Ebersberger Zeitung/16.1.2021
von Hans Obermair
Zwei der am häufigst gebrauchten Namen waren im alten Bayern Georg (23.4.) und Michael (29.9.). Mag sein, dass dies, von Gegend zu Gegend verschieden, oft verbunden mit dem Kirchenpatrozinium, auch auf Vornamen zutraf. Am verbreitetsten waren diese beiden Heiligen aber als Zeitbegriff: So in vielen Übergabeverträgen, in denen zum Beispiel ausgemacht war, das den Austräglern von „Georgi bis Michaele“ täglich ein Ei zu reichen sei.
Diese beiden Namenstage wurden also zu Stichtagen, zwischen denen die Hühner „Oar“ legten, oder es Grünfutter gab oder die Milch nicht so schnell sauer wurde! Aber auch in der Brauvorschrift von 1539, in der vorkam, dass wegen der Brandgefahr eben von Georgi bis Michaeli kein Bier gesotten werden solle. Das Ende April für die kommende Periode letztmals gebraute Bier stellte im Gegensatz zum Winter an die Lagerung erhöhte Ansprüche. Das im Winter in Kellern eingelagerte Eis war die eine Möglichkeit, eine andere war die Erdkühle, also die Lagerung in Erdkellern, möglichst in der Nähe der Brauerei. Die überdeckende Erdmasse bepflanzte man mit schattenspendenden Bäumen, häufig mit Kastanien.Die damit entstehenden Biergärten sind heute noch begehrte Aufenthaltsorte.
Wenn wieder gesotten werden durfte, sollten die Lagerfässer wieder leer sein. Ähnlich wie heute im Handel der Sommer- und Winterschlussverkauf.
Nachdem aber ab Oktober eher weniger als mehr Bier über die Schänke ging, musste bei den Wirten ein Anlass geschaffen werden. Eben das „Bierletzt“ oder das „Alte Bier, wie es bis in unsere Zeit hieß. Ob dieses alte Bier dann billiger an den Mann ging, ist nicht nachgewiesen. Möglicherweise war es ob seiner Reife besser oder auch stärker. Der „Rausch“ konnte sich so verbilligen. Auf jeden Fall passten diese „Bierschlussverkäufe“ in die Jahreszeit: Der Tag war schon kürzer, die Ernte war eingebracht und teilweise schon verkauft. Zudem bot der Herbst den Wirten und damit auch Gästen ein reicheres Speisenangebot.
Mit der Erfindung und Einführung der Kühlmaschine durch den Oberfranken Carl von Linde 1871 erübrigte sich die traditionelle Biersiederei von Michaele bis George zusehends. Erst die größeren und zunehmend auch die kleineren Brauereien kühlten ihr Bier jetzt technisch. Das Bierletzt aber war für die Wirte ein gutes Geschäft: Es überlebte bis in unserer Zeit. Die Termine im Herbst waren nicht mehr zwingend notwendig und so verschoben sich die „Alten Biere“ bis in den Winter.
In der Gastwirtschaft meiner Eltern, beim Wirt in Ottersberg, wo ich miene Kindheit und Jugend verbrachte, war der traditionelle Termin immer um „Sebastiani“ (20.1.). Bei uns, wie auch bei den anderen Wirten in der Gegend dauerte es immer Sonntag und Montag. Eingeladen wurde mit Plakaten, die Geschäftsleute besonders mit Karten. Die kamen aber auch alle. Und die ließen sich nicht „lumpen“. Zweimal, ja dreimal Essen gehörte zum „guten Ton“, zumal sich die in der Küche tätige Wirtin dies auch von der Bedienung berichten ließ. Man merkte sich das.
Traditionell war das „Alte Bier“ zumindest in zahlreichen Gasthäusern des nördlichen Landkreises Ebersberg mit dem sogenannten „Ganspaschen“ verbunden. Es wurden da bratfertige Gänse ausgewürfelt. Dieser, wahrscheinlich uralte, Brauch sei dadurch entstanden, so erzählte man es, dass die Bauern, die ihre Mastgänse im Spätherbst auf den Münchner Markt „auftrieben“ auf der Rückreise den unverkauften Bestand per Würfelspiel an den Mann brachten.
Bei uns wurden allerdings keine Gänse „ausgepascht“, sondern Enten. Das hing damit zusammen, dass auf unserem Hof eben Enten gemästet wurden. Schon der Federn wegen. Einen Tag vor dem .Alten Bier“ geschlachtet, konnte die Ware nicht frischer sein. Der zweite Preis war ein selbstgemästeter „Gickerl“.
Wie lief das „Paschen“ ab: Soweit genügend Interessenten da waren, ging der „Pascher“, das war über Jahre lang ich, mit einem Notizheft von Tisch zu Tisch und forderte zum Mitspielen auf. Der Einsatz, zum Beispiel zwei oder drei Mark je Teilnehmer, wurde kassiert und der Eintrag im Heft erfolgte. War die vorgesehene Teilnehmerzahl erreicht, ging ich mit einer Schüssel, einem Becher und drei Würfeln von Teilnehmer zu Teilnehmer und ließ würfeln. Das Ergebnis zählte nur, wenn von den drei zwei Würfel die gleiche Zahl aufzeigten. Zwei solche Durchgänge waren Bedingung. Die Ergebnisse wurden notiert und zusammengezählt. Die höchsten Ergebnisse entschieden über Ente oder Gockel. Anschließend ging der „Pascher“ zu den Siegern, kassierte seinen kleinen Lohn und übergab einen Gutschein. Diese konnten dann bevor sie die Heimreise antraten ihren Gewinn in Empfang nehmen. In der Regel waren es Geschäftsleute, die die Gewinne heimtrugen – auch zwei oder drei Enten. Sie waren auch die, die sich am meisten beteiligten. Natürlich wurde das von den Wirtsleuten vermerkt. An beiden Tagen konnten es durchaus 30 Enten und dazu jeweils ein Gockel sein, die so ausgespielt wurden.
Woher kommt der Begriff „paschen“. Es ist eben der alte Name für ein Würfelspiel, der vom Französischen „passe“ kommen soll. Eine weitere Deutung: „Pasch“ ist der Begriff für zwei gleiche erspielte Zahlen.