Steinmüllers“ Servatius Wäsler in der Frauenreuther Kirche.

In Geitau sieht der Mathiasl ein altes bärtiges Männlein, das gerade ein Bild malt. Dieser Maler hat mit ihm Mitleid und nimmt ihn mit in Richtung Bayrischzell in seine strohgedeckte Hütte. Der Maler heißt Thomas Beham. Der Mathiasl schätzt ihn auf etwa 80 Jahre und erfährt von ihm, dass er in Tirol als jüngstes von 14 Geschwistern geboren ist. Der Vater war Kraxenkrämer und die Mutter ein Kreutlweib. Als Exvoto-Maler hat er einen guten Namen. Von seinen Arbeiten, die er mit und ohne Bestellung fertigt und auch auf Jahrmärkten anbietet, kann er leben. So hat ihm auch die „Steinmüllerin“ von Ebbs einen Auftrag gegeben. Unter anderem will sie der Gottesmutter von Ebbs ihren Dank abstatten, weil von einer Sau alle 22 Frischlinge durchgekommen sind.
Den Maler und seine Hütte gab es in Wirklichkeit. Ihn hat Lena Christ anlässlich eines Ausfluges endeckt. Wie es im „Der Weg der Lena Christ“ heißt, sprach er schlesischen Dialekt. Sie nennt ihn im Roman Thomas Beham. Dieser Name führt uns nach Glonn. Jakob Beham, beim „Vogl“ in Hermannsdorf gebürtig, heiratete 1749 die Nagelschmiedtochter Maria Rieder aus „am Berg“ bei Glonn. Er war Maler und zunächst in Westerndorf bei Glonn sesshaft. Dort werden sechs seiner sieben Söhne geboren, bevor er 1762 das Heimatanwesen der Frau übernahm. Seitdem, und bis heute, heißt dieses Anwesen beim „Moier (Maler) am Berg“. Während der Vater und Sohn Phillip-Jakob die Werkstatt in Glonn weiterführten, gingen die Söhne Johann und Michael außerorts. Johann konnte in Aibling beim Maler Gaill einheiraten. Er verstarb dort 1838. Sein Bruder Michael war teilweise bei seinem Bruder Geselle. Ein letztes Lebenszeichen haben wir von ihm aus dem Jahre 1809. Beide waren vorrangig im Raum Aibling, Miesbach, dem Leitzachtal und bis Bayerischzell tätig. Ihre Werke umfassen Liftl-, Sakral- und Möbelmalerei. Die Malerei am Jodelbauernhof in Hagenberg bei Geitau ist ein Beispiel. Besonders das Werk von Johann Beham findet höchste kunstgeschichtliche Beachtung und ist im Nationalmuseum in München, sowie im Germanischen Museum in Nürnberg präsent. Die Kunst der Behambrüder ist in der Niedermair-Chronik von 1909 erwähnt.
Auch der „Steinmüller“ von Ebbs ist ein Glonner. 
Er schrieb sich Servatius Wäsler. Der Steinmüllerhof steht heute noch im Mühltal bei Glonn. Die Geschichte mit den 22 durchgekommenen Frischlingen ist wahr. Der Steinmüller hat deswegen um das Jahr 1720 der Gottesmutter von Frauenreuth mit einer Votivtafel gedankt. Ob Lena Christ das Votivbild in der Frauenreuther Kirche selbst gesehen oder die Geschichte der Niedermair-Chronik entnommen hat, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich Letzteres.

Der „Mathiasl“ will nach einem Jahr beim Maler endlich die „Welt“ sehen. Er gibt nicht nach. So verspricht der Thomas ihn zum nächsten Markt nach Kufstein mitzunehmen. Wie immer versorgt ihm das Tiroler Katherl während seiner Abwesenheit das Haus. Das Katherl wohnt im Haus der „Totenpackerin“ von Bayerischzell. Sie wäscht dieser die Kindswindeln, versorgt ihr den Geißenstall und hält für sie auch Totenwacht. In ihren guten Jahren geht sie mit der Kirm übers Land und bietet den Leuten nicht nur ihr Allerlei, sondern auch Neuigkeiten. Wie dem „Mathias Bichler“ weiter zu entnehmen ist, ist sie längst 100 Jahr alt.

Das „Tiroler Katherl“ ist aus der Niedermair-Chronik übernommen. Da steht: „Am 21. März 1763 starb das „Tiroler Katherl“, sonst umhervagabundierend, zur Zeit aber im Dienst beim Riedl in Adling“. Der 21. März ist ein Druckfehler. Es war der 31. März 1763. Niedermair´s Grundlage ist der Eintrag im Glonner Sterbematrikel. Geschrieben hat ihn der Glonner Pfarrer und Komponist Franz Kaltner. Dem Eintrag nach hatte die Verstorbene keinen Schreibnamen. Sie wurde benannt mit „Catharina, vulgo (gewöhnlich) Tyroler Cätherl“. Ein Alter ist nicht vermerkt.

Auf der Reise nach Kufstein gehen sie über Bayrischzell und die Bäckeralp und gelangen zu dem einsamen Wirtshaus bei Ursprung. Auch unweit von Glonn gibt es ein Ursprung. Es besteht aus zwei Höfen. Ein Wirthaus gab es hier nicht. Dieser Weiler ist zwar in der Niedermair-Chronik beschrieben. Wir dürfen aber annehmen, dass Lena Christ diese Örtlichkeit, die an der Strasse nach München liegt, aus ihrer Kindheit, beziehungsweise von ihren späteren Besuchen gut gekannt hat.

Bot mit Blachenwagen

Blachenwagen des „Boten“ von Glonn um 1894

In Kufstein angekommen, finden der Maler und sein Begleiter beim „Stiefelwirt“ Unterkunft. Ein „Stiefelwirt“ ist weder in Glonn noch in Kufstein bekannt, aber in Aibling. Es kann sein, dass Lena Christ diese Wirtschaft kannte, war doch einer der Wirte, Georg Loidl, in Spielberg bei Glonn beheimatet. Am anderen Tag geht es auf den Markt. Das Brüllen von Tieren und das Schnalzen der Geißeln zeigen an, dass auch Vieh aufgetrieben ist. Der Thomas richtet seinen Stand zwischen Messerschmied und Lebzelter ein. Das Jammern der Händler über die schlechten Zeiten gehört ebenso dazu, wie der Stand der Schnapsbrennerin, die heißen Würste und die vielen anderen Angebote. Und so ist es ein Vieh- und Warenmarkt, wie ihn das Lenei in Glonn erlebt hat.
Nach dem Zwischenspiel mit der Theatertruppe und der „roten Mamsel“, der sich der „Mathiasl“ anvertraut hat und die ihm nicht nur den letzten Kreuzer aus der Tasche gezogen, sondern auch Ehrfurcht und Scham genommen hat, muss er sein Ränzl wieder schnüren. Er schließt sich Handwerksburschen an. Sein Ziehbruder Fritz ist einer von ihnen. Die beiden anderen nennen sich „Loabischmied“ und „Magister“. Letzterer besorgt dem Mathiasl Papiere. Nun heißt er Johannes Schröckh und hat ein zwanzigjähriger Malergesell aus Traunstein zu sein. Sie ziehen durchs Bayernland, besuchen Dörfer und Märkte und suchen ihren Weg gegen München. Wie es Roman heißt, ziehen sie so um die Kirchweihzeit durch einen größeren Bauernhof nahe bei Ebersberg. Aus dem nahen Wirtshaus wird ein großer Blachenwagen, beladen mit Kisten, Körben und Säcken, voran zwei kräftige Pferde, aus einer Schupfe gezogen. Der Fuhrknecht gibt zu erkennen, er sei ein „Bot“ und fahre nach München. Für einen Gulden nimmt er sie alle vier mit in die Stadt. In München angekommen gibt der „Magister“, um den Fuhrknecht zu täuschen vor, er müsse zu seinem Vetter, dem Pfarrer von Maria Hilf, um für seine Kumpanen Arbeit zu besorgen. Nach den Formalitäten in München ist die erste Anlaufstelle der „Branntweiner“, um bei den Gästen ihre Dienste anzubieten.
Die Fahrt nach und die Ankunft in München enthält wieder Glonner Elemente. Das Fuhrgeschäft beim „Bot“ in Glonn kannte das Lenei schon seit ihrer Kindheit. Natürlich auch den Blachenwagen, dem sie des öfteren auf Glonns Straßen begegnet sein muss. Die „Bötin“, die von der Stadt immer Pommeranzen und Zitronen mitbringen ließ, um sie im Laden anzubieten, kommt in den „Erinnerungen“ vor. Aber auch der Maria-Hilf- Pfarrer von der Münchner Au war ein Bekannter. Es war der 1859 in Glonn geborene Bäckerssohn Johann Winhart. 1883 feierte er in Glonn Primiz. Bevor er 1908 Pfarrer in Maria-Hilf wurde, war er zu Ludwig Thomas Zeiten Pfarrer in Dachau und wieder vorher Kaplan in München Sankt Peter. Dem Lenei und eher noch ihrer Mutter war er sicher ein Begriff. Übrigens: Mit der Mutter Magdalena Pichler hat der Bäckerbub die Schulbank gedrückt. Ob sich beide später in München noch über den Weg gekommen sind, ist nicht bekannt. Der „Branntweiner“ war ein Glonner Hausname, heute sagt man „Zur Lanz“.

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Johann Winhart, Bäckerssohn aus Glonn, Pfarrer von Maria-Hilf in München

Für die Münchner Zeit des Mathias Bichler beziehungsweise des Johann Schröckh können Parallelen zu Glonn nicht mehr nachgewiesen werden. Lena Christ hat ja selbst lange genug in München gelebt, um hier fündig geworden zu sein.

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Die Rumplhanni

Dieser Roman, der ursprünglich als Theaterstück gedacht war, erschien 1916 und ist zeitnah geschrieben. Die „Rumplhanni“ ist in Öd, Pfarrei Schönau, beim Hauserbauern Dirn. Ihr „Techtlmechtl“ mit dem Bauern und dessen Sohn Simmerl, der ihr auch noch die Heirat versprochen haben soll, und von dem sie angibt, er habe sie geschwängert, schadet allen. Sie muss vom Hof und sie probiert es in München. Nach anfänglichen Schwierigkeiten landet sie im Polizeiarrest und lernt dort die Hausiererin Franzi Weinzierl kennen. Bei der kommt sie unter, versorgt deren todkranken Mann, Haushalt und Kinder. Wieder im Gefängnis lernt die Hanni eine „Verdingerin“ kennen. Diese nennt ihr die Adresse des „Martlbräus“. Sie geht hin, wird eingestellt und findet ihr Glück. Tüchtig und geschickt, wie sie ist, erwirbt sie das Vertrauen ihrer Herrschaft. Nach dem „Heldentod“ des Martlbräusohnes, heiratet sie den Metzger des Hauses, Hans , und sie können den „Martlbräu“ übernehmen. 

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Öd bei Schönau im Jahre 2006

Der Name „Rumpl“ kommt als Hausname selten vor, aber in der Glonner Gemeinde gleich dreimal und zwar eng beieinander: In Mattenhofen, in Hafelsberg und in Frauenreuth, sozusagen auf einer Linie. Die Bedeutung des „Rumpl“, mundartlich als „Rumbi“ ausgesprochen, dürfte von rumpeln, poltern, oder von „wie dumpfes Geräusch“ kommen. Dies lässt auf Geheimnisvolles schließen. Denken wir an Rumpelkammer und das Rumpelstilzchen aus dem Märchen. Lena Christ wird sich diese Gedanken nicht gemacht haben. Sie wird den Namen, den sie ja schon von Kindheit her kannte, einfach lustig und zur Romanheldin passend gefunden haben. Der Roman “Rumplhanni“ beginnt mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Lena Christ ist zu diesem Zeitpunkt in Lindach zur Sommerfrische. Sie hat also das Ganze selbst gesehen, wie sie es im Roman beschrieben hat. Aber auch andere Szenen hatte sie in Lindach beobachtet.
Mit dem „Öd“, von dem aus die Sonne über Höhenrain und Kirchdorf untergeht -eigentlich müsste die Reihenfolge umgekehrt sein- ist sicher der Herkunftsort der Großmutter gemeint. Allerdings nur dem Ortsnamen nach, denn Öd ist in natura eine Einöde, ohne Schmied und Wirt, so wie sie im Roman vorkommen. Wenn ein echt existierender Ort Vorbild für den Platz der Handlung gewesen sein sollte, dann Glonn. Hier ist in der Nachbarschaft des Schmieds der „Neuwirt“; und dem gegenüber der „Hansschuster“. Hier konnte sie den Beruf des Schmieds und das Leben in einer Dorfwirtschaft schon als Kind miterleben. Mit dem Hausnamen „Hauser“ dürfte der Geburtsname der Großmutter gemeint sein. Aber letztlich war auch der Hauserbauer nicht aus Öd, denn zum Notar will er nach „Eberschberg“. Hätte er im echten Öd gewohnt, wäre das Amt zweifelsohne in Aibling gewesen. Und wenn der „Meßmer von Frauenreuth“, den es dort auch gibt, mit dem Hauser von Öd vom Wirt heimgeht, beweist das wieder, dass Öd nicht bei Schönau liegen kann.

Die „Rumplhanni“ weiß was sie will. Sie ist schlau, ehrgeizig und wenn es sein muss auch frech. Dazu ist sie, wie es im Roman heißt, ein „saubers, molligs Frauenzimmer mit festen Armen, feisten Backen und kohlschwarzen Haaren“. Obwohl sie ein „Barasolflickerbankert“, also die Tochter eines Regenschirmflickers ist, verliert sie aber nie ihren Stolz und strotzt vor Selbstbewußtsein. Ihr Humor und ihre Unbekümmertheit sind ihr kein Hindernis und helfen ihr über vieles hinweg. Ihr Ziel etwas zu haben und „wer zu sein“ verliert sie nie aus den Augen. Die Methoden, die sie dabei anwendet, sind zwar nicht immer vom Feinsten, aber sie erreicht ihr Ziel. Die „Rumplhanni“ als Bauerndirn ist allerdings keine für den Roman konstruierte Person. Sie war eine von vielen dieser Zeit, die oft mangels anderer Möglichkeiten bei den Bauern ihren Dienst taten, umso härter, als die Männer ins „Feld“ ziehen mussten. Dies beweist auch, so ist es bei Göpfert zu lesen, dass sich einige Dialoge zwischen der alten Kollerin, der Hauserin und der Dienstmagd in Lindach so wirklich abgespielt haben. Der Hintergrund für die Veränderung im Verhalten der Dienstboten war sicher auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, wie die Einführung der Sozialversicherung, Veränderungen im Aufenthaltsrecht und die Industrialisierung, sie setzt mehr Freizügigkeit in Gang. Man musste also nicht mehr ein Leben lang fleißig, brav, treu und willig beim gleichen Bauern “dienen“, damit man im Alter eine Bleibe hatte, wie es in den Jahrhunderten vorher war.

Die „Hanni“ muss den Hauserbauern verlassen und probiert es beim „Wirt“ und beim „Staudenschneider“ unterzukommen, hat aber damit kein Glück. Dienstboten werden in der Regel nur zu Lichmeß eingestellt, und wer während des Jahres daherkommt, dem wird misstraut oder man braucht niemand, weil ja niemand ausgestanden ist. Sie fährt von Ostermünchen, der nächsten Bahnstation von Öd, in die Münchner Stadt, ins Ungewisse. Die Stadt mit ihren Türmen, Giebeln und Palästen, ihren Hunderten von Lichtern, die die Straße taghell machen, bringt sie natürlich ins Staunen. In einer Wirtschaft im Tal ist sie Zeugin einer wüsten Rauferei und ihr Gewand ist voll verschütteten Bieres. Da ist die Rettung. Der „Ropferflori“, spricht sie an. Sie erkennt ihn als ihren Schulkameraden, den man selbigesmal angezeigt hat, weil er bei der Hascher-Kramermutter zwanzig Mark erpresst hat und dann „durchbrennt“ ist.

Einen Platz suche sie, sagt sie dem Flori und dieser versichert: „Plätz gibts grod gnua“. Er lädt sie zum Essen und zum Kaffee ein und wie die Polizeistunde da ist, begleitet sie der Flori zum Quartier und trägt ritterlich ihren Reisesack. Er aber haut hab und die zwei Polizisten, die für seine Flucht der Grund sind, können nur noch der Hanni den Weg versperren. Die Hanni hat sie für Soldaten gehalten und schimpft wie ein Rohrspatz. Sie wird –ohne Reisesack- in den Polizeiarrest mitgenommen. Sie ist dort nicht allein. Eine nimmt sich ihrer an, die Weinzierl Franzi. Von ihr werden ihr für die Zeit nach dem Arrest Quartier und Arbeit angeboten.

Der Wechsel vom Land in die Stadt erinnert an die Mutter der Lena Christ, Magdalena Pichler. Wahrscheinlich hat diese vorher auch bei Bauern „gedient“. Sie ist zwar erst siebzehn als sie in die Stadt geht, sie kommt aber aus einer Familie mit Anwesen, die es ihr erlaubt hätte, wieder heim zu kommen. Der Eindruck den die Stadt auf die „Hanni“ gemacht hat erinnert auch daran, wie das Lenei zum ersten Mal nach München kam.

Der „Ropferflori“ ist ein Glonner. Wir erinnern uns, aus den „Erinnerungen“ und in den „Lausdirndlgeschichten“, der Ropfer war der Nachbar vom „Lenei“ und sein Bruder, der „Girgl“, hatte beim Femegericht die Hauptrolle zu spielen. Die alte Kramermutter, die gab es in Egmating. Sie hieß Maria Hascher.

Wie die Autorin die „Rumplhanni“ beim „Martlbräu“ erst als Arbeitskraft, dann als Wirtin, und wie sie Betrieb und Tagesablauf des „Martlbräu“ beschreibt, das muss erlebt sein. Mit Sicherheit sind hierzu ihre Erlebnisse in der elterlichen Gastwirtschaft und in der Floriansmühle die wichtigsten Erfahrungen. Wahrscheinlich sind aber auch die Bilder und Erlebnisse der Glonner Nachbarschaft des Lenei, dem „Neuwirt“, ein Gasthaus mit Metzgerei, in den Roman mit eingeflossen. Die „Rumplhanni“ heiratet am 20. Mai 1916 in der Münchner Au, also in der Maria-Hilf-Kirche. Diese Adresse kennen wir schon aus dem „Mathias Bichler“. 1916 war der Glonner Johann Winhart Pfarrer in der Au. Es ist also kein Zufall, dass die Hochzeit der „Hanni“ in der Münchner Au stattgfindet.

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Das Glonner Gasthaus zur Post um 1905

In der „Rumplhanni“ können wir natürlich noch weitere Glonner endecken. Zum Beispiel den Mathias Ödenhuber, er ist der Wirt in Öd. Bei ihm ist eine gute Einkehr möglich, ein sauberes, geräumiges Haus, reinlich, mit gutem Koch, Metzgerei, einem Wirtsgarten mit drei Kastanienbäumen, großem und feistem Vieh mit reichen Stadeln. In der Gaststube hängen Rehgwichtln und Schützenscheiben und vom Wirt aus sieht man auf die Kirchenuhr. Wie es weiter heißt, hat der Wirt vor zwanzig Jahren eine reiche Posthalterstochter aus dem Ebersberger Gäu geheiratet. Diese Beschreibung trifft weitgehend auf den Postwirt in Glonn zu. Dieser schrieb sich allerdings Wagner. Der Name Ödenhuber ist also Dichtung. Aber es gibt die Einöde Ödenhub bei Glonn. Bei der eingeheirateten Frau könnte es sich um Therese Gassner, eine Wasserburger Brauers-und Gastwirtstochter handeln. Die Hochzeit war 1894, also vor 20 Jahren. Dass der Schmied zum Wirt „hinüber geht“, trifft hier nicht zu. Aber es gibt in Glonn zwei Situationen, wo es so gewesen sein könnte: Vom Schmied Obermair zum „Neuwirt“ oder vom Schmied Wäsler zum „Utzwirt“. Beide hatten Söhne, die ins Feld mussten.

Der „Staudenschneider Girgl“, ist eigentlich reich genug um sich eine Braut aussuchen zu können. Nicht nur wegen seines „Buckels“, sondern auch wegen seines Wesens klappt es halt nie. Auch der Schmuser, der alte Schnecken-Nazi hat ihm schon zehn oder gar zwölf zugebracht. Keine will ihn. Aber er braucht halt eine Bäuerin, denn auf dem Sach muss es ja weiter gehen. Dann geht er weit unter seinen Stand und hält ein paar mal bei der „Hanni“ an, aber sie mag ihn auch nicht. Dem Namen nach ist der „Girgl“ ein Glonner. Das Staudenscheideranwesen ist in der Nachbarschaft des „Staudenwebers“, den wir schon als Zeugen im „Mathias Bichler“ kennen. Es sind uralte Hausnamen. Auf dem ersteren waren vor Jahrhunderten Weber ansässig und auf dem zweiten, Schneider, noch bis 1916. Das Anwesen beim „Schnecken“ ist unweit des Hansschuster. Der Eigentümer schrieb sich Spießl, war ledig und verkauft 1902 sein Anwesen an die Gemeinde Glonn. Diese macht ihr Armenhaus daraus.

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Madam Bäuerin

Der Schiermoserbauer aus Berganger hat seit Jahren Sommerfrischler aus der Stadt. Die Witwe des Rechtsrats Schäuflein, deren ledige Schwägerin Adele und die Tochter Rosalie sind Stammgäste, diesmal sind sie schon zum siebten Mal da. Die Rosalie, die jetzt dreiundzwanzig ist, hat bei diesen Aufenthalten die Arbeit gesehen und sich nicht dumm angestellt, so dass sie daran sogar Freude findet. Wenn sie da ist, gehört sie zum Hof und vergisst sogar ihre ganze Erziehung, meint die Mama. Die Schiermoserin, der Großvater und die Großmutter sind von diesen Besuchen nicht gerade begeistert, aber die Einnahmen können sie halt doch ganz gut brauchen. Der Schiermoser, der lieber bei seinen Maschinen ist als bei der Feldarbeit, und sein Sohn Franzl haben nichts dagegen, wenn die Städtischen wieder einige Wochen auf dem Hof sind.

Der Franzl, der einzige Sohn, er ist nur ein paar Jahre älter als die Rosalie, soll einmal den Hof übernehmen. Er hat das Vertrauen seines Vaters, ist ihm eine große Hilfe und ein guter Berater. Ein Gspusi hat er auch schon, die Bauerstochter „Nandl“ ist es und sie tät auch gerne Schiermoserin werden. Aber der Franzl gibt sie auf, weil er mit der Rosalie anbandelt. Er nennt sie seine Madam Bäuerin. Als die Schiermoserin einmal nicht da ist, zeigt diese sogar großes Geschick in der Kuchl. Die Schiermoserin, die Großeltern und Rosalies Mutter sind mit diesem Anbandeln gar nicht einverstanden, zumal die Frau Mama ihrer Tochter schon ein paar ausgesucht hat, einen Assessor oder einen Rittmeister aus der Stadt. Der Schiermoser und Tante Adele, die sich prächtig verstehen, stellen dem jungen Paar nichts entgegen. Es wird geheiratet. Soweit die Kurzfassung dieses Romans.

Madam Bäurin“ wurde 1917 in Landshut geschrieben und ist 1919 erschienen. Obwohl sich die Handlung etwa um die gleiche Zeit abspielt wie bei der „Rumplhanni“, erleben wir hier eine ganz andere Landwirtschaft; eine, bei der schon die Technik auf dem Hof eine Rolle spielt. Es wird nicht mehr mit der „Drischl“ gedroschen, sondern mit der Dreschmaschine. Während auf einem Hof sieben Tage lang in der Woche die Arbeit verrichtet werden muss, „pflegen“ sich die Sommerfrischler, und insbesondere die Bäuerin betrachtet dies mit Argwohn. Deshalb ist es ihr schon gleich lieber, wenn die „Stadtfracken“ während der Ernte kommen, da hat sie nicht „derweil“ sich zu ärgern. So jedenfalls stellt es die Autorin fest. Wer auf solche Gedanken kommt, muss dies erlebt haben. Und zwar in Lindach, wo sie mit ihrem zweiten Mann Peter Jerusalem ab 1914 beim „Wimmer“ öfters zur Sommerfrische war. Wie Göpfert schreibt, hat sie bei der Ernte manchmal mitgeholfen. Aber wenn sie geschrieben hat, so erinnert sich Rosina Sedlbauer, Wimmertochter, dann ist sie den ganzen Tag im Bett gelegen. Und das können Bauersleute von damals sicher nicht verstehen.

Der Schiermoserhof steht laut Roman zwar in Berganger ist aber in Lindach zu vermuten. Da ist von „drunten“ im Marktflecken, gemeint ist Glonn, die Rede. In Lindach sagt man so. In Berganger aber würde man sagen „nach Glonn aufi“. Dann der Motorpflug und die Dreschmaschine, die hat der Franzl am königlichen Gutshof gesehen, wo er als Oberschweizer gearbeitet hat. „So a Motor muaß her und so a Maschin“ hat er gesagt. Und der Vater war begeistert und hat gekauft. Solche Maschinen gab es ganz sicher während des ersten Weltkrieges nicht auf bäuerlichen Betrieben wie beim Schiermoser. Zum Dreschen war vielleicht ein „Hackenzylinder“ auf dem Hof, der das „Drischldreschen“ ersetzte. Motorpflug und Dreschmaschine gab es damals höchstens auf Gütern. Hier war das nächste in Niederseeon. Dieses gehörte wie Hermannsdorf, Georgenberg, Doblberg und viele weitere Gehöfte im Glonner Gäu zum Schlossgut Zinneberg. Mit seinen insgesamt 260 Hektar Äckern waren solche Maschinen gut einzusetzen und leisten konnte sich Baron Büsing diese auch. Es ist anzunehmen, dass Lena Christ solche Maschinen in Niederseeon gesehen hat, das ja nur eine Stund von Lindach entfernt liegt.

Im Roman sind bei den Schiermosers die Bauersleute, die Großeltern, ein Sohn und zwei Töchter genannt. Diese Familiengröße und -struktur entspricht der des „Wimmer“ von Lindach,. Hier sind die Kinder zum Zeitpunkt des Aufenthaltes der Dichterin allerdings jünger. Der Schiermoser Franz, so ist er beschrieben, ist am Antoniustag 25 Jahre alt geworden. Nehmen wir das Jahr 1914, dann wäre er 1889 geboren. Er hat drei Jahre in München bei den Schweren Reitern gedient, wurde Unteroffizier und war nach dem Militär ein ganzes Jahr Oberschweizer auf einem königlichen Gutshof. Ein naher Verwandter hat dort eine Verwalterstelle. Er schafft auf dem Hof an. Das beweist auch, dass er auf den Viehmarkt geschickt wurde, eine Aufgabe, die ein Bauer nicht so leicht seinem Sohn überlässt. Aber als ehemaliger Oberschweizer versteht er vom Vieh mehr als der Vater. Es scheint so, dass mit dem Franz im Roman eine bestimmte Person gemeint war. Wer, wissen wir nicht. Beim königlichen Gutshof mit Verwalter und Oberschweizer könnte es sich ebenfalls um das Gut Niederseeon gehandelt haben, gab es doch dort einen großen Rinderbestand.

Wimmerfamilie ca 1920

Familie Bauer, die „Wimmerfamilie“ von Lindach. Der Großvater ist nicht mehr auf dem Bild.

Bei der Beschreibung des Schiermoserhofes gibt es eine weitere Ungereimtheit. Da heißt es, die Bäuerin fährt zum Reisertaler, da müssen die Mägde Nandl und Liesl die Kühe melken. Auf einem Hof mit zwei Mägden, zwei Töchtern, die auch schon arbeitsfähig sind, und einem „Ochsenbub“, ist die Bäuerin nicht mehr Stallmagd. Das ist sie nur bei kleinen Anwesen, wie zum Beispiel beim Hansschuster.

Wie wir schon wissen, wäre die Nandl vom Straßlbauern gerne Schiermoserin geworden. Sie wurde auf 30000 Mark Mitgift geschätzt und war damit sicher als gute Partie zu werten. Beim „Straßlbauer“ ist ein Hof zwischen Strass und Au, wie es im Roman heißt. Mit dem Straßlbauer ist wahrscheinlich der „Straßmair“ von Strass gemeint. In den Erinnerungen ist er der „Schmiedbauer“ und wird vom Lenei als der reichste Mann der Gemeinde angesehen. Übrigens: Auch das Lenei hat anläßlich Ihrer Heirat ein Muttergut von 30000 Mark bekommen. Sie war eben auch eine gute Partie.

34-Reisenthal vor 1920

Der Reisenthalerhof um 1920

Die Schiermoserin will unbedingt die Heirat ihres Sohnes mit der Rosalie verhindern. Sie versucht jetzt für den Franz selbst eine zu suchen. Der Weg führt sie schon in aller Früh zum Reisertaler, einem Einödhof. Der ist mit den Schiermosers befreundet und hat, auf was es ihr ankommt, Töchter. Und wenn zu den Schiermosertalern ein paar Reisertaler hinzukämen, das wäre natürlich auch recht, denkt sich die Schiermoserin. Sie gibt es zunächst nicht zu, dass sie eigentlich für den Sohn auf Brautschau ist. Ob er ein „paar Fakei“ hätte oder wüßt, fragt sie den Reisentaler. Nachdem die Schiermoserin durch den Stall gehend den mustergültigen Viehstand des Bauern lobt, wird sie auch schon von der Hausmutter wahrgenommen.  Die kommt mit zwei Töchtern in den Stall. Nun kommt die Schiermoserin endlich auf ihr eigentliches Anliegen. Dann geht man in die Stube und setzt Kaffee und Kuchen vor. Diese Geschichte ist natürlich damit nicht zu Ende. Auf was es bei der bisherigen Schilderung ankommt, ist die anfängliche Ersatzfrage. Diese Praxis wird noch bis weit in die Fünfzigerjahre von schüchternen Heiratswilligen oder deren Helfern angewandt. Statt der „Fakei“ wurde selbstverständlich auch nach anderem, wie Heu und Stroh, oder einer Kalbin nachgefragt. Den Reisertalerhof, den gibt es drei Kilometer südlich von Glonn, im Kupferbachtal. Nachdem die Schiermoserin zum Reisertaler „ume“, also hinüber gefahren ist, ist der Ausgangspunkt der Reise schlecht zu lokalisieren. Von Glonn aus fährt man „hintre“, von Frauenreuth, Münster, Loibersdorf und Spielberg her „obi“. Die Verwendung von Reisertal hat also außer dem Namen keinen Hintergrund, höchstens noch vom Viehbestand her.

Nun zu den Schäufleins. Sie kommen aus München. Ob es in München persönliche Vorbilder gegeben hat, wissen wir nicht. Die Familie könnte auch erfunden sein. Die Sommerfrische dagegen, zu der ganze Familien, einschließlich des Gesindes, meist in der Ferienzeit auf das Land zogen, die war Wirklichkeit. Hierfür gibt es im Glonner Gäu mehrere Beispiele. Besonders für die Kinder war das Landleben eine willkommene Abwechslung. Andererseits wurde viel Verständnis für das Landleben mit in die Stadt genommen. Es bildeten sich Freundschaften. Diese waren während Krieg und schlechter Zeit für die Städter oft Gold wert.

Der schon verstorbene Ehemann und Vater Schäuflein, der Rechtsanwalt und später Richter war, stammt aus reichem Haus. Seine Mutter ist die Tochter eines Kauf- und Schiffsherrn aus Hamburg. Die Herkunft der Mutter erinnert an die Beschreibung der Frauenreuther Kirche in der „Niedermair-Chronik“. Dort steht geschrieben, dass sich ein Kaufmann, der ein Kauffahrschiff auf dem Meere besaß, für den Fall der glücklichen Rückkunft von der Seereise den Bau der Kirche in Frauenreuth gelobt haben soll. Vielleicht hat die Autorin hier auf ein Stück Ortsgeschichte zurückgegriffen. Eine Person wie die verwitwete Rechtsrätin, der die Landbewohner zu „wenig“ sind und die sich für das Landleben zu fein fühlt, kommt in einigen Theaterstücken zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor. Auch die in der Familie wohnende Ledige, warum auch immer, ist gleichermaßen in städtischen Haushalten wie auf dem Lande geduldet. Bleibt doch ihr Geld im Haus. Und die Tochter aus „gutem Haus“, die sich nicht mehr alles gefallen, die sich ihren Bräutigam nicht mehr vorsetzen lässt, passt auch in die Zeit der „Madam Bäuerin“.

Dass die „Madam Bäuerin“ in der Glonner Gegend spielt, ergibt auch daraus, dass der Bahnhof in Glonn ist. Nachdem der Zug die Brücke des Mühlbaches, gemeint ist die Glonn vom Mühltal kommend, passiert hat, fährt er in den Bahnhof ein. Es ist vom Marktflecken, der drunten ist, die Rede. Diese Redensart lässt auf den Standort des Hofes, der dann oben sein muss, schließen. Zum Beispiel in Lindach. Folgerichtig muss man in die Kirch nach Glonn „obegeh“. Zum Markt nach Glonn fährt man auch „obe“. Es ist ein Jahrmarkt mit Viehmarkt. Auf dem Platz vor der Kirche stehen viele Stände, ein Prater (Karussell) und ein Turmseilkünstler. Der Viehmarkt findet hinter dem Postwirtsgarten statt. Eine Beschreibung die nur zu Glonn passt. Lediglich der Ober- und der Unterwirt sind hinzu gedichtet.

50- Oratorium Pfarrkirche

Dies ist der Platz neben dem Altar, in der Glonner Pfarrkirchevon wo aus die „Rosalie“ und die „frommen Frauen der Mädchenschule“ das Aufgebot verfolgen

Der Hochzeit, die im Advent „stad“ gefeiert wird, geht das öffentliche Aufgebot in der Kirche voraus. Die Rosalie kann dies durch das barocke Gitter über dem Hochaltar mitverfolgen. Neben ihr knien die frommen Frauen der Mädchenschule. Bei diesen handelt es sich um die Sternschwestern, die seit 1902 die damals erbaute Klosterschule betreuen. Die Beschreibung trifft auf die Glonner Kirche zu. Auf Glonn verweist auch die Rechtfertigung des Schiermosers gegenüber seiner Frau, dass man schließlich einen Verschönerungsverein habe und da gehöre es dazu Sommerfrischler aufzunehmen. Glonn hat seit 1887 einen solchen Verein, der sich heute Kulturverein nennt. Albert von Scanzoni war Gründungsvorstand. Auch über den Raiffeisenverein wird im Roman diskutiert. Ihn gibt es in Glonn seit 1894. Gründungsvorstand war der Posthalter Wolfgang Wagner.

bauer

Bauern

Hier handelt es sich um 17 Kurzgeschichten, die 1919 erschienen sind. Vermutlich sind hier auch Geschichten und Szenen festgehalten, die zum Teil für andere Werke gedacht und geschrieben waren, aber letztlich doch nicht passten, oder vom Verlag aus heraus genommen werden mussten. Alle diese Geschichten spielen sich auf dem Lande ab und meist in der Gegend, in der die anderen Werke vorkommen. Jedenfalls lassen die darin verwendeten Haus und Hofnamen darauf schließen. Da ist die Rede vom Schweigerlenz von Lindach. Den Schweigerhof gibt es in Lindach tatsächlich. Die Söhne, die im Alter von Lena Christ waren, hießen allerdings Josef und Jakob. Aber auch den „Windl“ gibt es in Lindach. Die Nackmoarsusann kommt in der ersten Geschichte „Die Freier“ vor. Den „Nackmoar“ gibt es in Haslach, wo die Tante Nanni wohnte und das Lenei in den Ferien sein durfte.

Der Kreutweber ist zwar nicht von Lindach, aber vom nahen Münster. Der junge Kreutweber, eben vom Krieg heimgekehrt, möchte heiraten und erkundigt sich bei der 90-jährigen Krankenhausurschl, die rundum die Leute kennt, nach einer Hochzeiterin. Und die Urschl verrät ihm auf Anhieb die Noimerzenz von Kreuz, die Wimmerlies von Haslach und die Schneiderresl von Münster. „Noimer“, „Wimmer“ und „Schneider“ sind allesamt Haslacher Hausnamen. Lediglich die Ortsnamen sind erdichtet. Als der Kreutweber von der Brautschau heimkommt, ist das Simmerbauernannamierl mit seinen 2 Buben in der Stube und erinnert ihn an seine Todsünden. Den Simmerbauer gibt es in Frauenreuth. Die Krankenhausurschl aber war sicher eine Glonnerin. Ab 1888 hatte nämlich die Gemeinde Glonn ein Lokalkrankenhaus unterhalten. Die Kramerschusterin, die für ihren Sohn Martl mit der Brunnfärberlies die Hochzeit ausrichtet, ist in der Nachbarschaft des Hansschuster. Den Brunnfärber kennen wir schon aus den „Lausdirndlgeschichten“. Und beim Lebzelter war dort, wo heute das Glonner Rathaus steht.

In der Geschichte „Henn um Henn – Hahn um Hahn“ geht es um eine nachbarliche Feindschaft. Dies erinnert an den Streit zwischen dem Hauser und dem Wirt in der „Rumplhanni“. Die Schleiferlies ist eine Gemeindearme, ein heruntergerutschtes Häuslleut, wie es heißt. Wie Peter Jerusalem schreibt, ist das Urbild für die Schleiferlies die alte Grundin von Lindach. Der Hausname „Schleifer“ kommt aber aus Neumünster nächst Münster. Auf diesem Anwesen lebte im 19. Jahrhundert die Familie Grund. Die Lies ist also mit ihrem Mann nach Lindach gezogen. In der nächsten Geschichte lesen wir vom Einödbauern Chrischtoff. Den Hausnamen „Chrischtoff“ gibt es heute noch in Reinstorf bei Glonn. Dieser Name erinnert aber auch an das zweite Pseudonym der Dichterin, nämlich „Kristoff“. So steht es in ihrem Testament. In der gleichen Geschichte kommt auch die Urzin vor. Dies ist der Hausname einer Glonner Gastwirtschaft.

In der Geschichte „Die Erbschaft“ ist vom Tod des 80-jährigen „Sixnwaberls“ die Rede. Hier muss es sich um Therese Stacheter handeln. 1868 kaufte sie mit ihrem ebenfalls ledigen Bruder Felix zusammen einen Ausbruch des Neuhäusleranwesens in Glonn. Vorher waren sie mit noch weiteren Geschwistern Miteigentümer einer Erbengemeinschaft auf dem Sixanwesen in Hermannsdorf. Den Hausnamen haben sie mitgenommen. So wird ihre Unterkunft in Glonn das „Sixnheisl“ genannt. Felix verstirbt bereits 1870 und die Schwester, „einsam und ohne Freundschaft“, wie es in der Geschichte heißt, 1890 mit 77 Jahren. Lena Christ hat ihre Kindheit in der Nähe des Sixnhäusl verbracht und das Sixnwaberl, wie sie sie nennt, sicher gut gekannt. Der Geschichte zufolge war das Sixnwaberl beim Windl von Reuth etwa 20 Jahre Kindsdirn. Der Kinderzahl nach müsste dies beim „Hintermair“ in Frauenreuth gewesen sein. Den Hofnamen „Windl“ gab es in der Gemeinde zweimal, in Hermannsdorf und in Westerndorf.

In der Geschichte „Das neue Hausregiment“ gibt es die Schiermosers. Wir kennen sie bereits aus der „Madam Bäuerin“. Dies könnt eine Geschichte sein, die ursprünglich als Episode für den Roman gedacht war. Im „Schauer“ erleben wir den Franzenbauer. Den gibt es in Kastenseeon. Der „Franz“ spielt auch im Leben der Lena Christ eine Rolle. Am 11.August 1916, als es beim „Franz“ brannte, war sie an der Brandstelle und half mit den Hausrat zu retten.

uns

Unsere Bayern anno 14

Dieses Buch ist 1915 erschienen und schildert den Kriegsausbruch am 1. August 1914 und das erste Kriegsjahr aus der heimatlichen Perspektive. Die Mobilmachung hat Lena Christ in den ersten Kriegstagen in Lindach und wahrscheinlich auch in Glonn erlebt. Mit ihrer großartigen Beobachtungsgabe schildert sie das Leben auf dem Dorf, die Situation der Bauern, die Rösser und Wagen zur Verfügung stellen müssen, und die Begeisterung und den Abschied der zu den Waffen Gerufenen. Die Aufbruchstimmung in der Mobilmachungsphase erleben wir auch in der „Rumpelhanni“. Schauplatz dieser Schilderung ist der Marktplatz eines Kirchdorfes und ein Bahnhof. Und wenn wir lesen, dass das Züglein mit den Einberufenen über die Brücke durchs Moor am Adlinger Berg den Bahnhof verlässt, dann kann es sich nur um Glonn handeln.
Die Vorbilder für die handelnden Personen, der Nickl von Reuth, der Posthalter, die Rosl vom Lebzelter, der Schwaiger Ludwig, die Kramerschusterin waren höchstwahrscheinlich alle aus Glonn, wenn auch mit anderen Vornamen. Der Briefbote „Hintermoare“, der in der Geschichte den Stellungsbefehl überbringt, den gab es als Postbote Wilhelm Hintermaier in Glonn wirklich. Er war allerdings schon 1911 verstorben. Lena Christ hatte ihn aber sicher aus ihrer Kindheit in guter Erinnerung. Wenn sie ihm einen Bub, ein Mädchen und eine kalbende Kuh zuschreibt, dann hat sie etwas verwechselt. Diese Ausstattung trifft auf den Neffen des Postboten, den Schneidermeister Ludwig Hintermaier zu. Den „Marottn“, dem das „Wei“ im Kindbett beim siebten Kind verstorben ist, diesen Hausnamen gibt es nur in Berganger. Dieser Ort ist auch die Romanheimat der Schiermosers in „Madam Bäuerin“. Lena Christ hat also Berganger gekannt. Aus der Niedermair-Chronik ist jedenfalls der Hausname nicht genommen. Dort schrieb man „Marot“.

32- ca 1900 mit Bahnhof

Glonn von Wetsen aus. Im Vordergrund der Bahnhof. Von hier aus ging es für viele in den Krieg.

Mit dem während des Seelengottesdienstes für die verstorbene Staudenweberin aus Rosenheim kommenden Automobil voller Russen hat es seine Richtigkeit. Nicht nur, dass es die Staudenweberin in Glonn gegeben hat, sondern auch der Vorgang selbst stimmt. Die damals zwölfjährige Rosina Sedlbauer erinnerte sich an dieses Ereignis. Der Gendarm muss Josef Koller, der Vater von Wolfgang Koller, gewesen sein, der Tierarzt Hans Härlein, er hatte wahrscheinlich das erste Auto in Glonn. Die Sommerfrischlerin, die berichtet, man habe nach Münster telefoniert, dass von Helfendorf her ein Automobil gesichtet wurde, das mit einem Haufen Gold und einer Kiste voll Bomben beladen sein soll, könnte Lena Christ selbst gewesen sein. Gold und Bomben als gemeinsame Fracht, das klingt schon sehr unwahrscheinlich. Vielleicht wollte die Dichterin sich daraus einen Scherz machen.

Die anfängliche Aufbruchstimmung zum Krieg gepaart mit Siegesgewissheit verwandelt sich in Skepsis und Trauer, als im Dorf die Kunde eintrifft, dass Verwundete und Tote zu beklagen sind. Der Pentenrieder Hans schildert in einem Brief an seine Eltern, wie ihm im Elsaß die feindlichen Granaten um die Ohren pfeifen. Aber er ist immer noch der Meinung „die Franzosen müassen boarisch wern, ehnder gebn ma koa Ruah“. Der Posthalter liest auch den Brief des Pentenrieder Ferdl an seine Eltern vor. Diesen hat er vom Lazarett aus geschrieben. Ein Granatsplitter hat ihn erwischt. Wer mit den Pentenriederbrüdern gemeint war, ist offen. Der Familienname aber war Lena Christ nicht fremd. So hieß nämlich der 1890 verstorbene Schneider auf dem Staudenschneideranwesen.

Interessant ist auch die Geschichte vom Kriegsjahrmarkt. Die Kirche, der Marktplatz und der Posthalter sind hier nahe beisammen. Also in Glonn. Mit dem Schlossbräubier, das beim Posthalter ausgeschenkt wird, ist das aus Zinneberg, wo damals noch eine Brauerei existierte, gemeint. Dass jetzt, in Kriegszeiten, der Liter Milch um drei und das Pfund Butter gar um 50 Pfennig teurer wurde, damit verteidigt ein Krämer den Wert eines angebotenen Bildes. Und er argumentiert weiter, der Baron droben, gemeint war der von Zinneberg, der habe von ihm auch schon eines gekauft. So auch sein „Administrata“. Diese beiden gab es auch. Wer noch auf dem Markt war und was sonst noch angeboten wurde, nichts fehlt in der Geschichte. Lena Christ muss auf diesem Markt selbst gewesen sein. Sonst kann eine solch lebendige Schilderung nicht zustande kommen. Diese Geschichte ist nicht nur eine ausgezeichnete Reportage, sondern ein literarisches Gemälde!

Es ist ein Schnitter“, eine weitere Geschichte in diesem Band. Die Autorin schildert, wie sie wieder einmal ihren Heimatort besucht. Es muss Ende September 1914 gewesen sein. Eben wurde der alte Lehrschneider eingegraben. Und schon wieder läutet die Totenglocke der alten Leinthalerin. Es ist ihr halt zuviel geworden, ihr einziger Bub ist im Krieg geblieben. Und so sind noch mehr zu beklagen. Vor dem Friedhof aber hört man das „Gloria-Viktoria“ der Rekruten, die, immer noch freudig, ins Feld ziehen, während der Pfarrer in der Kirche drinnen von Krieg und Opfer redet. Beim Posthalter wird gerade das Leichenessen gerichtet. Aus dem Telegramm, das ihr der Postbote eben gebracht hat, erfährt die Wirtin vom Heldentod ihres Sohnes. Die Wehrkraftbuben kommen eben singend von der Übung: „Kein schönrer Tod ist in der Welt …“. Bei dieser Geschichte kommt es nicht darauf an wo sie sich abgespielt hat. Die Dichterin will zeigen, wie sich der Krieg in der Heimat auswirkt. Nu, es wollen noch nicht alle glauben.

Den „Ropfer“ kennen wir schon aus den „Erinnerungen“ und aus den „Lausdirndlgeschichten“. Natürlich auch den „Ropfergirgl“. In der Geschichte „Der heulende Derwisch“ ist er wegen eines „Haxenschusses“ auf Kriegsurlaub und erzählt seiner betagten Mutter diese im Krieg erlebte Geschichte. Lena Christ muss anlässlich eines Besuches in Glonn von dieser Geschichte erfahren haben, denn erfinden kann man so etwas nicht. Ob es sich um den Ropfersohn „Girgl“ oder einen anderen gehandelt hat, ist nicht nachzuweisen. Die alte Ropferin verstarb 1919.

Dass der Krieg in Glonn Tagesgespräch war, wird in der Geschichte „Im Dorf“ wiedergegeben. Die Neuhäuslerin und die Grieslmüllerin tauschen über den Krieg ihre Weisheiten aus. „Da bleibt gar koana verschont. Da findts an jeden“ meint die Neuhäuslerin und die Griesmüllerin stimmt zu. Beide hat es in Glonn in der heutigen Lena-Christ-Straße gegeben. Aber auch die Hechenthalerin. So schrieb man sich beim „Glosn“ in Steinhausen. Der Dialog, den beide führen, scheint abgehorcht zu sein.

In der gleichen Geschichte kommt der „Wirtstoni“ vor. Er hat Heimaturlaub bekommen, in zerrissener und verschutzter Felduniform. Und der Vater stellt als erstes, eher verachtend, fest: „Du muaßt net schlecht graaft habn“. Erst als der Toni seinen Eltern das Eiserne Kreuz auf seiner Brust zeigt, schlägt die Stimmung in Verwunderung und Stolz um. Der Toni muss natürlich erzählen, wie er dazu gekommen ist. Es geht um die Verteidigung in einer eroberten Stellung. Den Wirtstoni gab es in Glonn nicht. Diese Heldentat erinnert aber an den Glonner Schmiedsohn Johann Wäsler, der am 14.12.1914 und am 9.5.1915 in Frankreich Heldenhaftes geleistet hat und unter anderem mit dem „Eisernen“ ausgezeichnet wurde. Dies war damals in Glonn sicher Tagesgespräch.

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Glonn und Lena Christ

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Lena Christ um 1913

Wie schon ausgeführt, hatten zu Lebzeiten von Lena Christ alle unehelich geborenen Kinder einen schwierigeren Start ins Leben als eheliche. Bei ihr kam noch hinzu, dass sie aus kleinen Verhältnissen stammte. 1912 wurde sie geschieden. Bis zu dieser Zeit gab es in Glonn vermutlich noch keine Scheidung. Bis zur Heirat mit dem Protestanten Peter Jerusalem lebte sie bei diesem in „wilder Ehe“. Und dann die Heirat ohne kirchlichen Segen. Ob ihr zweimaliger Arrest im Jahre 1911 in Glonn bekannt war, ist offen. Aber von den Bildfälschungen und dem Selbstmord wusste man sicher auch in Glonn. Das sind Tatsachen, die zu dieser Zeit auch bei jeder anderen Person, und nicht nur in Glonn, negativ gesehen und verurteilt worden wären. Wie Dr. Ghemela Adler nachweist, war die Dichterin der USPD nahe stehend, oder gar deren Mitglied. Ob man das in Glonn wusste? Diese Partei war eine linke Abspaltung der SPD. Kurt Eisner war deren Repräsentant. Er rief 1918 den „Freien Volksstaat Bayern“ aus. Glonn war 1919 ein Zentrum der „Weißen Garde“, die zur Bekämpfung der „Roten Garde“ angetreten war. Sollte in Glonn die politische Orientierung der Dichterin bekannt gewesen sein, dann war dies auf keinen Fall gerne gesehen.

 

Wie wir wissen, hat sich die Dichterin in ihren Werken über zu diesem Zeitpunkt oft noch lebende Glonner lustig gemacht oder sich gar abfällig geäußert. Dies betraf auch die Familienehre der Betroffenen. Honoratioren blieben dabei nicht verschont. Was sie über Glonn schrieb, entsprach nicht immer den Tatsachen. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum sie auch als Lügnerin bezeichnet wurde. Und so konnte ihr Leben den Glonnern kein Vorbild sein, eher das Gegenteil. Sie wurde sogar die „Matz“, ein sehr abfälliger Ausdruck, genannt. Ein Glonner erzählt, er weiß es von seiner Mutter, dass, wenn diese nicht ordentlich frisiert oder gekleidet war, von der Großmutter gescholten wurde: „Kimmst ja daher wia´s Hansschusterlenei“. Und ein alter Bauer weiß, das sie sein Vater immer mit „Rotzpipp´n“ bezeichnete.

42- Koller Wolfgang

Wolfgang Koller (1904 – 1974), Oberschulrat und Schriftsreller, förderte nicht nur in Glonn Andenken und Werk von Lena Christ.

In der Neuauflage der „Niedermair-Chronk“ von 1939 ist ein Absatz über Lena Christ enthalten. Wolfgang Koller dürfte hier die Feder geführt haben. Hier wird sie gelobt, aber auch darauf hingewiesen „sie sei leider manchmal zu derb und mit falschen Auffassungen über christliche Dinge“. Der einst in Balkham wohnende Schriftsteller Hellmut von Cube schreibt 1968: „A rechter Rauschauf is gwen, a Lausdearndl, a Lugenbeutel“. So haben es ihm alte ehrsame Handwerker- oder Bauersleute erzählt und wie er weiter vermerkt, haben sie das mit Misstrauen und „kaum verhohlener Geringschätzung“ gesagt.

Angesichts ihres geminderten Ansehens in Glonn verwundert es, dass man für die Dichterin bereits am 27.4.1923, also knapp drei Jahre nach ihrem Freitod, an ihrem Geburtshaus eine Gedenktafel anbrachte. Der Text, der darauf stand, lautet: „In diesem Hause ist´s als sie war jung. Lena Christ zur Erinnerung 1921″. Dass die Gedenktafel die Jahreszahl 1921 trägt, aber erst 1923 angebracht wurde, lässt darauf schließen, dass man sie zunächst in Glonn nicht haben wollte. Die Tafel ist zwar kein Meisterwerk und wird auch nicht viel gekostet haben. Es handelt sich um einen wieder verwendeten Marmor, denn die Rückseite ist die Druckvorlage für den Füssener Pflasterzoll. Peter Jerusalem erwähnt in seinem Buch das unzureichende Deutsch der Inschrift. 

Der Ebersberger Anzeiger vom 2.5.1923 berichtet kurz: „Glonn (Gedenktafelenthüllung) In Glonn wurde am letzten Donnerstag eine Gedenktafel für die bayerische Volksdichterin Lena Christ an ihrem Geburtshaus (Schäfflerhaus) enthüllt. Hierauf schloss sich eine kleine Feier an“. Eine Ankündigung in der Zeitung für diese Feier konnte nicht festgestellt werden. Wolfgang Koller erinnert sich, dass zur Einweihung Münchner Künstler nach Glonn kamen. Künstler des Gärtnerplatztheaters führten „Das Nullerl“ ein Bühnenstück der Dichterin, auf. Die Glonner waren bei dieser Feier nur Zaungäste, wie Koller weiß. Wie wir von Anna Messerer, der „Mesner Nanni“ aus Kreuz wissen -sie besuchte damals die Glonner Klosterschule- wurde den Mädchen von der Schule aus verboten, der Feier beizuwohnen. Schließlich habe Lena Christ mit ihrem Leben kein gutes Beispiel geliefert. Die Tafel von 1921 befindet sich heute im Glonner Heimatmuseum.

Initiator für diese Gedenktafel war der in Glonn lebende Architekt Franz-Paul Lang. Er wohnte im Glonner „Baderanwesen“, stammte aus Freising, war blind und verstarb am 13.12.1924 in Glonn im 57. Lebensjahr. Er wurde nach Freising überführt. Luise Brandstetter, „Lolo“ genannt, war seine Gesellschafterin und Vorlesedame. Ob Lang Lena Christ persönlich kannte, ist nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, dass er als Blinder den Zugang zur Dichterin über die durch „Lolo“ vorgelesenen Werke fand. Wahrscheinlich hat er als nur Hörender die Literatur ganz anders erlebt als ein Leser. Er muss schon ein großer Verehrer der Dichterin und ihres Werkes gewesen sein, wenn er als Blinder eine solche Initiative ergriffen hat.

Neben einzelnen Persönlichkeiten, an deren Spitze sicher Wolfgang Koller steht, der schon in den 30-Jahren in Artikeln immer wieder dargelegt hat, wie sehr Lena Christ mit Glonn verbunden ist, sorgten sich in Glonn insbesondere der Verkehrs -und Verschönerungsverein, heute Kulturverein, um das Andenken der Dichterin. Auf Antrag dieses Vereins beschloss der Marktgemeinderat, die Straße zwischen Huberwirt und Reiser „Lena-Christ-Straße“ zu benennen. München hatte, schon vor dem Krieg beschlossen, die Mahlerstraße in Lena-Christ-Straße umzubenennen. Mittlerweile gibt es ungezählte Straßen, die den Namen der Dichterin tragen. Aber auch einen Schule ist nach ihr benannt, die Lena-Christ-Realschule in Markt Schwaben.

Eine besondere Ehrung erfuhr Lena Christ zu ihrem 75. Geburtstag am 30. Oktober 1956. Als Gruß aus ihrer Heimat wurde am Grab im Münchener Waldfriedhof ein Blumengebinde niedergelegt. Am darauf folgenden Samstag fand dann beim Neuwirt die Gedenkfeier mit dem Festvortrag von Wolfgang Koller statt. Die neue Gedenktafel, von Professor Georgii geschaffen, wurde dann am Sonntag am neu erbauten Gröbmayrhaus angebracht. Veranstalter der Feier war der Glonner Verschönerungsverein. 

Während der 50. Todestag der Dichterin im Jahre 1970 in Glonn keine Gedenkfeier auslöste, wurde ihr 90. Geburtstag dann gebührend gefeiert. Es lud wieder der Verschönerungsverein Glonn, diesmal zusammen mit dem Kulturverein Zorneding, in den Glonner Neuwirt ein. Zugleich wurde das neu erbaute Nebenzimmer als „Lena-Christ-Stüberl“ eingeweiht. Vor der Feier fand ein Gedächnisgottesdienst in ihrer Taufkirche statt, vermutlich seit ihrem Tod für sie in Glonn der erste Gottesdienst.

Zum 100. Geburtstag im Jahre 1981 lud die Glonner CSU ein. Im gleichen Jahr wurde ein guter Teil der „Rumplhanni“ in Schlacht und Balkham gedreht. Einige Glonner werden als Statisten in diesem Film verewigt.

Vorläufig letzter Höhepunkt in Glonn im Gedenken an Lena Christ war sicher die Anbringung der Broncebüste am Eingang des Glonner Rathauses im Jahre 1999. Das Werk wurde gefertigt vom Hermannsdorfer Bildhauer Johannes Gottwald. Die Kosten von 6000 DM haben zu gleichen Teilen die Marktgemeinde und der Kultur-und Verschönerungsverein Glonn übernommen. Die Initiative für diese Büste kam vom Glonner Galeristen und Begründer des Glonner Heimatmuseums Hans Kotzinger. Er hat für sich eine weiteres Exemplar anfertigen lassen. Nach dem Tod von Hans Kotzinger wurde diese Büste von Betty Kotzinger dem Glonner Heimatmuseum geschenkt.

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Gedenktafel von Lena Christ von 1956

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Lena Christ Büste am Glonner Rathaus, ein Werk des Künstlers Johannes Gottwald aus dem Jahr 1999

Wie wir sehen, war die Meinung über Lena Christ in Glonn nicht immer gut. Hier bewahrheitet sich ein altes Sprichwort „Wo der Taler geschlagen ist, ist er nichts wert“. Es gibt aber auch Parallelen mit andern Dichtern. Sie war eben in Person, Leben und Werk eine Außergewöhnliche. Viele konnten das nicht verstehen.
Abschließend ist festzustellen, Lena Christ war mehr Glonnerin als bisher angenommen. Landschaft und Dörfer von Glonn und Umgebung, Anwesen und Personen, Schicksale und Gefühle, Freud und Leid sind die Basis für alle ihre Werke. Sie hat alles gut beobachtet. Beurteilen wir nicht nur was sie schrieb, sondern wie sie es schrieb und mit welcher Selbstverständlichkeit sie auch als Autorin in ihrer Glonner Heimat verwurzelt war! Für Glonn war sie alles andere als eine Überflüssige. Ihre literarische Bedeutung ist unumstritten. Ihre heimatkundliche und kulturgeschichtliche Bedeutung wird immer deutlicher. Josef Hofmiller hat dies schon sehr früh erkannt, wenn er schreibt: „Wenn man in 100 Jahren wissen will, wie es damals in Oberbayern gewesen ist, werden diese ihre Bücher neben denen von Ludwig Thoma den Wert kulturgeschichtlicher Quellenwerke haben“.

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Nachwort und Dank:

Dieser Bericht ist eine Schilderung aus Glonner Sicht. Deshalb ist es mir bei der Abfassung  auch darauf angekommen  Glonner Geschichte darzustellen und zu vermitteln.  So wie alle Glonnerinnen und Glonner, ist auch Lena  Christ ein Teil der Glonner Geschichte.  Dieser Gedanke möge uns der Dichterin noch näher bringen. Vielleicht trägt dies  dazu bei, dass ihr Werk in Glonn nicht nur bevorzugt gelesen, sondern auch  als Teil unserer  Glonner Geschichte verstanden wird.

Mit Sicherheit ist in diesen Bericht nicht alles eingeflossen, was es über Lena Christ im Zusammenhang mit  Glonn zu berichten gäbe. Bitte berichten Sie mir aus Ihrer und der Kenntnis ihrer Vorfahren, was nicht geschrieben wurde. Die Forschung um unsere bekannteste Glonnerin ist nicht nur interessant, sondern, gerade aus Glonner Sicht, auch wichtig.

Abschließend möchte ich mich noch bedanken beim Kulturverein Glonn  e.V, insbesondere bei seinem Vorsitzenden Georg Reupold. Ohne den Verein, der als Herausgeber fungiert, die Druckkosten und den Vertrieb übernimmt, wäre diese Broschüre nicht zu Stande gekommen. Weiter möchte ich mich bedanken bei Frau Elisabeth Eberle, der Tochter von Wolfgang Koller, die mir Unterlagen aus dem Bestand ihres Vaters zur Verfügung stellte. Dann bei Frau Dr. Ghemela Adler, die ihre Dissertation über Lena Christ geschrieben hat. Mit ihr konnte ich den Entwurf des Berichtes besprechen. Ferner bedanke ich mich beim Stadtarchiv München und bei den staatlichen Archiven Bayerns für die Unterstützung bei meinen Recherchen. Mein herzliches Dankeschön gilt auch unserem Bürgermeister Martin Esterl, der mir in seinem Grußwort schon „Vorschusslorbeeren“  zugestand. Hoffentlich kann ich diese rechtfertigen. Ebenso gilt mein Dank unserem Glonner Rektor a.D.  und  meinem Kollegen von der Glonner Heimatforschung,  Rudi Gerer, für das Korrekturlesen.  Alles aber wäre umsonst, gäbe es nicht Sie, die Leserinnen und Leser.  Ihnen gilt mein besonderer Dank für ihr Interesse an diesem Bericht.

 

Hans Obermair

 

Chronist Hans Obermair

Liebe Leser,
ein paar Worte zum Werdegang unseres Ortschronisten Hans Obermair

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1939 in Piesenkam, LK Miesbach, geboren, ab 1941 Peiß (Aying), ab 1951 Ottersberg und ab 1965 Glonn. Das sind die Lebensstationen von Hans Obermair. Sein Vater stammt aus der Gemeinde Glonn (Frauenreuth) – seine Familie ist dort über 500 Jahre nachzuweisen –  und die Mutter aus der Gemeinde Frauenneuharting.  Die Eltern waren  Pächter jeweils einer Gast-und Landwirtschaft. Das ist der Hintergrund dieser Wohnsitzwechsel. Zunächst machte Obermair eine Ausbildung als Landwirt, die er 1963 mit der Meisterprüfung abschloss. Im gleichen Jahr war auch die Hochzeit mit Anna Breu aus Kötzting. Vier Kinder und acht Enkelkinder sind das Ergebnis dieser Ehe.

1965 begann er mit einer Banklehre und bildete sich zum Bankfachwirt weiter. 37 Jahre war er im Genossenschaftswesen tätig. Davon 23 Jahre als geschäftsführender Vorstand bei der Raiffeisenbank in Pliening und dann neun Jahre als Geschäftsführer des Verbandes Genossenschaftlicher Geschäftsleiter in Bayern, der Berufsorganisation der Bankvorstände von damals rund 1000 Genossenschaftsbanken in Bayern und Sachsen. 2002 ging er von dieser Position aus und insgesamt 48 Arbeitsjahren in den Ruhestand.

Neben vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten, privat und beruflich, unter anderem 16 Jahre als Marktgemeinderat,  interessiert sich Obermair seit Jahrzehnten für die Heimatgeschichte. In den Siebzigerjahren fand er hierzu über die Familienforschung Zugang. Auf die vorhandene Glonner Geschichtsforschung (Niedermair, Sedlmair, Koller, Wäsler usw.)  konnte er gut aufbauen. Seinem Hobby konnte er sich ab dem Ruhestand voll widmen. Als „Ortschronist“ hat Obermair in vielen Veröffentlichungen (bisher in etwa190) und Vorträgen/Führungen (bisher 108) seine Forschungsergebnisse weiter gegeben. Auch in seinen früheren Wohngemeinden  Peiß und Pliening ist er als Zeitzeuge  mit Veröffentlichungen und Vorträgen gefragt.  Mittlerweile umfasst sein Archiv über 65 Ordner. Sein Digitales  geht auf die 40 Gigabit zu.  Obermair´s  ehrenamtliche Tätigkeit als Heimatkundler ist auch von Fachleuten anerkannt und wurde mehrfach öffentlich gewürdigt. Viele Anfragen von geschichtsinteressierten Personen aus Nah und Fern, geben ihm die Gewissheit, dass Heimat- und Familiengeschichte auch heute noch ein wichtiges Kulturgut ist.

Seit 2018 ist Hans Obermair Ehrenbürger der Marktgemeinde Glonn.